Neue Hustenmittel von Sanofi

Phyto-Medizinprodukte: Zweitkarrieren für Thymian und Spitzwegerich

Stuttgart - 20.09.2018, 15:15 Uhr

Sanofi bringt diese Saison zwei neue Hustenmittel auf den
Markt – als Medizinprodukte. (s / Foto. Sanofi)

Sanofi bringt diese Saison zwei neue Hustenmittel auf den Markt – als Medizinprodukte. (s / Foto. Sanofi)


Wollte man sich den Aufwand der Zulassung ersparen?

Auf die Frage, ob man sich damit einfach den Aufwand einer Zulassung ersparen wollte, erklärt ein Vertreter der Firma Sanofi, dass die Registrierung der stofflichen Medizinprodukte nicht einfacher sei als die Zulassung von Phytopharmaka auf Basis bibliographischer Daten, die ja möglich sei. Vielmehr bestünde die Herausforderung darin, nachzuweisen, dass die Hauptwirkung nicht pharmakologisch ist, denn andernfalls forderten die Behörden eine Zulassung als Arzneimittel. 

Die physikalische Wirkung nachzuweisen ist nicht trivial – darum ging es im Vortrag von Dr. Tankred Wegener. Der Biologe berät unter anderem Hersteller bei der Zulassung von Phytopharmaka. Die Bioadhäsion, die Voraussetzung für den Schleimhautschutz sei, könne man nicht anhand von Surrogatparametern nachweisen. Man könne lediglich in In-vitro-Experimenten Hinweise sammeln, dass sich ein Biofilm bilde. Man könne beispielsweise messen, inwiefern die in den Medizinprodukten enthaltenen Zubereitungen langsamer fließen, also besser anhaften als künstlicher Speichel. Dazu verwende man eine schräggestellte Schweinemukosa, die von Tieren aus dem Schlachthof stamme und der menschlichen Mundschleimhaut ähnlich sein soll.

Wegener betonte auch, dass Medizinprodukte keineswegs weniger wertig seien als Arzneimittel. Hinsichtlich der Sicherheit und Verträglichkeit sieht er aufgrund der oberflächlichen physikalischen Wirkung sogar einen Vorteil bei den Medizinprodukten.

Freiwahl, aber apothekenexklusiv

In der Praxis besteht der wesentlichste Unterschied wohl darin, dass die beiden Phyto-Medizinprodukte im Gegensatz zu beispielsweise thymianhaltigen Arzneimitteln in der Freiwahl stehen dürfen. Sie sind nicht apothekenpflichtig. Laut Sanofi sollen sie aber apothekenexklusiv sein, also nicht bei dm und Co. vertrieben werden, obwohl es rein rechtlich möglich wäre. Wie sie ankommen, wird sich zeigen. Sie müssen sich gegenüber Produkten wie Isla Moos® oder Aspecton® Hustenstiller (auch auf Isländisch Moos-Basis) behaupten, ebenso wie gegenüber Produkten auf Carbomer-, Hyaluron- und Xanthanbasis: Isla med® akut, Gelo-Revoice® oder Neo-Angin® stimmig plus. Letztere werden zwar eher für Heiserkeit vermarktet, aber die Idee, einen Schutzfilm auf gereizten Schleimhäuten zu bilden, klingt doch recht ähnlich. Ein Vorteil für Sanofis „Neue“ könnte sein, dass Packungsdesign und Bezeichnung sie als der Mucosolvan®-Familie zugehörig ausweisen, die bei Erkältungsbeschwerden den Kunden ein Begriff ist.



Julia Borsch, Apothekerin, Chefredakteurin DAZ
jborsch@daz.online


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2 Kommentare

überflüssig wie ein Kropf

von norbert brand am 21.09.2018 um 7:46 Uhr

was soll das Geschwafel? Natürlich wollte man das Zulassungsprocedere und alle damit verbundenen Folgepflichten für Arzneimittel vermeiden. Der Markt braucht solche kastrierten Phytos nicht, im Zweifelsfall nehme ich lieber den vollständigen Thymian oder Spitzwegerich. Wenn das Fortschritt sein soll, dann wird mir Angst.

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: überflüssig wie ein Kropf

von Eggmann am 21.09.2018 um 14:48 Uhr

Diese kastrierten Phytos sind zum Teil zufällig Marktführer in Italien, Spanien und Frankreich. Hersteller ist die Firma Aboca aus Italien, die bisher nur Medizinprodukte vertreibt und wie gesagt im Ausland schon sehr erfolgreich ist mit toller Wirksamkeit! Sanofi wollte diese Firma wegen der neuen Herstellungstechnik schon kaufen, haben die aber abgelehnt. Deshalb ließ Sanofi sich den Hustensaft Grintuss, das Original von Aboca, als Mucosolvan Phyto complete von Aboca nachbauen. Bevor man hier also wieder nur draufhaut, bitte erst informieren!

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