Koalitionsverhandlungen

Das ist der Zwischenstand im Bereich Gesundheit

Berlin - 02.02.2018, 11:55 Uhr

Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (re.) verhandelt in den Koalitionsgesprächen mit SPD und CSU das Thema Gesundheit für die CDU. (Foto: Imago)

Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (re.) verhandelt in den Koalitionsgesprächen mit SPD und CSU das Thema Gesundheit für die CDU. (Foto: Imago)


In den Koalitionsverhandlungen zwischen Union und SPD wird es immer spannender: Bis zum kommenden Sonntag wollen die drei Parteien wissen, ob es eine neue GroKo geben kann, oder nicht. Ein Streitpunkt: der Apothekenmarkt. Aber es gibt noch andere Baustellen im Gesundheitsbereich. DAZ.online berichtet über alle Konsens-Bereiche und die strittigen Themen.

Die Gesundheits-Verhandlungsgruppe der möglichen Großen Koalition hat große Fortschritte gemacht. Schon vor einigen Tagen präsentierten die Unterhändler einen ausformulierten Konsens im Bereich Pflege. DAZ.online liegt nun auch ein Zwischenstands-Papier für den gesamten Gesundheitsbereich vor. Etwa fünf Seiten widmen CDU/CSU und SPD dem Themenbereich Gesundheit, viele Stellen sind schon konsentiert, einige Punkte sind aber noch strittig und dafür vorgesehen, auf höheren Ebenen besprochen zu werden.

Für die Apotheker ist sicherlich das Rx-Versandverbot am bedeutendsten. Hier hat sich nach wie vor nichts an der Grundhaltung beider Seiten geändert. Die Union steht hinter dem Verbot. Klar ist nun auch, was die SPD gerne erreichen möchte in dieser Frage. Wörtlich heißt es in dem Papier: „SPD: Um die Arzneimittelversorgung besonders in ländlichen Regionen sicherzustellen, bleibt der Versandhandel mit verschreibungspflichtigen Medikamenten gestattet. Zur Sicherung der Präsenzapotheken vor Ort soll bei drohender Unterversorgung ein erhöhtes Beratungs- und Sicherstellungshonorar gezahlt werden.“ Die Versandhandels-Passage ist eine der Passagen, die nun auf der Ebene der Partei- und Fraktionschefs besprochen werden müssen. Wie schon im vergangenen Jahr im Koalitionsausschuss, könnte das Thema also zum Verhandlungs-Spielball werden.

Fällt das Verbot für Online-Rezepte?

Schon in den Sondierungsgesprächen hatten sich Union und SPD auf die folgende Formulierung zu den Apothekern geeinigt: „Zu einer flächendeckenden Gesundheitsversorgung gehören für uns neben einer gut erreichbaren ärztlichen Versorgung auch eine wohnortnahe Geburtshilfe, Hebammen und Apotheken vor Ort.“ Diese Passage steht auch weiterhin als konsentiert im Zwischenstands-Papier.

Für die Apotheker dürfte weiterhin eine konsentierte Passage im Bereich „E-Health“ von großer Bedeutung sein. Da heißt es: „Die einschränkenden Regelungen zur Fernbehandlung werden wir auf den Prüfstand stellen.“ Ob damit auch das Verbot der Online-rezepte gemeint ist, bleibt offen. Zur Erinnerung: Erst in der vergangenen Legislaturperiode hatte die Große Koalition festgelegt, dass Apotheker keine Rezepte bedienen dürfen, die aus einem nicht-direkten Patientenkontakt resultieren.

Was ist schon konsentiert?

