Bei seltenen Erkrankungen

Zweitkarrieren für Budesonid, Coffein, Ibuprofen und andere

Stuttgart - 28.02.2018, 17:00 Uhr

Wegschauen hilft nicht. Am 28. Februar ist der Tag der Seltenen Erkrankungen. (Foto: Shutterstock/Dmitry Guzhanin/BPI/obs/ pictute alliance)

Wegschauen hilft nicht. Am 28. Februar ist der Tag der Seltenen Erkrankungen. (Foto: Shutterstock/Dmitry Guzhanin/BPI/obs/ pictute alliance)


Ibuprofen, Ketoconazol und Sildenafil

Ibuprofen

Ibuprofen wird wegen seiner schmerz- und entzündungshemmenden, sowie seiner fiebersenkenden Wirkung eingesetzt. Es ist im letzten Drittel der Schwangerschaft kontraindiziert, weil es aufgrund der Hemmung der Prostaglandinsynthese zum vorzeitigen Verschluss des Ductus arteriosus Botalli beim Fetus führen kann. Aus dieser Eigenschaft ist ein Orphan-Drug hervorgegangen. Es hat die Indikation Ductus arteriosus bei Frühgeborenen, also einem angeborenen Herzfehler durch unvollständige Schließung des Ductus arteriosus. Der Orphan-Status von Pedea® ist abgelaufen. 

Ketoconazol

Das Azolantimykotikum Ketoconazol wird lokal bei Pilzerkrankungen der Haut eingesetzt. Alle oralen Antimykotika mit diesem Wirkstoff sind aufgrund der lebertoxischen Wirkung in der EU nicht mehr auf dem Markt. Als Orphan-Drug ist der Wirkstoff seit November 2014 zugelassen. Das Fertigarzneimittel Ketoconazole HRA® ist indiziert bei, aufgrund eines Tumors der Hypophyse, stark überhöhten Cortisolspiegeln im Blut, dem sogenannten Cushing Syndrom. Etwa 43.000 Patienten leiden EU-weit darunter. Dabei macht man sich die Eigenschaft von Ketoconazol als Hemmer der Cytochrom-P450-Enzyme in der Nebenniere und die daraus resultierende starke Hemmung der Cortisolsynthese zunutze. 

Sildenafil

Die bekanntere Indikation von Sildenafil war ein Zufallsbefund: Im Rahmen der Entwicklung zur Behandlung von Bluthochdruck und Angina Pectoris wurde dessen Wirkung bei erektiler Dysfunktion entdeckt. 2005 folgte dann die Zulassung als Orphan-Drug zur Behandlung der idiopathischen pulmonal-arteriellen Hypertonie unter dem Handelsnamen Revatio®. Die Wirkung beruht auf einer Hemmung der cGMP-spezifischen Phosphodiesterase vom Typ 5 (PDE-5), die neben der glatten Muskulatur des Corpus cavernosum unter anderem in der glatten Muskulatur der Lungengefäße lokalisiert ist. In der Folge wird der Abbau von cGMP verhindert, es kommt zu einer Relaxation der glatten Muskelzellen der Lungengefäße und somit zu einer Erniedrigung des pulmonalen Drucks. Potenzielle Patienten gibt es EU-weit knapp über 50.000. Der Orphan-Status ist aber mittlerweile abgelaufen.

Thalidomid

Thalidomid erlangte traurige Berühmtheit als Veursacher des Contergan-Skandals, dem vermutlich größten Arzneimittel-Skandal der Bundesrepublik. Wegen seiner fruchtschädigenden Wirkung verschwand das als Schlaf- und Beruhigungsmittel verkaufte Arzneimittel 1961 vom Markt. Neben seiner schlaffördernden Wirkung hat Thalidomid jedoch antineoplastische, antiangiogene, antiinflammatorische und immunmodulierende Eigenschaften. Das verhalf ihm zu einem Comeback. 2008 erhielt Thalidomide® Celgene die Zulassung als Orphan-Drug zur Behandlung des Multiplen Myeloms, einer Krebserkrankung des blutbildenden Systems, bei der entartete Plasmazellen gebildet werden. Aufgrund seiner teratogenen Wirkung darf Thalidomid aber nur unter strengen Auflagen auf sogenannten T-Rezepten verordnet werden.

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Julia Borsch, Apothekerin, Chefredakteurin DAZ
jborsch@daz.online


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