DAZ.online-Faktencheck

NDR warnt vor Apotheken-Selbsttests. Berechtigt?

Stuttgart - 14.06.2017, 16:15 Uhr

Nur einer der Schnelltests aus der Apotheke: Gluten-Selbsttest von Stada (Foto: Stada)

Nur einer der Schnelltests aus der Apotheke: Gluten-Selbsttest von Stada (Foto: Stada)


Patienten spielen Arzt und untersuchen mit Selbsttests aus der Apotheke ihre potenzielle Glutenunverträglichkeit oder Allergie und prüfen ihre Eisen- und Cholesterinwerte. „Vorsicht vor Schnelltests aus der Apotheke“, warnt der NDR. Ohne ärztliche Einordnung seien die Ergebnisse nicht aussagekräftig. Können Apotheker das nicht auch? Und warum der Test auf Zöliakie einen Co-Test benötigt.

Über irgendeine Unverträglichkeit klagt heutzutage gefühlt jeder – fast gilt es als schick, Gluten und Lactose nicht optimal zu verstoffwechseln, die Müdigkeit pauschal auf Eisenmangel zu schieben oder auf irgendeine Substanz allergisch zu reagieren. Nun kann man diese einzelnen Werte beim Arzt untersuchen lassen – mittlerweile testet der Patient aber auch gerne selbst zuhause. Die Testkits hierzu erhält er in der Apotheke. Wie zuverlässig sind derartige Selbsttests für Cholesterin, Allergien, Glutenunverträglichkeit & Co?

Der Norddeutsche Rundfunk (NDR) hat dieses Thema aufgegriffen – und kommt zu dem Fazit: Aus technischer Sicht seien die Test einwandfrei. Aber: „Es fehlt jedoch die Einordnung der Ergebnisse durch einen Arzt“. Nur durch den Arzt? Oder können nicht auch Apotheker die Grenzen der Patienten-Eigendiagnose medizinisch einstufen? Konkret untersuchte der NDR Eigentestungen auf Cholesterin, Eisen, Gluten und Allergien.

Cholesterin: Keine Differenzierung HDL und LDL

Der Fernsehsender kritisiert – zu Recht – dass der Cholesterin-Test lediglich das Gesamtcholesterin im Blut bestimmt. Eine Differenzierung in HDL und LDL und somit die Bildung deren Quotienten ist mit dem Veroval® Selbsttest Cholesterin der Firma Hartmann nicht möglich. Dieser Quotient ist jedoch durchaus relevant – korreliert insbesondere LDL mit einem hohen Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen. Somit ist die klinische Aussage eines solchen Tests in der Tat mit Vorsicht zu interpretieren.

Das Testergebnis liest der Patient anhand eines Farbschemas ab – je nach Höhe des Cholesterins färbt sich das Indikatorpapier unterschiedlich stark. Und lässt natürlich auch Spielraum für Interpretation. Wie grün ist das Papier jetzt? Noch mittelgrün oder doch schon zur Grenze dunkelgrün – was somit Zeichen erhöhter Blutlipide wäre? Außerdem warnt der NDR vor Veränderung der Farbe. So könne der Test nur unmittelbar nach Durchführung abgelesen werden, nach einer gewissen zeitlichen Latenz verändere sich die Farbe automatisch und sei nicht mehr aussagekräftig.

Eisentest von Stada

Mit Hilfe des Selbsttests der Firma Stada können Patienten ihren Eisenwert bestimmen, genauer gesagt das Ferritin. Ferritin ist ein Marker für die Eisenspeicher des Körpers – die Konzentration des Ferritins im Serum entspricht der Beladung dieser Eisenspeicher. Somit korrelieren erniedrigte Ferritinwerte zuverlässig mit einer Eisenverarmung und Werte kleiner als 20 µg/l zeigen zuverlässig eine Eisendepletion. Das ist auch der Grenzwert, den Stada gewählt hat, um Patienten eine zusätzliche ärztliche Abklärung zu empfehlen. Umgekehrt jedoch – hohes Ferritin, alles im Lot – ist eine Aussage nicht möglich, denn ein hoher Ferritin-Wert garantiert nicht automatisch eine ausreichende Eisenversorgung. Ursache für gesteigertes Ferritin kann eine „akute-Phase-Reaktion“ im Rahmen von Entzündungen sein. Also auch hier hat der Patient trotz des Tests keine absolute Gewissheit.

