Arzneimittel-Erstattungspreise

EU-Parlament schwächt europäische Nutzenbewertung ab

Berlin - 04.10.2018, 11:30 Uhr

Kooperation bei Arzneimittel-Nutzenbewertungen? Ja!; Gemeinsame Preise? Nein!. Das EU-Parlament hat einen Richtlinienentwurf der EU-Kommission abgeändert. (b / Foto: Imago)

Kooperation bei Arzneimittel-Nutzenbewertungen? Ja!; Gemeinsame Preise? Nein!. Das EU-Parlament hat einen Richtlinienentwurf der EU-Kommission abgeändert. (b / Foto: Imago)


Hersteller fordern Nutzungspflicht weiterhin ein

Trotzdem spricht sich das Europaparlament grundsätzlich dafür aus, die Nutzenbewertungsverfahren stärker zusammenzurücken. Ziel sei es, doppelte Bewertungen eines Arzneimittels oder Medizinproduktes zu vermeiden, heißt es in einer Mitteilung des Parlamentes. Die Parlamentarier stellen sich Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten so vor: „Die neue Richtlinie hat zum Ziel, die Kooperation zwischen den Mitgliedern bei den Nutzenbewertungen (HTA) zu fördern, indem eine Prozedur definiert wird, nach der die Staaten auf freiwilliger Basis gemeinsame Bewertungen vornehmen können. Die Regelung betrifft Aspekte wie etwa das Teilen von Daten, die Einberufung von Koordinationsgruppen, das Vermeiden von Interessenkonflikten bei Experten sowie die Veröffentlichung von Ergebnissen der gemeinsamen Arbeit.“

Laut Parlamentsmitteilung haben 576 Parlamentarier dem Richtlinienentwurf samt Änderungen zugestimmt, bei 56 Gegenstimmen und 41 Enthaltungen. Das Vorhaben muss nun nochmals mit den EU-Ministern (Ministerrat) abgesprochen werden. Diese können dann Stellung beziehen, dann wandert das Vorhaben in einer zweiten Lesung ins EU-Parlament, wo erneut Änderungen beschlossen werden können. Gibt es erneute Änderungen, muss der Ministerrat nochmals zustimmen. Tut er das nicht, wird ein Vermittlungsausschuss einberufen – zwischen Parlamentsvertretern und dem Rat. Gibt es auf EU-Ebene einen Beschluss, müssen die EU-Länder diesen Beschluss innerhalb einer gewissen Frist in nationales Recht umsetzen.

Peter Liese: Doppelarbeit vermeiden

Auch der CDU-Politiker Peter Liese, gesundheitspolitischer Sprecher der größten Fraktion im Europäischen Parlament (EVP-Christdemokraten), begrüßt den Entwurf grundsätzlich, weil „unnötige Doppelarbeit“ so vermieden werden könne. Und weiter: „Es kann aus wissenschaftlicher Sicht nicht sein, dass ein Medikament in Deutschland das Leben im Schnitt um acht Monate verlängert, aber in Frankreich nur um einen Monat. Ich freue mich daher über die breite Unterstützung. Dies ist im Interesse der Patienten, der Mitgliedstaaten und der Hersteller. Die Mitarbeiter, die diese unnötige Doppelarbeit leisten, können nämlich viel besser in der Forschung und Entwicklung eingesetzt werden.“ Liese begrüßte aber auch die klare Abgrenzung in Sachen Preisbildung: „Wir müssen streng darauf achten, dass die Kompetenzen der Mitgliedstaaten beachtet werden. Für die Frage, ob ein Medikament erstattet wird, ist nicht Europa, sondern das nationale Gesundheitswesen zuständig.“

EFPIA: Mitglieder sollten ihrer eigenen Arbeit vertrauen

Auch der europäische Pharmaverband EFPIA begrüßte den Beschluss des EU-Parlamentes. Nathalie Moll, Generalsekretärin des EFPIA, sagte: „Es macht Sinn, die Kräfte zu vereinen und eine qualitativ hochwertige Nutzenbewertung für Europa zu schaffen. Das wird zu besseren Entscheidungsfindungen führen, wovon letztlich Patienten in der ganzen EU profitieren.“ Die Pharma-Branche hatte sich schon nach dem Erscheinen des Richtlinienentwurfes dafür stark gemacht, dass die dort vorgesehene Nutzungspflicht der EU-Nutzenbewertung auch wirklich umgesetzt wird. Dass die EU-Staaten nun weiterhin eigene, souveräne Nutzenbewertungen durchführen können, stört den EFPIA. Moll sagte dazu, dass die Mitgliedstaaten schließlich in den Koordinationsgruppen auf EU-Ebene sitzen würden. „Daraus sollte man schlussfolgern, dass die Mitglieder Vertrauen in ihre eigene Arbeit und die ihrer Kollegen haben.“



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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