„Tagesgespräch" im Bayerischen Rundfunk

Bürgersprechstunde zum Rx-Versandverbot

Berlin - 15.03.2018, 07:00 Uhr

Preisgünstig und bequem - so empfinden die meisten Gäste in der BR-Sendung "Tagesgespräch" den Versandhandel mit verschreibungspflichtigen Medikamenten, auf den sie nur ungern verzichten. Moderiert wurde die Sendung von Stefan
Parrisius (rechts) und Nikolaus Nützel (links).  (Bild: Screenshot: Tagesgespräch vom 13.3.2018/br.de)

Preisgünstig und bequem - so empfinden die meisten Gäste in der BR-Sendung "Tagesgespräch" den Versandhandel mit verschreibungspflichtigen Medikamenten, auf den sie nur ungern verzichten. Moderiert wurde die Sendung von Stefan Parrisius (rechts) und Nikolaus Nützel (links).  (Bild: Screenshot: Tagesgespräch vom 13.3.2018/br.de)


In der TV-Sendung „Tagesgespräch“ des Bayerischen Rundfunks am vergangenen Dienstag konnten Bürger ihre Meinung über das Rx-Versandverbot äußern. Die meisten zugeschalteten Gäste wollten lieber weiterhin verschreibungspflichtige Arzneimittel im Internet bestellen können, um Geld zu sparen. Ein paar wenige Stimmen betonten allerdings die wertvollen Serviceleistungen der öffentlichen Apotheken, die aus ihrer Sicht unterstützt werden sollten.

Die Sendung des Bayerischen Rundfunks (BR) „Tagesgespräch“ am vergangenen Dienstag drehte sich um das von der Großen Koalition beabsichtigte Rx-Versandverbot. Über eine kostenfreie Hotline konnten Zuschauer ihre Meinung dazu äußern. Moderiert wurde die Sendung von Stefan Parrisius mit Unterstützung des BR-Experten für Gesundheitsfragen Nikolaus Nützel.

In der Einführung verwiesen die Moderatoren darauf, dass der CDU-Bundestagsageordnete Alexander Krauß gegenüber dem Bayerischen Rundfunk angekündigt hatte, das Rx-Versandverbot „werde das erste Gesetz der neuen Regierung sein“. Auch der BR-Experte Nützel war der Meinung, dass die Regierung das Rx-Versandverbot theoretisch binnen weniger Monate umsetzen könne, ohne die Aussage jedoch irgendwie zu erläutern. Allerdings gäbe es Bedenken bei den Sozialdemokraten.

Verbraucherfeindliches Gesetz

Die meisten der zugeschalteten Gäste äußerten sich negativ zum Rx-Versandverbot. Ungern wollte die Mehrheit der Zuschauer auf die Bequemlichkeit und die finanzielle Ersparnis durch die online-Bestellung von verschreibungspflichtigen Medikamenten verzichten. „Ich habe schon tausend Euro durch das online-Bestellen zusammen gespart, davon kann man dreimal in Urlaub fahren“, erläuterte ein Gast.

„Ich finde es unverständlich, dass die Regierung ein so verbraucherfeindliches Gesetz möchte. Wieso sind ein paar tausend Apotheker wichtiger als Millionen Patienten“, kommentierte eine anderer Gast. Für mehrere Bürger sei das Rx-Versandverbot nicht sinnvoll und vornehmlich der jahrelangen Lobbyarbeit der Apotheker zu verdanken. So seien die Apothekerverbände der Ansicht, dass der Versand mit verschreibungspflichtigen Medikamenten deshalb verboten werden müsse, um die Zukunft der Präsenzapotheken zu sichern. Der Begriff „Lobbyarbeit“ fiel auch hin und wieder seitens der Moderatoren, welche jedoch beteuerten, den Versand- und den öffentlichen Apotheken gegenüber neutral zu sein.

Apotheken-Niederlassungen sollte der Staat regeln

Aus Sicht des BR-Experten sei die Existenz der öffentlichen Apotheken nicht so stark gefährdet, wie es die pharmazeutischen Interessensverbände schildern würden. Schließen würde jährlich lediglich ein Prozent der Vor-Ort-Apotheken schließen. Und in Deutschland sei die Apothekendichte derzeit immer noch höher als beispielsweise in den Niederlanden oder in Dänemark.  

Ein Zuschauer kritisierte die Niederlassungsfreiheit der deutschen Apotheken, weil dadurch aus seiner Sicht die Versorgung in infrastrukturschwachen Gebieten unzureichend sei. Seiner Meinung nach solle künftig wieder der Staat die Niederlassung der Apotheken regulieren und somit für eine flächendeckende Apothekenverteilung sorgen. Für diesen Gast sei die pharmazeutische Arbeit schließlich eine „hoheitliche Aufgabe“, vergleichbar dem Polizeidienst. Zudem könne seiner Ansicht nach der Staat Betrugsfälle, wie sie beispielsweise im Rahmen des Bottroper Zyto-Skandals geschehen seien, wirkungsvoll verhindern.

