Porträt: Hans Rudolf Diefenbach 

Abschied von Engpass-Listen und der eigenen Apotheke

Berlin - 03.11.2017, 17:50 Uhr

Haru Diefenbach ist Apotheker und Berufspolitiker mit Leib und Seele. Nun hat er seine Apotheke verkauft. (Foto: Schelbert)

Haru Diefenbach ist Apotheker und Berufspolitiker mit Leib und Seele. Nun hat er seine Apotheke verkauft. (Foto: Schelbert)


Hans Rudolf Diefenbach hat in den vergangenen Jahren immer wieder für Wirbel in der Berufspolitik gesorgt. Er ließ nicht nach, Arzneimittel-Lieferengpässe anzuprangern und dürfte mitverantwortlich sein, dass das Thema in der Politik auf der Agenda blieb – wenngleich es bis heute keine Lösung für das komplexe Problem gibt. Nun hat der Pharmazeut seine Rosen-Apotheke in Offenbach verkauft. Doch sich zur Ruhe zu setzen – das kommt für den 67-Jährigen noch gar nicht in Frage.  

Haru Diefenbach hat im vergangenen September viele Kisten gepackt und aufgeräumt. Denn zum 1. Oktober hat er nach 30 Jahren seine Rosen-Apotheke in Offenbach in neue Hände gegeben. Das war für DAZ.online ein Anlass, etwas genauer in das Leben des streitbaren Pharmazeuten zurück zu blicken und nachzufragen, was ihn heute bewegt und was er noch plant.

„Ich gehe mit einem guten Gefühl“, erklärt Diefenbach im Gespräch mit DAZ.online. Die Apotheke laufe gut. Damit sei für ihn der ideale Zeitpunkt gekommen, als selbstständiger Apotheker abzutreten. Die Apothekerin Susanne Jester aus Frankfurt ist nun Chefin in dem Haus, das Diefenbach im Jahr 1985 für sich entdeckt hatte. Zwei Jahre lang, so erzählt er, war er damals zunächst damit beschäftigt, die damalige „Bauruine“ am Wilhelmsplatz in Offenbach in ein ansprechendes Haus zu verwandeln. Eines mit Arztpraxen im Obergeschoss sowie seiner Apotheke im Erdgeschoss. Drei Jahrzehnte lang war die Rosen-Apotheke sein Arbeitspatz – wenn auch nicht immer sein einziger. Doch jetzt ist Schluss. Diefenbach wird keine Engpass-Listen mehr führen, sondern künftig drei Tage die Woche im „4 Zimmer mit Garten“  zu finden sein. Einem Laden, in dem es ganz bestimmt keine Arzneimittel, dafür aber vielerlei Schönes für Haus und Garten zu kaufen gibt. Es ist das Geschäft, das Diefenbachs Ehefrau Mechthild mit viel Herzblut betrieben hat. Die beiden waren seit 1989 verheiratet – doch im vergangenen Jahr verstarb sie nach schwerer Krankheit. Ein Schicksalsschlag, der Diefenbach hart traf und der noch immer nicht verwunden ist. Doch er hat sich vorgenommen, fortzuführen, was sie aufgebaut und gepflegt hat. Auch sonst will sich der Apotheker jetzt vor allem der Kunst und seiner Leidenschaft für Oldtimer widmen. Er schließt aber nicht aus, dass er auch wieder hinter einem HV-Tisch stehen wird: „Ich habe schon Vertretungsanfragen bekommen“, sagt Diefenbach. 

Nur Apotheke reichte Diefenbach nie

Doch blicken wir einmal zurück – nach Frankfurt in den 1970er Jahren. Diefenbach – Jahrgang 1950 – studierte dort Pharmazie und war von 1975 bis 1980 Assistent an der Uni. Sein großer Mentor war Herbert Oelschläger, der damalige Direktor des Pharmazeutischen Instituts. „Er hat mich mehr geprägt als mein Vater, er war meine männliche Leitfigur“, sagt Diefenbach rückblickend. Bei Oelschläger hat er auch promoviert – über Chalkone als potenzielle Urikostatika.

Seine erste Apotheke übernahm Diefenbach 1981: Die Schwanen-Apotheke in Ginsheim, in der Nähe von Mainz. Fünf Jahre lang hatte er diese gepachtet. Dann setzte er mit der Rosen-Apotheke auf eine ganz eigene Apotheke – etwas anderes kam damals gar nicht in Frage. Die Zeiten waren andere, räumt Diefenbach ein. Doch sie änderten sich rasch: Die ersten Generika kamen auf, schon damals sei das Ende der Apotheke beschworen worden, erinnert sich der Pharmazeut. Eine seitdem regelmäßig wiederkehrende Klage. Doch bislang haben die Apotheken noch immer ihren Platz in der Gesellschaft behalten, mag sich auch sehr vieles gewandelt haben.

PTA-Schule, Pharmaindustrie und Werbeagentur

Allerdings: Nur Apotheke – das reichte Diefenbach nie. So unterrichtete er schon in den 1980er Jahren nebenbei auch an der PTA-Schule in Wiesbaden. Und auch in die Pharmaindustrie machte er einen Abstecher. 1991 ging er zu Engelhard in Frankfurt, wo zum Herstellungsleiter ausgebildet wurde. „Vormittags war ich bei Engelhard, mittags ging es dann in die Apotheke“, erzählt Diefenbach. Zwölf Jahre blieb er bei dem Pharmaunternehmen, baute dort mit dem verantwortlichen Betriebsleiter das Qualitätsmanagementsystem auf. Auch einen mehrjährigen Ausflug in kleine Frankfurter Werbeagentur unternahm der Pharmazeut.

