Zhejiang Huahai Pharmaceutical

Die FDA fand schon 2017 eine unbekannte Verunreinigung beim Valsartan-Hersteller

Stuttgart - 07.09.2018, 07:00 Uhr

Wurde bei Zhejiang Huahai Pharmaceutical nicht sauber
gearbeitet? (s / Foto: dpa) 

Wurde bei Zhejiang Huahai Pharmaceutical nicht sauber gearbeitet? (s / Foto: dpa) 


Anlässlich zweier Pharmaskandale aus China wird die Wirkstoffherstellung im Ausland und deren Überwachung derzeit rege diskutiert. Die (pharmazeutische) Welt scheint wachgerüttelt vom Fall Valsartan. Die US-Arzneimittelbehörde FDA bemüht sich schon seit längerem darum, die Überwachung der Wirkstoffherstellung im Ausland zu verbessern. DAZ.online hat sich die Inspektionsdatenbanken der FDA einmal genauer angeschaut und Dokumente gefunden, in denen von Auffälligkeiten bei Zhejiang Huahai Pharmaceutical berichtet wird: Schon 2017 wurde dabei eine unbekannte Verunreinigung entdeckt.

Die US-Arzneimittelbehörde FDA teilt anlässlich der bekannt gewordenen Valsartan-Verunreinigung derzeit sehr transparent mit, welche Anstrengungen sie weltweit unternimmt, um die Produktqualität und -transparenz bei Wirkstoffherstellern im Ausland sicherzustellen.

Am vergangenen Mittwoch veröffentlichte die FDA beispielsweise eine interne Richtlinie, um mehr Transparenz in Bezug auf die Standortauswahl bei Inspektionen zu schaffen. Die Richtlinie soll zeigen, wie Inspektionen geplant und priorisiert werden. Dies geschehe unabhängig vom Standort. Aus der Richtlinie geht auch hervor, dass aufgrund des „Mutual Recognition Agreement“ mit der EU dafür gesorgt ist, dass von EU-Behörden durchgeführte Inspektionen auch in den USA anerkannt werden. Somit könne sich die FDA gezielt auf die Standorte mit dem größten Risiko konzentrieren.

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3.025 routinemäßige Inspektionen im Ausland

Ebenso enthält das Papier einige interessante Statistiken zu den Inspektionen bei ausländischen Herstellern. Im Geschäftsjahr 2017 habe die FDA weltweit rund 5.063 humanpharmazeutische Standorte routinemäßig untersucht – 3.025 davon im Ausland. 2018 seien bereits 1.453 Inspektionen durchgeführt worden – 762 davon im Ausland.

Die Ergebnisse der Inspektionen veröffentlicht die US-Behörde im Internet, sie lassen sich von jedem in der Inspection Classification Database der FDA einsehen. Was verrät diese Datenbank über den im Valsartan-Fall hauptsächlich und zuerst betroffenen chinesischen Wirkstoffhersteller Zhejiang Huahai Pharmaceutical Co., Ltd.?

Die Ergebnisse der FDA-Inspektionen beim Valsartan-Hersteller

Die Eingabe des Namens des Valsartan-Herstellers in der FDA-Datenbank reicht und schon werden die Inspektionen der vergangenen Jahre bei Zhejiang Huahai Pharmaceutical aufgelistet (nicht klassifizierte Inspektionen erscheinen nicht) – mit zwei unterschiedlichen Addressangaben: Taizhou und Linhai.

Die Addresse, die im Zusammenhang mit dem viel diskutierten CEP-Zertifikat auftaucht, beinhaltet die Stadt Linhai (Postleitzhal: 317024). Dort wurde der Wirkstoffhersteller laut der FDA-Datenbank 2010, 2014 und 2017 inspiziert. Während 2010 und 2014 noch keine Maßnahmen erforderlich schienen (NAI), wurden nach der Inspektion im Mai 2017 freiwillige Maßnahmen des Herstellers als notwendig erachtet. Auch am Standort Taizhou schien es bei einer Inspektion 2016 Unstimmigkeiten zu geben. 