Chroniker können selbst entscheiden

Unter den zugeschalteten Gästen befand sich auch der Internist Dr. Philipp Ascher. Für den Mediziner sei der Versandhandel mit verschreibungspflichtigen Medikamenten heutzutage nicht mehr wegzudenken. Auf die Nachfrage des Moderators, ob die Beratung in der öffentlichen Apotheker für Patienten wichtig sei, antwortete Ascher: „Beratung ist schon wichtig. Aber bei wiederholten Verordnungen kann der Patient doch selbst entscheiden, ob er Beratung in Anspruch nehmen möchte.“  

Aus seiner Sicht seien die aktuellen Nachteile des Versandhandels wie mangelnde Beratung und verzögerte Belieferung noch keine Gründe, diesen Vertriebsweg zu beschränken. Vielmehr wäre es zu erwarten, dass sich der online-Handel mit verschreibungspflichtigen Medikamenten weiter entwickeln könne, wen man ihn nicht verbiete. Diese Meinung teilte auch eine Zuschauerin, die den Arzneimittel-Versandhandel mit Amazon verglich. „Wenn ich heute bei Amazon prime bestelle, kann ich die Ware teilweise am Abend schon haben“, erläutere diese. Und ihren Prognosen nach, könne der Rx-Versandhandel diese Geschwindigkeit künftig ebenfalls leisten, wenn er erhalten bliebe.

Wie sicher sind online-Bestellungen?

Ein paar wenige Stimmen hoben jedoch die positiven Aspekte hervor. So bestätigte eine Chronikerin, dass sie auf die Serviceleistungen der öffentlichen Apotheken nicht verzichten möchte und diese ihrer Meinung nach unterstützt werden müssten. Ihre verschreibungspflichtigen Therapien möchte sie lieber nicht online bestellen, weil sie befürchtete, über das Netz nicht immer das richtige Medikament zu erhalten.

Die Erfahrung einer fehlerhaften Belieferung hatte ein weiterer Gast bereits gemacht. Er erhielt sein Atemwegstherapeutikum von einer Internetapotheke in einer zu niedrigen Dosierung. Da ihm der Aufwand für eine Reklamation zu hoch gewesen wäre, hatte er einfach eine größere Menge des Arzneimittels angewendet. Da er folglich früher als gewohnt nachbestellen musste, hatte er sich allerdings über die Mehrkosten geärgert.

Ein weiterer Gast wies auf die Vorteile des Botendienstes hin, den viele Apotheken anbieten. In diesem Zusammenhang stellte der Moderator in den Raum, ob ein Rx-Versandverbot je nach rechtlicher Ausgestaltung möglicherweise auch die Botendienste der Vor-Ort-Apotheken tangieren könnte.



Dr. Bettina Jung, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online
redaktion@daz.online


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4 Kommentare

RX Versandverbot im TV

von Alexander Zeitler am 16.03.2018 um 1:40 Uhr

Der Normalbürger/Apotheken-Kunde versteht unser Problem einfach nicht. Folglich verwirrt so eine Sendung nur. Waren die Moderatoren denn Profis?

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Schweigen und Zusehen hilft nicht weiter !

von Ulrich Ströh am 15.03.2018 um 8:54 Uhr

Es stellt sich die Frage,wie Präsenzapotheker und damit unsere ABDA ,zukünftig medial mit solchen Sendungen umgehen.
Weitere Sendungen werden folgen.

Totschweigen hilft auch hier nicht.

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Medienberichten zum RX-Versandhandelsverbot

von Thesing-Bleck am 15.03.2018 um 8:00 Uhr

Sendungen wie die oben beschriebene haben leider die Nebenwirkung, dass sie auch viele Menschen auf die Möglichkeit aufmerksam machen ihre Medikamente im Internet zu bestellen. Seit der Einführung von DocMorris wissen wir, dass Medienberichte über den RX Versandhandel für Versand -Apotheken die billigste Werbung sind. Der Druck der durch solche Sendungen auf die Politik aufgebaut werden soll, wird folglich dadurch von den vor Ort Apotheken mit einem Verlust an Kunden bezahlt. Bei dieser speziellen Sendung kommt aber offenbar noch ein zusätzlicher Aspekt dazu. Wenn sich viele Menschen in einem rein bayerischen Medium für die Beibehaltung des RXVersandhandels aussprechen, dann könnte das von der Politik in diesem Bundesland als Signal verstanden werden, dieses kontroverse Thema nicht vor der Bayernwahl anzupacken. Meiner Meinung tragen solche Sendungen ein hohes Risiko, das berechtigte Interesse von Apothekerinnen und Apothekern, in einer vertretbaren Zeit den RX Versandhandel durchzusetzen noch weiter zu verschlechtern.

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Begrifflichkeit

von Anita Peter am 15.03.2018 um 7:51 Uhr

Korrekterweise müsste man statt "sparen" von "Umgehung der Zuzahlung" sprechen. Und damit verliert die Zuzahlung völlig ihren Steuerungseffekt, wenn es diesen jemals hatte. Von daher sollte die Zuzahlung analog der Praxisgebühr umgehehend abgeschafft werden.

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