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DocMorris-„Fakten“

Ein Kommentar von Doris Uhl

Dr. Doris Uhl, Chef­redakteurin der DAZ

Die Bundestagswahl und damit die Entscheidung, wie es in Deutschland weitergeht, rückt näher. Kein Wunder, dass die Ankündigung der CDU, das Rx-Versandhandelsverbot zum Gegenstand von Koalitionsverhandlungen zu machen, Lobbyisten des Versandhandels zunehmend nervös werden lässt. Deshalb wird mit immer härteren Bandagen gekämpft, ­allen voran von DocMorris. Um die CDU-Front brökeln zu lassen, versucht das Enfant terrible des Versandhandels verzweifelt, die CDU-Bundestagsdirektkandidaten mit einem ganz eigenen DocMorris-Faktencheck zu überzeugen, weil doch die bisherige Diskussion bislang nur Interessen-geleitet, aber nicht Fakten-basiert geführt worden sei. Dazu werden wichtige Fragen gestellt und Antworten gegeben, die ein Lehrstück für gelungene Lobbyarbeit und ein Lehrstück in Sachen Interessen-geleitete Faktenverdrehung sind. Besonders perfide: DocMorris spielt sich als Retter der Armen, Kranken und Behinderten auf. Zwei Beispiele:

Welche Folgen hätte ein Rx-Versandverbot?

DocMorris-„Fakten“: „Die Patienten und Verbraucher hätten nicht mehr die freie Wahl, wo sie rezeptpflichtige Arzneimittel kaufen. Sie müssten sie ausschließlich in einer örtlichen Apotheke besorgen, zu den vorgegebenen Öffnungszeiten – für Berufstätige mitunter ein Problem. Ein Verbot hätte vor allem Nachteile für Menschen auf dem Land, die weit weg von der nächsten Apotheke wohnen. Besonders hier würde die Versorgung schlechter werden. Betroffen wären darüber hinaus Gehbehinderte und Senioren mit eingeschränkter Mobilität. Auf chronisch Kranke, die regelmäßig Medikamente benötigen, und auf finanziell schlechtergestellte Menschen kämen überdies höhere finanzielle Belastungen zu; sie könnten nicht mehr durch die von den EU-ausländischen Versandapotheken gewährten Boni sparen.“

Die ehrliche Antwort: Patienten und Verbraucher, die ihre Rx-Arzneimittel bei einer Versandapotheke bestellen, können das zwar rund um die Uhr tun, erhalten die Arzneimittel in der Regel aber erst Tage später. In der öffentlichen Apotheke können sie das ebenfalls. Darüber hinaus können sie dort dann das Arzneimittel zeitnah abholen (lassen) oder sich durch den Apothekenbotendienst liefern lassen. Davon profitieren Gehbehinderte und Senioren mit eingeschränkter Mobilität ebenso wie Berufstätige. Zudem gibt es rund um die Uhr dienstbereite Apotheken, die im Notfall sofort die Versorgung sicherstellen. Das kann die Versandapotheke nicht leisten. Ein Rx-Versandverbot sichert diese ortsnahe Versorgung.

Zu den Boni: Finanziell schlechter gestellte Menschen, die regelmäßig Medikamente benötigen, können von Zuzahlungen befreit werden. Sie sind und dürfen nicht auf Boni ausländischer Versender angewiesen sein. Aber: Diese Patienten sind auf eine schnelle Versorgung durch ihre Apotheke vor Ort oder dem Nachbarort angewiesen. Sollten die Boni zur Alimentierung sozial Schwacher dienen müssen – liebe derzeitige und zukünftige Abgeordnete – dann stimmt etwas nicht mit unserem Solidarsy­s­tem. Werden jetzt mit Boni alle chronisch Kranken dazu animiert, ihre Arzneimittel bei Versandapotheken zu bestellen, bricht die Geschäftsgrundlage für viele Vor-Ort-Apotheken weg. Ein Desaster für die Versorgung von chronisch Kranken. Wer das nicht glaubt und Fakten möchte, dem sei das Gutachen von May/Bauer/Dettling zum Versandverbot für verschreibungspflichtige Arzneimittel sehr ans Herz gelegt.

Gehen die Boni der EU-ausländischen Versandapotheken zulasten der deutschen Solidargemeinschaft?

DocMorris-„Fakten“: „Nein. EU-ausländische Versandapotheken wie DocMorris geben einen Teil ihrer Marge durch Boni an die Käufer weiter. Den Kranken- und Sozialkassen entgeht dadurch kein einziger Cent. Auch der Vorwurf, dass Patienten wegen der Boni mehr Medikamente als notwendig kaufen, ist von der Hand zu weisen. Versandapotheken bedienen nur solche Rezepte, die von einem Arzt ausgestellt und unterschrieben wurden. Eine erhöhte Medikation aufgrund von Preisvorteilen ist also nicht möglich.“

Die ehrliche Antwort: Ja, sehr wahrscheinlich: Denn es werden Anreize geschaffen, sich viele Rezepte ausstellen zu lassen. Der frühere DocMorris-Slogan „Geld verdienen auf Rezept“ lässt grüßen. Solange der eine Arzt nicht weiß was der andere verschrieben hat, solange verschie­dene Ärzte in der gleichen Sache konsultiert werden können, solange können Rezepte zur Boni-Generierung munter gesammelt werden. Im schlimmsten Fall verschreibt jeder Arzt ein anderes Präparat für die gleiche Indikation, der Patient kassiert Boni bei unterschiedlichen Versendern und nimmt alle Arzneimittel unkontrolliert ein. Gravierende Folgen für die Gesundheit inklusive.

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