Mikrobiologie

Salicylsäure könnte Schleimhaut-Besiedlung mit Staphylococcus aureus fördern

Berlin - 21.02.2017, 09:05 Uhr

Forscher der Veterinärmedizinischen Universität Wien und der Universität Buenos Aires in Argentinien haben einen Faktor gefunden, der Staphylococcus aureus recht unvermutet günstige Überlebensbedingungen verleiht. (Foto jarun011 7 / Fotolia)

Forscher der Veterinärmedizinischen Universität Wien und der Universität Buenos Aires in Argentinien haben einen Faktor gefunden, der Staphylococcus aureus recht unvermutet günstige Überlebensbedingungen verleiht. (Foto jarun011 7 / Fotolia)


Forscher der Veterinärmedizinischen Universität Wien haben im Labor und im Tiermodell an Mäusen zeigen können, dass der Hauptmetabolit des Analgetikums Acetylsalicylsäure, die Salicylsäure, einen fördernden Effekt auf das potenziell pathogene Bakterium Staphylococcus aureus hat.

MRSA, der Methicillin-resistente Staphylococcus aureus, ist ein Schlagwort, das Schrecken auslöst: Bei dem als „Todeskeim“ – oder ganz falsch als „Todesvirus“ – bezeichneten Krankheitserreger handelt es sich um multiresistente Staphylokokken-Stämme. Erstmal ist Staphylococcus aureus aber ein kugelförmiges, grampositives hauptsächlich opportunistisches Bakterium. Es kommt – mit und ohne das Potenzial, gegen viele Antibiotika resistent zu sein – fast überall in der Natur vor. Bei warmblütigen Tieren und immerhin einem Viertel bis einem Drittel aller Menschen lebt das Bakterium auch zumeist ganz harmlos auf der Haut und der Schleimhaut der oberen Atemwege im Nasen-Rachenraum.

Es bildet dort gut vernetzt mit seinen Artgenossen Biofilme und widersteht so einigen äußeren Einflüssen, am weiteren Wachstum gehindert unter anderem durch das Immunsystem. Weniger harmlos ist der Prokaryont, wenn er durch günstige Bedingungen und/oder ein schwaches Immunsystem die Gelegenheit bekommt, sich ungehemmt zu vermehren.

Schwere Entzündungen der Haut, Muskeln oder Lungen können die Folge sein, bis hin zu Sepsis und Toxischem Schocksyndrom. Auch sind die mittlerweile häufiger werdenden Resistenzen gegen eine Vielzahl an Antibiotika ein Horror für Patient und behandelnde Ärzte, lässt sich die Infektion doch so kaum mehr unter Kontrolle bringen.

In den Vereinigten Staaten war im Januar einer Patientin auch mit 26 verschiedenen Antibiotika nicht mehr zu helfen. Sie war zwar nicht mit Staphylococcus aureus, sondern mit Klebsiella pneumoniae infiziert – Resistenzgene scheren sich aber im Reich der Bakterien nicht unbedingt um Artgrenzen.

Salicylsäure: In Blüten, Blättern und Wurzeln von Pflanzen enthalten

Forscher der Veterinärmedizinischen Universität Wien und der Universität Buenos Aires in Argentinien haben nun im Labor und im Tiermodell einen Faktor gefunden, der Staphylococcus aureus recht unvermutet günstige Überlebensbedingungen und damit potenziell krankmachende Eigenschaften verleiht – Salicylsäure.

„In unseren Laborversuchen haben wir ausschließlich Salicylsäure verwendet, da sie der Hauptmetabolit der Acetylsalicylsäure (ASS), dem Wirkstoff etwa in Aspirin, ist“, erklärt der promovierte Biologe Tom Grunert, der in der Abteilung für funktionelle Mikrobiologie der Uni Wien forscht. Mit einer Halbwertszeit von 15 Minuten wird ASS zu Salicylsäure hydrolisiert, die dann für zwei bis drei Stunden im Blutplasma nachweisbar ist. Salicylsäure ist ferner ein sekundärer Inhaltsstoff in vielen verschiedenen Pflanzen. Als Wirkstoff direkt wird Salicylsäure äußerlich gegen Akne, Warzen, Hühneraugen und anderes eingesetzt und ist auch in vielen Peelings enthalten.

