Unzulässige Werbung

Geldstrafen für Jardiance-„Festgirlanden“

Stuttgart - 12.10.2017, 09:00 Uhr

Boehringer Ingelheim wollte kein Foto der realen Girlanden
bereitstellen, um „beanstandete Materialien“ nicht weiter zu verbreiten. (Foto:
paffy / stock.adobe.com)

Boehringer Ingelheim wollte kein Foto der realen Girlanden bereitstellen, um „beanstandete Materialien“ nicht weiter zu verbreiten. (Foto: paffy / stock.adobe.com)


Wegen einer Werbeaktion der besonderen Art werden Boehringer Ingelheim und Lilly zur Kasse gebeten: In einer Auflage von 70.000 Stück schickten sie aufklappbare Werbemittel in Herzform an Ärzte – bedruckt mit Aussagen zum Arzneimittel. Doch damit verstießen sie gegen mehrere Verbote.

Seit einigen Jahren haben sich mehrere große Pharmafirmen im Rahmen der „Freiwilligen Selbstkontrolle für die Arzneimittelindustrie“ (FSA) selbst verpflichtet, bei der Bewerbung ihrer Arzneimittel nicht zu fragwürdigen Mitteln zu greifen. Wo die Grenzen dieses Ehrenkodex liegen, darüber muss regelmäßig eine Spruchkammer der FSA entscheiden. Die Pharmafirmen Boehringer Ingelheim und Lilly Deutschland – die einige Arzneimittel im Rahmen einer Allianz zusammen vermarkten – müssen nun jeweils 15.000 Euro an die Deutsche Stiftung für junge Erwachsene mit Krebs und den Naturschutzbund (NABU) Deutschland zahlen.

Stein des Anstoßes: Werbematerialen für das Diabetes-Mittel Jardiance, die der FSA als Festgirlande bezeichnet. Die Herzform war dabei nicht Stein des Anstoßes – auch nicht der Inhalt: Die „Festgirlande“ war mit Aussagen zu einem rezeptpflichtigen Arzneimittel bedruckt. Doch in der Gestaltung des Materials verstießen die Firmen gegen das Geschenkeverbot und das Verbot der Laienwerbung, entschied das FSA-Gremium. Die Firmen hatten hingegen vorgebracht, es handele sich um eine Broschüre, die „als Leporello aufklappbar und in Herzform gestaltet“ sei – und nicht um ein Geschenk.

„Let’s celebrate“

Mit der Form sollte symbolisch auf den Zusatznutzen für Patienten mit kardiovaskulärer Erkrankung aufmerksam gemacht werden, argumentierten die Firmen. „Let’s celebrate“ und „entdecken Sie noch mehr auf der beigelegten Festgirlande“ schrieben sie auf eine Karte, die dem in einer Auflage von 70.000 Stück an Ärzte verschickten Werbeprodukt beilag.

Man beschäftigte sich auch länger mit der Frage, ob die Girlande zum Aufhängen bestimmt war – oder nur zur Lektüre durch den Arzt. Die Verwendung des Wortes „Entdecken“ sei ein Hinweis auf den Informationszweck des Werbemittels, argumentierten die Pharmakonzerne – während das FSA-Gremium vorgestanzte Ösen entdeckte, „die zur Aufnahme eines Hakens, einer Reißzwecke, eines Bindfadens o.ä.“ genutzt werden kann.  

„Äußerst ungewöhnlich für eine Schreibtischlektüre“

Und es gab ein weiteres Problem: In Praxen, in denen die Girlande tatsächlich aufgehängt wurde, konnten zwar einzelne Seiten aufgrund sehr großer Schriftgrößen gelesen werden – nicht jedoch die Pflichtangaben. Dies sei „für die Lesbarkeit bei einem erheblichen Abstand erforderlich“, heißt es in der Entscheidung der Spruchkammer. Auch waren die Vorder- und Rückseiten mit identischen Texten bedruckt. „Insoweit war die Gestaltung ideal für das Aufhängen im Besuchszimmer einer Arztpraxis oder ähnlichen Räumen, sie wäre aber äußerst ungewöhnlich für eine Schreibtischlektüre gewesen“, heißt es. „Dass dies nicht im Archivraum der Praxis erfolgt, sondern in Bereichen, die auch von Patienten besucht werden, erscheint der Schiedsstelle offensichtlich.“ Dies verstieß nach Ansicht des Gremiums auch gegen das Verbot der Laienwerbung für rezeptpflichtige Arzneimittel.

Was sagen die Pharmafirmen dazu?

„Als ethisches Unternehmen und FSA-Mitglied nehmen wir diese Beanstandung sehr ernst und haben mit allen Mitarbeitern, die mit der Erstellung von Informations- und Werbematerialien betraut sind, eine Wiederholungsschulung zur Einhaltung der Compliance-Vorschriften durchgeführt“, erklärten Boehringer Ingelheim und Lilly Deutschland gegenüber DAZ.online. „Uns ist kein Fall bekannt geworden, in dem der Leporello in einer Praxis aufgehängt wurde. Die Beanstandung des FSA zielt auf die theoretische Möglichkeit.“

Alle Mitarbeiter würden regelmäßig in Bezug auf die Einhaltung von Compliance-Regeln geschult, erklärt Lilly darüber hinaus. „Dazu nutzen wir stets auch reale Beispiele, denn so lässt sich am besten für die vielen kleinen und großen Stolpersteine sensibilisieren.“

Die Angesichts der Herstellungskosten von über 3 Euro relativ kleine Strafe von rund 43 Cent pro Stück hat für die Firmen also zumindest einen Vorteil: Sie haben ein neues Stolperstein-Beispiel hinzugewonnen – in Herzform. Unklar blieb zunächst, ob Boehringer Ingelheim und Lilly auch Gerichtsverfahren wegen möglicher Verstöße gegen das Heilmittelwerbegesetz drohen. 



Hinnerk Feldwisch-Drentrup, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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