MdB Sylvia Gabelmann (Linke)

„Wir fordern die Abschaffung der Rabattverträge und der Importquote“

Berlin - 02.08.2018, 10:20 Uhr

Die Linken-Politikerin und Apothekerin Sylvia Gabelmann fordert nach den Skandalen rund um die Valsartan-Verunreinigungen und den Händler Lunapharm eine Abschaffung der Rabattverträge und der Importquote. (s / Foto: Schelbert)

Die Linken-Politikerin und Apothekerin Sylvia Gabelmann fordert nach den Skandalen rund um die Valsartan-Verunreinigungen und den Händler Lunapharm eine Abschaffung der Rabattverträge und der Importquote. (s / Foto: Schelbert)


Die Valsartan-Verunreinigungen und die Lunapharm-Affäre beschäftigen auch die Bundespolitik. Die SPD-Gesundheitsexpertin Sabine Dittmar hatte am gestrigen Mittwoch eine größere Reform ausgeschlossen und die Aufsichtsbehörden in die Pflicht genommen. DAZ.online hat nun bei der einzigen Apothekerin im Bundestag, Sylvia Gabelmann (Linke), nachgefragt, wie sie als Expertin die Lage einschätzt und was ihre Fraktion unternehmen würde. Es zeigt sich: Die Linke würde sich vor einer größeren Umstellung des Systems nicht scheuen.

Nicht nur Patienten, sondern auch Apotheker haben sowohl bei den Valsartan-Verunreinigungen als auch in der Lunapharm-Affäre noch viele offene Fragen. In den vergangenen Tagen ist aus beiden Skandalen auch eine politische Debatte entstanden: Wegen der Affäre um mutmaßlich gestohlene Arzneimittel aus Griechenland fordern Apotheker und die AOK Baden-Württemberg erneut das Ende der Importquote, die Importeure wollen sie verständlicherweise behalten. Und aus der Valsartan-Krise resultiert erneut eine Diskussion über die Rabattverträge, die Preispolitik bei Generika und die Produktionsstandorte der Pharmakonzerne.

Am gestrigen Mittwoch erklärte Sabine Dittmar, gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, dass sie keinen großen Reformbedarf sehe. Die Quote und das Preissystem im Arzneimittelbereich wolle sie beibehalten. Vielmehr sei insbesondere wegen der Lunapharm-Affäre nun aber eine lückenlose Aufklärung durch die Aufsichtsbehörden nötig, so Dittmar. DAZ.online hat sich nun bei der Oppositionsfraktion Die Linke umgehört: Dort ist für alle Arzneimittelthemen die einzige Apothekerin im Bundestag, Sylvia Gabelmann, zuständig.

DAZ.online: Frau Gabelmann, Sie als Apothekerin wissen ja, welchen Stellenwert Importarzneimittel und die Quote in den Apotheken haben. Nun streiten sich die Interessenverbände erneut um die Sinnhaftigkeit der Quote. Auf welcher Seite stehen Sie?

Gabelmann: Ich erinnere mich noch an die zerschnippelten Tablettenblister mit spanisch beschrifteter Packung. Eine vertrauensfördernde Maßnahme in das Risikoprodukt Arzneimittel war das jedenfalls nicht. Die Importquote war schon immer untauglich und ist nun vollends überflüssig. Die Linke hat sich seit Langem für die Abschaffung der Importquote ausgesprochen. Sie ist nicht nur ein bürokratisches Monstrum, sie erfüllt nicht einmal ihren Zweck. Sie ist eingeführt worden, als es noch keine Preisregulation für neue Arzneimittel gab und um die Originalhersteller bei der Preisgestaltung wenigstens ein bisschen unter Druck zu setzen. Sie war schon damals ein trauriges Eingeständnis für das politische Versagen, im Interesse des solidarisch finanzierten Gesundheitssystems für realistische Arzneimittelpreise zu sorgen.

DAZ.online: Mit Blick auf die Lunapharm-Affäre und die Verunreinigungen in Valsartan fordert die ABDA eine große, grundlegende Reform: Entweder seien schärfere Kontrollen notwendig oder neue Preisregulierungen. Wie sehen Sie das?