Ihre Ergebnisse veröffentlichte die Wiener Forschungsgruppe von Monika Ehling-Schulz sowie die von Fernanda Buzzola an der Uni Buenos Aires jetzt im Fachmagazin Frontiers in Microbiology unter dem Titel „The Active Component of Aspirin, Salicylic Acid, Promotes Staphylococcus aureus Biofilm Formation in a PIA-dependent Manner“ (https://doi.org/10.3389/fmicb.2017.00004). Die Forscher hatten zeigen können, dass in Anwesenheit von Salicylsäure Bakterien einen deutlich verstärkten und damit widerstandsfähigeren Biofilm ausbilden. „Die Verstärkung des Biofilms wurde quantitativ im Mikrotiterplattenassay bestimmt. Es wurden mehrere klinische Isolate und ein Referenzstamm getestet. Dies ergab eine 1,25- bis 3,87-fache Zunahme des Biofilms in Folge der Zugabe von Salicylsäure“, erklärt Grunert. Im Vergleich zu ohne den Wirkstoff kultivierten Bakterien habe die Biomasse um rund das Zweifache zugenommen, sagt der Forscher.

Wirkstoff entzieht Eisen und fördert damit die Persistenz der Bakterien

Unerwartet war der Effekt auch, weil Salicylsäure eigentlich sogar einen antimikrobiellen Effekt hat und eine Zeitlang als – mittlerweile nicht mehr zugelassenes – Konservierungsmittel verwendet wurde. Die Forscher fanden die Erklärung des proliferierenden Effekts darin, dass das Molekül des Wirkstoffs in der Lage ist, Chelat-Komplexe mit Eisenionen zu bilden. Damit, erklären die Forscher, entziehe die Säure dem Kulturmedium das für den Stoffwechsel der Bakterien wichtige Eisen. Auf diesen physiologischen Stress, also eigentlich eine negative Bedingung, reagierten die Prokaryonten mit einer Verstärkung des schützenden schleimigen und alle Individuen umgebenden Biofilms.

Dies, so die Forscher, ließe sie die ungünstigen Bedingungen besser überstehen. Im Laborversuch zeigten die Wissenschaftler das, indem sie die Bakterien in eisenhaltigen Nährlösungen mit unterschiedlichen Konzentrationen an Salicylsäure kultivierten.

In einem weiteren Schritt untersuchten sie die Auswirkungen im Tiermodell an Mäusen. „Die In-vivo-Daten im Mausmodell zeigten, dass Staphylococcus aureus bei mit Salicylsäure behandelten Mäusen länger die Nasenschleimhaut besiedeln kann“, sagt Grunert. „Bisher gibt es aber keinen Hinweis darauf, dass der Effekt sich auch beim Menschen beobachten lässt“, sagt der Forscher.

Regelmäßige oder erhöhte Salicylsäure-Exposition auch durch pflanzliche Ernährung?

Unter Umständen könnte aber tatsächlich bei regelmäßiger oder erhöhter Salicylsäure-Exposition die Besiedlung der oberen Atemwege mit Staphylococcus aureus gefördert werden, schlussfolgern die Forscher. Infektionen mit dem Keim könnten so langwieriger verlaufen und schwieriger zu behandeln sein.

Erhöhte oder regelmäßige Exposition sei etwa bei akuter Schmerzbehandlung mit ASS gegeben oder aber auch durch vorwiegend pflanzliche Ernährung bei Vegetarismus oder Veganismus, wegen des Vorkommens der Säure in Blüten, Blättern und Wurzeln von Pflanzen. Als nächstes wollen die Forscher die Mechanismen noch genauer unter die Lupe nehmen, mit denen das Bakterium etwa auf der Nasenschleimhaut persistiert.



Volker Budinger, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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