Gab es auch europäische Inspektionen?

Sucht man in der EudraGMDP-Datenbank nach Inspektionsdaten in China mit dem Standort unter der Postleitzahl 317024, ist erkennbar, dass zuletzt im März 2018 eine europäische Inspektion bei Zhejiang Huahai Pharmaceutical stattgefunden hat. Mängel wurden aber scheinbar keine festgestellt, denn „Non-Compliance-Reports“ sind in der Liste nicht aufgeführt.

Ein Blick auf die älteren Inspektionsdaten verrät, dass auch eine deutsche Behörde Zhejiang Hauhai Phamaceutical in China häufiger besucht hat: „Freie und Hansestadt Hamburg, Ministry of Health and Consumer Protection“ liest man auf dort hinterlegten Dokumenten. 

Was wurde von der FDA bemängelt? Das Formular 483

Wenn die FDA bei einer Inspektion Mängel entdeckt, werden diese in sogenannten 483-Formularen festgehalten. Diese Formulare sind bei ausländischen Inspektionen jedoch nicht einfach über eine Datenbank zugänglich

Schon im August berichtete die Zeitung „Die Welt“ über „Geister-Werte“ im Fall Valsartan und bezog sich dabei auf „zwei Prüfberichte über die chinesische Firma Zhejiang Huahai“, die von der FDA veröffentlicht worden seien. Die Protokolle aus den Jahren 2016 und 2017 belegen laut Welt „deutlich, dass bei dem Hersteller in der ostchinesischen Provinz Zhejiang südlich von Shanghai offenkundig einiges im Argen liegt“. Über den Internetauftritt der FDA konnte DAZ.online besagte Dokumente nicht auffinden. Eine Google-Suche hilft aber weiter und leitet direkt zu zwei PDF-Dokumenten, die von der FDA zu stammen scheinen. In beiden Fällen handelt es sich um das Formular 483.

Welche Mängel von der FDA festgehalten wurden

Das Formular 483, das sich auf eine Inspektion vom 14. bis 18. November 2016 bezieht, richtet sich nicht nur namentlich an den Valsartan-Wirkstoffhersteller Zhejiang Huahai Pharmaceutical Co., sondern ist auch an dieselbe Adresse adressiert, unter der das CEP beim EDQM hinterlegt ist. Dabei handelt es sich nicht um einen reinen Produktionsstandort für Wirkstoffe, sondern auch für Fertigarzneimittel (auf Karte weiter im Inland gelegener Standort, siehe Screenshot oben). Welchen Herstellungsprozess die Mängel genau betreffen, wurde geschwärzt. Allerdings sind einige Beobachtungen aufgeführt:   

1. Beobachtung

„Schriftliche Anweisungen, die dazu dienen sollen, sterile Produkte vor einer Verunreinigung zu schützen, werden nicht befolgt.“ Dieser Vorwurf wird mit konkreten Beobachtungen begründet, die aufgrund von Schwärzungen seitens der FDA nicht sinnhaft wiedergegeben werden können.

2. Beobachtung

„Es werden keine Laborkontrollen durchgeführt, die auf wissenschaftlich fundierten und angemessenen Spezifikationen, Standards, Probenplänen und Prüfverfahren basieren und die dafür entworfen wurden, Identität, Stärke, Qualität und Reinheit der Produkte sicherzustellen.“ Auch dieser Kritikpunkt scheint vor allem die Reinraumbedingungen zu betreffen. So würden Umgebungsmessungen bei geöffneten Türen schlichtweg nicht stattfinden. Zudem werde eine etwaige Endotoxin-Belastung nicht evaluiert.

