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Aus der Höhle des Löwen

München - 01.03.2017, 09:05 Uhr

Will die Behandlung einer Depression verbessern: Mediziner und Chemiker Professor Florian Holsboer. (Foto: ts) 

Will die Behandlung einer Depression verbessern: Mediziner und Chemiker Professor Florian Holsboer. (Foto: ts) 


Lebensthema „Depressionen“

Depressionen sind das Lebensthema des Wissenschaftlers und spätberufenen Entrepreneurs. Stundenlang kann er darüber referieren: Depressive tragen ein hohes Risiko, auch andere Erkrankungen wie etwa Diabetes zu bekommen. Depressionen haben einen hohen Anteil an den Gesamtkosten des Gesundheitssystems. Sie sind die Ursache für unzählige Arbeitsunfähigkeitstage und pro Jahr weltweit eine Million Suizide. Holsboer: „Die Depression ist eine potenziell tödliche Krankheit, wenn sie nicht behandelt wird.“

Umso erstaunlicher findet er, dass sich die Behandlung von Depressionen in den vergangenen Jahrzehnten kaum weiterentwickelt hat. Die existierenden Antidepressiva gehen laut Holsboer im Wesentlichen auf Entwicklungen der Fünfzigerjahre zurück, haben einen ähnlichen Wirkmechanismus und unterscheiden sich vor allem hinsichtlich ihrer Nebenwirkungen. Holsboer: „Die heute auf dem Markt befindlichen Antidepressiva wirken bei zu wenigen Patienten, brauchen zu lange, bis sie wirken, und werden nach dem ´Trial-and-Error`-Prinzip verschrieben, weil die Ärzte nicht wissen, welches der existierenden Arzneimittel für den individuellen Patienten am besten geeignet ist.“

Die Industrie hat die Forschung an neuen Antidepressiva nach mehreren Rückschlägen vor rund zehn Jahren weitgehend eingestellt – Holsboer nennt das „unterlassene Hilfeleistung in großem Stil“.

Schwer nachzuvollziehen ist für Holsboer auch, dass die Wahl des im Einzelfall besten Arzneimittels nicht auf objektiver Labordiagnostik basiert. „In jedem anderen Fachgebiet ist das selbstverständlich“ sagt er. „Denken Sie an Krebs, da nehmen sie eine Gewebeprobe, kriegen den Befund und können dann vielfach ein spezifisch wirkendes Medikament einsetzen.“ Soweit ist man in der Depressionstherapie noch nicht, da ist alles komplizierter.

Ziel: Therapie nach Maß

Holsboer hat sich vorgenommen, dies zu ändern und die Entwicklung individueller Behandlungsmöglichkeiten voranzubringen. Er nennt das „Therapie nach Maß“. Dabei setzt er an der Blut-Hirn-Schranke an. Auch Antidepressiva müssen diese Barriere natürlich passieren, damit sie an ihren Wirkort gelangen können. Allerdings variiert die Passage der Antidepressiva durch die Blut-Hirn-Schranke von Patient zu Patient. Dies, so Holsboer, sei einer der Gründe für das unterschiedliche Therapieansprechen.  



Thorsten Schüller, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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