Parallel stieg er in die Berufspolitik ein. 1988 startete er als Kammerdelegierter. In den 1990er Jahren arbeitete er sich in den Vorstand des Hessischen Apothekerverbands (HAV) vor. Neben dem HAV-Vorsitzenden Peter Homann war er viele Jahre lang – bis Anfang 2015 – stellvertretender Vorsitzender des Verbands.

Ärgernis Rabattverträge

Sein großes Thema fand Diefenbach in den Rabattverträgen, die Apotheker seit 2007 verpflichtend umsetzen müssen, sowie etwas später in den Lieferengpässen bei Arzneimitteln. Er sah hier von Anfang an einen Zusammenhang und prangerte ab dem Jahr 2012 die Missstände in regelmäßigen Abständen an. Als im Herbst 2013 immer wieder Schilddrüsenpräparate fehlen, nehmen auch Diefenbachs Mahnungen zu. Er wird von Journalisten angesprochen, kommt immer wieder in TV-Berichten zu Wort. Anfang 2014 rief er dann zum ersten Mal seine Kollegen auf, ihm Listen mit defekten Arzneimitteln zu schicken, um eine Aufstellung zu machen, welches die besonders kritischen Präparate sind. Ein Appell, den er in der Folge mehrmals auf eigene Faust wiederholte. Unterstützung seitens der ABDA bekam er dabei nie. Im Frühjahr 2014 wird auch das Bundesgesundheitsministerium auf den umtriebigen Pharmazeuten aufmerksam und lädt ihn zum Austausch über das Problem der Engpässe nach Berlin. Damals keimt auch die Idee, das Thema in den geplanten Pharmadialog einzubringen.

Berufspolitik ohne Kompromisse

In seiner Zeit als HAV-Vize ist Diefenbach neben seinen Engpass-Aktivitäten immer wieder durch Kritik an der ABDA und ihrer Führung aufgefallen. Er nahm nie ein Blatt vor den Mund – und kann sich somit auch erklären, dass er bei der Berliner Standesvertretung keine dicken Freunde fand. Es habe ihn geärgert, dass im Berufsstand und auf Apothekertagen vieles ungerechtfertigt schön geredet worden sei, sagt er. Heute sieht er die Zeit entspannter: Man sei zwar oft nicht einer Meinung gewesen, habe am Ende aber doch meist eine Lösung gefunden. Auch mit ABDA-Präsident Friedemann Schmidt gab es anfänglich Missstimmungen. Doch diese sind laut Diefenbach längst überwunden. Beim Sommerfest des HAV vor zwei Jahren habe er mit Schmidt ein richtig gutes Gespräch führen können, erzählt er heute. Seitdem habe man ein sehr gutes Verhältnis zueinander. Allerdings fuchst es Diefenbach nach wie vor, dass DAV-Chef Fritz Becker ihm einmal versprach: Wenn es einmal eine ABDA-Arbeitsgruppe zum Thema Lieferengpässe geben sollte, solle er dabei sein. Doch dazu kam es nie.

Auch im HAV lief nicht immer alles glatt. So lange Homann Vorsitzender war, war auch Diefenbach zur Stelle. Als im Herbst 2014 der Vorstand neu gewählt wurde und Homann nicht mehr antrat, bekam Diefenbach zwar die meisten Stimmen. Doch als es Anfang 2015 darum ging, den neuen Vorsitzenden aus den eigenen Reihen zu wählen, machte Dr. Detlef Weidemann das Rennen. Die beiden hatten von Anfang ein problematisches Verhältnis. Im Vorstand kam es schnell zum Streit und im Frühjahr gab Diefenbach sein Mandat im HAV auf. Bekanntlich scheiterte Weidemann noch vor Ende seiner Amtszeit als HAV-Vorsitzender. 

Nichts bereut

Nun steht also ein neuer Lebensmittelabschnitt an. Rückblickend sagt Diefenbach:  „Ich habe nie bereut, was ich gemacht habe. Ich habe viel von dem, was ich wollte, erreicht“. Gefragt nach den schönsten Erlebnissen seiner Karriere, nennt er zum einen den letzten Tag seiner Promotionsprüfung. Aber im Grunde sei ihm jeder Tag eine Freude gewesen, an dem sich die Kunden in seiner Apotheke wohl und gut beraten gefühlt haben. Auch an seine Mitarbeiterinnen werde er sich lange und fröhlich zurückdenken. Der Abschied von ihnen habe ihn besonders gerührt – als sich zeigte, wie verbunden sie sich ihm fühlten.

Mag der Apothekenverkauf nun unter Dach und Fach ist: Auch abseits möglicher Vertretungen will Diefenbach seinem Berufsstand jetzt nicht den Rücken kehren. Er bleibe natürlich Kammermitglied und werde auch im nächsten Jahr wieder zum Deutschen Apothekertag fahren, kündigt er an.



Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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1 Kommentar

Atschö...

von Bernd Jas am 05.11.2017 um 8:50 Uhr

...und Chapeau aus dem Rheinland lieber Kollege!

Wenn die Oldtimer mal wieder zu viele Ersatzteile benötigen und Sie sich mit ölverschmierten Fingern die Haare raufen, versuchen Sie es doch mal mit der Zukunft.
Es gibt da aus Amiland Elektrofahrzeuge die Ihnen ein neues und unvergessliches Abenteurer böten.

Und noch einen Vorschlag bzgl. der Defektlisten; die könnten wir ja in Zukunft an die Patientenbeauftragten der Jamaikaner schicken.

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