Bei seltenen Erkrankungen

Zweitkarrieren für Budesonid, Coffein, Ibuprofen und andere

Stuttgart - 28.02.2018, 17:00 Uhr

Wegschauen hilft nicht. Am 28. Februar ist der Tag der Seltenen Erkrankungen. (Foto: Shutterstock/Dmitry Guzhanin/BPI/obs/ pictute alliance)

Wegschauen hilft nicht. Am 28. Februar ist der Tag der Seltenen Erkrankungen. (Foto: Shutterstock/Dmitry Guzhanin/BPI/obs/ pictute alliance)


Coffein, Hydrocortison und Glibenclamid

Coffeincitrat

Coffein ist ein Antagonist an Adenosin-Rezeptoren. Das Analeptikum stimuliert das Zentralnervensystem, steigert die Herzfrequenz und den Blutdruck. Zudem wirkt Coffein Ermüdungserscheinungen entgegen und fördert die psychische Leistungsbereitschaft und -fähigkeit. Daher ist es häufig Bestandteil von Energy-Drinks. In Form von Coffein-Tabletten wird es zur kurzfristigen Beseitigung von Ermüdungserscheinungen eingesetzt. Darüber hinaus aktiviert Coffein das Atemzentrum, indem es die CO2-Empfindlichkeit erhöht. Hierdurch wird das Atemzeitvolumen erhöht. Diesen Effekt macht man sich bei der Therapie der Apnoe bei Frühgeborenen zu Nutze. Ein lebensbedrohlicher Zustand, der durch Aussetzen der Atmung über mehr als 20 Sekunden definiert ist. Als Orphan-Drug ist das Citrat bei primärer Apnoe bei Frühgeborenen seit Juli 2009 zugelassen und wird unter dem Handelsnamen Peyona® (früher Nymusa®) vertrieben. 

Glibenclamid

Das Antidiabetikum liefert die jüngste Zweitkarriere eines altbekannten Wirkstoffs. Der Humanarzneimittelausschuss der EMA, CHMP, hat vergangene Woche Amglidia® zur Behandlung des neonatalen Diabetes mellitus zur Zulassung empfohlen, ein flüssiges Glibenclamid-Präparat. Eine häufige Ursache des neonatalen Diabetes ist eine Mutation in einem für Kalium-ATP-Kanäle codierenden Gen. So sind bei diesen Kindern die Beta-Zellen des Pankreas zwar in der Lage, Insulin zu bilden, doch durch den mutationsbedingt dysfunktionalen Kalium-ATP-Kanal können sie das Hormon nicht sezernieren. Glibenclamid ist ein Blocker dieses Kaliumkanals. Es unterbindet den Ausstrom von Kalium aus der Betazelle. In der Folge kommt es zu einer Depolarisation. Spannungsabhängige Calciumkanäle werden aktiviert, Calcium strömt verstärkt in die Zellen. Es kommt zur Insulinfreisetzung aus den Betazellen. Die Zulassung steht allerdings noch aus. 

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Hydrocortison

Hydrocortison, wie die synthetische Form des endogenen Glucocorticoids Cortisol genannt wird, wirkt entzündungshemmend und immunsuppressiv. Lokal wird es bei Hauterkrankungen wie Ekzemen als Creme oder bei Gelenkentzündungen intraartikulär verabreicht. Systemisch kommt Hydrocortison beim adrenogenitalen Syndrom und primärer Nebennierenrinden-Insuffizienz zum Einsatz. Für Nebenniereninsuffizienz besteht seit 2011 eine Orphan-Zulassung, und zwar für Hydrocortison in retardierter Form. Plenadren® ist das entsprechende Fertigarzneimittel. Der Orphan-Staus wurde zugestanden, weil man davon ausgeht, dass sich mit Hilfe der modifizierten Freisetzung die natürlichen Cortisolspiegel besser nachbilden lassen. So soll vor allem morgendliche Müdigkeit reduziert und dank der nur einmal täglichen Gabe die Adhärenz gefördert werden. 



Julia Borsch, Apothekerin, Chefredakteurin DAZ
jborsch@daz.online


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