Allergietest in Eigenregie

Der vom NDR untersuchte Allergietest war, wie auch der Cholesterintest, von der Firma Hartmann: Veroval® Selbsttest Allergie. Er testet auf IgE-Antikörper gegen Katzenhaare, Hausstaubmilben und Gräserpollen. Welche Gräserpollen im Einzelnen jedoch untersucht werden können, spezifiziert Veroval® nicht genauer. Ein positiver Test bedeute nicht automatisch eine Allergiediagnose, meint der NDR – was korrekt ist. Hier unterscheidet sich der Test allerdings auch nicht von ärztlicherseits durchgeführten Allergietestungen auf IgE-Antikörper im Labor. Auch hier ist bei den Ergebnissen letztlich relevant, dass keine bloßen Laborwerte therapiert werden sollten, sondern der Patient. Darauf verweisen auch die Fachgesellschaften: „Das Ergebnis der spezifischen IgE-Testung kann nur im Zusammenhang mit Anamnese, Klinik und den eventuell zusätzlichen Ergebnissen organspezifischer Provokationstests richtig interpretiert werden“, heißt es in der zur Zeit in der Aktualisierung befindlichen Leitlinie.

Selbsttest Gluten von Stada (Foto: Stada)

Selbstdiagnose der Zöliakie

Der Stada Selbsttest Glutenunverträglichkeit prüft auf IgA-Antikörper gegen Transglutaminase und Gliadin. Antikörper gegen Transglutaminase (tTG, tissue transglutaminase) zeigen nach Aussage der Deutschen Zöliakie Gesellschaft e.V. „am zuverlässigsten (...), ob eine Zöliakie vorliegt oder nicht“. So kann ein negativer Antikörper-Test kann das Vorliegen einer Zöliakie mit relativ großer Sicherheit ausschließen. Allerdings hat der Test eine Bedingung: Er erfordert einen Co-Check auf Gesamt IgA. Der Grund: Drei bis sieben Prozent aller Zöliakiepatienten können kein IgA produzieren. Hier ist der Test also immer negativ, selbst bei Vorliegen einer Glutenunverträglichkeit.

Also auch in diesem Fall: Eine sichere Diagnose erfolgt ausschließlich durch einen kompetenten Mediziner, da bei Zöliakieverdacht eigentlich auch die Biopsie der Darmzotten erforderlich ist. So gibt es folgende diagnostische Szenarien:

  1. Transglutaminase-AK positiv, Biopsie Zottenschwund: Zöliakie
  2. Transglutaminase-AK negativ, Biopsie Zottenschwund: Zöliakie nicht gesichert, da genereller IgA-Mangel vorliegen kann
  3. Transglutaminase-AK positiv, Biospie negativ: mögliche Glutenunverträglichkeit
  4. Transglutaminase-AK negativ, Biopsie negativ: keine Zöliakie 

Selbsttests aus der Apotheke: Fazit von NDR und DAZ.online 

Der NDR kommt bein den Schnelltests aus der Apotheke zu dem Schluss: „Ärztliche Beratung fehlt“, auch wenn qualitativ an den Tests nichts auszusetzen sei. Und natürlich ersetzen solche Selbsttests auf Cholesterin, Gluten oder Allergien kein vollausgestattetes Labor, in welches Ärzte ihre Blutproben schicken. Allerdings sind auch Labortests nicht immer und ausschließlich sinnvoll und aussagekräftig. Eine Testung im Rahmen eines Allergietests auf IgE-Antikörper im Blut liefert auch im Labor nicht unbedingt die korrekte Diagnose. So können diese Antikörper durchaus erhöht sein, ohne dass der Patient klinisch symptomatisch auf das Allergen reagiert. In diesem Fall sind also auch labordiagnostischen Untersuchungsmethoden Grenzen gesetzt.

Patient braucht Sachkunde durch Apotheker oder Arzt

Wichtig für den Patienten ist jedoch eine fachliche Einordnung: Welche Aussagekraft hat der Test überhaupt? Welche Abweichungen in falsch positiver und falsch negativer Diagnose sind möglich? Wann muss der Arzt genauer untersuchen – und hier können auch  Apotheker bei der Abgabe der Selbsttests beraten.



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


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