Konsentiert sind unter anderem auch die folgenden Maßnahmen:

  • Die Zusammenarbeit und Vernetzung im Gesundheitswesen sollen ausgebaut werden. Dazu soll es eine Bund-Länder-AG geben, an der auch die Regierungsfraktionen teilnehmen. Diese soll unter anderem die Themen Bedarfsplanung, sektorenübergreifende Versorgung, Zulassung und Honorierung von Ärzten bearbeiten.
  • Die ärztliche Bedarfsplanung soll „kleinräumiger, bedarfsgerechter und flexibler“ werden. In ländlichen Gebieten sollen Zulassungssperren für Neuniederlassungen wegfallen.
  • Um mehr Ärzte für ländliche Regionen zu begeistern, soll der Masterplan Medizinstudium 2020 weiter verfolgt werden. Außerdem sollen an den medizinischen Fakultäten „neue Unterrichtskonzepte“ gefördert und evaluiert werden.
  • Die Strukturfonds der KVen sollen erhöht werden. Die Länder dürfen in den Zulassungsausschüssen mitberaten und Anträge stellen.
  • Der Innovationsfonds soll mit einem Volumen von 200 Millionen Euro pro Jahr fortgesetzt werden. Das BMG will dabei auch eigene Anträge stellen dürfen.
  • Volkskrankheiten sollen stärker bekämpft werden, etwa durch Disease-Management-Programme.
  • Die Hospiz- und Palliativversorgung soll verbessert werden. Es soll zum Beispiel geprüft werden, ob zuschussfähige Leistungen für Hospize angepasst werden können.
  • Die Verfahren im G-BA zu innovativen Versorgungsverfahren sollen beschleunigt werden.
  • Die Länder behalten ihre Verpflichtung in der Klinikfinanzierung (Investitionen), auch die Klinikplanung soll in den Händen der Länder bleiben. Der Strukturfonds für Kliniken soll um vier Jahre fortgesetzt werden.
  • Die „Qualitätsoffensive“ im Klinikbereich soll fortgesetzt werden.
  • Die Klinikvergütung soll auf eine „Kombination aus Fallpauschalen und Pflegepersonalkostenvergütung“ umgestellt werden.
  • Das Schulgeld für alle Gesundheitsfachberufe soll entfallen.
  • Im Bereich „E-Health“ bleiben Union und SPD recht vage – konkrete Termine zur Umsetzung des E-Rezeptes, der E-Patientenakte werden nicht genannt. Es heißt, dass man die Telematikinfrastruktur weiter ausbauen und die E-Patientenakte „noch in dieser Legislaturperiode“ einführen wolle.
  • Der Aktionsplan zur Verbesserung der Arzneimitteltherapiesicherheit in Deutschland (AMTS) soll weiter umgesetzt werden. „Weitere Maßnahmen“ sollen die Arzneimitteltherapiesicherheit stärken.

Wo herrscht Uneingkeit?

Große Uneinigkeit gibt es nach wie vor im Bereich der Finanzierung. Dort sind einige Passagen als nicht-konsentiert markiert und müssen so, wie das Rx-Versandverbot, auf höherer Ebene besprochen werden. Fest steht inzwischen, dass die in den Sondierungen angekündigte Rückkehr zur paritätischen Finanzierung ab dem 1. Januar 2019 greifen soll.

Uneinigkeit herrscht aber bei der Frage um die Zukunft des Zusatzbeitrages. Die SPD will den Zusatzbeitrag gänzlich abschaffen. Die Kassen sollen ihre paritätischen Beitragssätze demnach selbst festlegen. Die Union will den Zusatzbeitrag beibehalten und ihn ebenfalls paritätisch finanzieren.

Uneinig sind sich die Unterhändler auch beim Thema Mindestkrankenversicherungsbeiträge für kleine Selbstständige. Die Union will diese auf das Niveau des Mindestbeitrags für Existenzgründer reduzieren. Die SPD will die Beiträge der kleinen Selbstständigen auf die Obergrenze der sogenannten Midi-Jobs reduzieren. Zusätzlich fordert die SPD, dass die Beiträge für Betriebsrenten um die Hälfte auf den Arbeitnehmeranteil abgesenkt werde, die Sozialdemokraten wollen damit die betriebliche Altersvorsorge stärken.

Wann sich nun die höheren Gremien mit diesen Fragen beschäftigen, ist unklar. Fest steht nur: Bis zum Sonntag soll bei allen strittigen Punkten eine Lösung vorliegen.



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


Diesen Artikel teilen:


0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.