Gabelmann: Qualitätskontrolle und Preisregulation erfüllen unterschiedliche Zwecke und sollten nicht gegeneinander aufgewogen werden. Die Linke fordert eine konsequente Preisregulation bei neuen, patentgeschützten Arzneimitteln und eine vernünftige Preispolitik bei Generika. Die Überwachung ist unter anderem dafür da, die Qualität der Arzneimittel zu gewährleisten. Beides ist gleichermaßen notwendig.

Linke: Schärfung der Festbeträge statt Rabattverträge

DAZ.online: Zu den Valsartan-Verunreinigungen: Die Generika-Industrie beschwert sich seit Jahren über einen zu hohen Preisdruck im System. Sind Sicherheitslücken und Lieferengpässe aus Ihrer Sicht eine logische Folge der Rabattverträge?

Gabelmann: Es ist richtig, dass die Rabattverträge einen großen Preisdruck ausüben und auch für Lieferengpässe verantwortlich sind. Wir fordern die Abschaffung der Rabattverträge und stattdessen eine Schärfung des Festbetragssystems. Die Generikapreise sollten so austariert werden, dass sowohl die Versorgungssicherheit und ausreichende Anbietervielfalt gewährleistet bleibt und auf der anderen Seite im Interesse der Beitragszahler keine überhöhten Preise aufgerufen werden.

DAZ.online: Würde sich denn die Sicherheit damit verbessern?

Gabelmann: Nein, ich denke, dass der Preisdruck nur eine Seite der Medaille ist. Auch bei teuren patentgeschützten Präparaten finden wir die Rationalisierung und Konzentrierung der Herstellungsprozesse. Hier helfen nur eine stärkere Überwachung und striktere Vorgaben. Die Pharmaindustrie hat einen gesetzlichen Sicherstellungsauftrag zu erfüllen, doch es mangelt an der Durchsetzung und der Sanktionierung bei Verstößen.

Zur Person

Nach dem Ausscheiden vom CDU-Politiker Michael Fuchs ist Sylvia Gabelmann die einzige Apothekerin im Bundestag. Die aus NRW stammende Politikerin studierte Pharmazie in Frankfurt am Main, approbierte 1986 und arbeitete bis 2002 als Apothekerin. Für die Linke war sie jahrelang auf Landesebene in NRW tätig, unter anderem als stellvertretende Landesspprecherin der Partei in NRW und dann als Mitarbeiterin. Für den Bundestag kandidierte sie erstmals bei der Bundestagswahl 2017 und zog über die NRW-Landesliste ins Parlament ein. Dort ist sie nun Mitglied des Gesundheitsausschusses und innerhalb der AG Gesundheit zuständig für alle Fragen rund um die Themen Arzneimittel und Apotheke.

DAZ.online: Oftmals wird auch die Komplexität des Systems als Sicherheitslücke genannt: Es ist oft völlig undurchsichtig, wie viele Zwischenhändler ein Arzneimittel über welche Länder nach Deutschland bringen. Und auch dass die großen Hersteller ihre Wirkstoffe größtenteils in Fernost einkaufen, gefällt vielen nicht. Was sagen Sie dazu?

Gabelmann: Es ist schwierig, internationalen Konzernen vorzuschreiben, wo sie zu produzieren haben. Auch hielte ich es für unvertretbar, den Pharmaunternehmen noch Geld dafür zu geben, dass sie in Europa produzieren. Das mag über die Standortpolitik passieren, aber nicht mit den Beiträgen der Versicherten, die damit ihre Gesundheitsversorgung finanzieren. Wir wollen auch keine Parallelvermarktung, bei der die ordentlich hergestellten Arzneimittel für Europa und Nordamerika gedacht sind und für Afrika eigene Produktionsstätten existieren – oder auch nicht. Wichtig ist dagegen, die Einhaltung der europäischen Regelungen für hochwertig hergestellte Arzneimittel weltweit konsequent durchzusetzen. Das geht natürlich nur für Arzneimittel, die für den europäischen Markt produziert werden, aber das wäre auch ein Stück Verantwortung für andere Märkte, die aus der gleichen Produktion beliefert werden.



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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