3. Beobachtung

„Reinigung und Desinfektion der Geräte weisen Mängel auf.“ So sollen beispielsweise Rohrleitungen nicht regelmäßig inspiziert und gereinigt werden. Am Tag der Inspektion wurde in einer Rohrleitung weißer Staub auf der Oberfläche entdeckt, der nicht näher identifiziert wurde.

4. Beobachtung

„Daten werden nicht zeitgleich dokumentiert.“ Die „checked by“-Einträge bestimmter Tabletten-Chargen würden nicht zum Zeitpunkt der Chargen-Produktion dokumentiert. Der für die Umweltüberwachung verantwortliche QC-Analytiker soll zudem die Stichprobenziehung nicht zum Zeitpunkt ihres Auftretens dokumentieren.

Beobachtungen, die an den Fall Valsartan erinnern: „ghost peaks“

Ein weiteres Formular 483, das sich auf eine weitere Inspektion vom 15. bis 19. Mai 2017 bezieht, richtet sich auch an den Valsartan-Wirkstoffhersteller Zhejiang Huahai Pharmaceutical Co., Ltd., ist aber an eine andere Postleitzahl adressiert (317016, Standort an der Küste) als bei der Adresse, unter der das CEP beim EDQM hinterlegt ist. Die dort beobachteten Mängel erinnern jedoch an den Valsartan-Fall:  

1. Beobachtung

„Anomalien bei analytischen Tests werden nicht untersucht.“ So seien bei der analytischen Prüfung eines Wirkstoffs die Tests so lange wiederholt worden, bis die gewünschten Ergebnisse erzielt wurden. Traten Verunreinigungen während der analytischen Tests auf, wurden diese nicht konsequent dokumentiert oder quantifiziert. So sei bei einer Analyse mittels Flüssigkeitschromatographie/Massenspektrometrie ein nicht identifizierter Ausschlag erschienen. Das Unternehmen habe diesen unbekannten Ausschlag (Peak) als „ghost peak“ bezeichnet, der von Zeit zu Zeit in den Chromatogrammen auftauche – warum, wisse man nicht. Jedoch soll der Peak der Verunreinigung erheblich größer ausgefallen sein, als der der eigentlichen Test-Substanz. Untersucht wurde die Angelegenheit nicht.

In einem weiteren Beispiel wird beschrieben, dass beim Test bestimmter Chargen ein Peak erschien, der mit dem Peak des eigentlichen Wirkstoffes verschmolz. Diese Verunreinigung wurde laut FDA einfach zum Peak des Wirkstoffs hinzugezählt. Auch dieser Fall wurde nicht weiter untersucht.

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2. Beobachtung

„Einrichtung und Ausstattung werden nicht so instand gehalten, dass die Qualität der Produkte gesichert wird.“ Bei einer Vorrichtung, die ein Produkt für den US-Markt produzierte, beobachtete der FDA-Inspektor einen
kaputten Dichtungsring. Auf dessen Innenseite befand sich Staub und Farbe. Der Dichtungsring war ausgefranst. Ein
anderer Dichtungsring sei so heruntergekommen gewesen, dass Teile abgebrochen waren. Außerdem hatte er sich
braun verfärbt. Das inspizierte Gerät wurde im „sauberen Zustand“ geprüft.
In einer anderen Vorrichtung für den US-Markt wurde vermutlich Rost entdeckt. Für eine bestimmte Charge wurden „schwarze metallische Partikel“ vermerkt.

3. Beobachtung

„Die Nichtvalidierung von Ergebnissen außerhalb der Spezifikation wurde wissenschaftlich nicht ausreichend begründet.“ Hier ermahnt die FDA das Unternehmen erneut wegen der unbekannten Test-Ausschläge, der sogenannten „ghost peaks“. Mehrfach wurden unbekannte Verunreinigungen registriert. Einmal wurde ein solcher Peak mit einem „Laborfehler“ begründet.

Ein anderes Mal wurde Restlösungsmittel registriert. Man begründete diesen Fehler mit „Pollution“, also einer Verunreinigung aus der Umgebung, während der Probenvorbereitung. In einem weiteren Fall vermutete man als Grund für eine Verunreinigung einen Rückstand in der Säule. Bei näherer Nachfrage sprach das Unternehmen erneut von „ghost Peaks“.

Um welche Wirkstoffe es bei den beobachteten Mängeln geht, lässt sich nicht nachvollziehen. Dass aber gerade bei der Überwachung auf Verunreinigungen bei Zhejiang Huahai Pharmaceutical schon im Mai 2017 Missstände aufgefallen sind, scheint nicht von der Hand zu weisen zu sein.



Diana Moll, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (dm)
redaktion@daz.online


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2 Kommentare

Die FDA fand schon 2017 eine unbekannte Verunreinigung beim Valsartan-Hersteller

von Dr. Christoph Sonntag am 07.09.2018 um 18:08 Uhr

Der in meinem o. g. Kommentar gesetzte Link ist falsch. Korrekt ist dieser http://eudragmdp.ema.europa.eu/inspections/gmpc/searchGMPCompliance.do?ctrl=searchGMPCResultControlList&action=Drilldown&param=49039

Und auf dem Zertifikat steht wörtlich: From the knowledge gained during inspection of this manufacturer, the latest of which was conducted on 2015-04-23, it is considered that it complies with The principles and guidelines of Good Manufacturing Practice laid down in Directive 2003/94/EC

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Die FDA fand schon 2017 eine unbekannte Verunreinigung beim Valsartan-Hersteller

von Dr. Christoph Sonntag am 07.09.2018 um 17:59 Uhr

Im Bericht wird zutreffend erwähnt, dass man in der EudraGMDP-Datenbank etliche Inspektionsdaten über Zheijang Huahai in China mit dem Standort unter der Postleitzahl 317024 finden kann. Und es ist auch zutreffend, dass die Hamburgische Überwachungsbehörde dort offensichtlich regelmäßig inspiziert. Aber nicht Die Wirkstoff-Betriebe, sondern Workshops zur Herstellung von Darreichungsformen auf dem gleichen Gelände. Hoch interessant ist daher, dass Zheijang Huahai ein GMP-Zertifikat erteilt worden ist, aufgrund dessen die Hamburgische Firma Alfred E. Tiefenbacher eine Einfuhrerlaubnis für mind. 25 Produkte in Tablettenform aus dem Hause Huahai nach Deutschland erhalten hat: http://eudragmdp.ema.europa.eu/inspections/gmpc/searchGMPCompliance.do?ctrl=searchGMPCResultControlList&action=Drilldown&param=49039 . Darunter sind Tablettenprodukte mit den zu Valsartan eng verwandten Sartananaloga Candesartan, Irbesartan und Telmisartan. Sind in diesen Tabletten vielleicht auch die gefährliche Verunreinigung NDMA enthalten? Und wie die Hamburgische Behörde 25 oder gar mehr Produkte in nur einem Tag inspizieren kann (auf dem Zertifikat steht wörtlich: From the knowledge gained during inspection of this manufacturer, the latest of which was conducted on 2015-07-09 , it is considered that it complies with The principles and guidelines of Good Manufacturing Practice laid down in Directive 2003/94/EC) und aufgrund dieser in nur einem Tag gewonnenen Erkenntnisse die Einfuhr solcher Arzneimittel nach Deutschland für Alfred E. Tiefenbacher erlaubt, bleibt ihr Geheimnis. FDA-Inspektionen erstrecken sich meist über eine Woche. Bei einer Inspektion über nur einen Tag muss vieles zwangsläufig unkontrolliert geblieben sein. Unter welchem Marken- / Anbieternamen werden diese Produkte in deutschen Apotheken angeboten? Hier sollte die DAZ weiter recherchieren.

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