In der Nase

Neue Antibiotika-Klasse entdeckt

Tübingen - 28.07.2016, 07:08 Uhr

Nicht einfach mehr nur ein Riechorgan: die Nase. (Foto: pibabay / Hans)

Nicht einfach mehr nur ein Riechorgan: die Nase. (Foto: pibabay / Hans)


Tübinger Forscher haben ein neues Antibiotikum an einem ungewöhnlichen Ort entdeckt: In der menschlichen Nase. Es hat eine völlig andere Struktur als die bisher bekannten. Nun sind jedoch noch einige Hürden zu überwinden, bis es im Apothekerregal landen könnte.

Ausgerechnet in der menschlichen Nase haben Forscher des Instituts für Infektionsforschung der Uni Tübingen und des Deutschen Zentrums für Infektionsforschung ein neues Antibiotikum entdeckt. Der Stoff mit dem Namen Lugdunin tötet Laborbefunden zufolge auch Bakterienstämme, die gegen andere Antibiotika resistent sind. Produziert wird der Stoff vom Bakterium Staphylococcus lugdunensis, das bei einem kleinen Teil der Menschen natürlicherweise in der Nase vorkommt. Andreas Peschel von der Universität Tübingen und seine Kollegen berichten über ihre Entdeckung im Fachmagazin „Nature“. Noch ist es allerdings ein weiter Weg bis zu einer etwaigen Zulassung als Arzneimittel, so verweisen andere Forscher auf mögliche Nebenwirkungen.

Die Wissenschaftler sahen sich die mikrobiologische Lebensgemeinschaft in der menschlichen Nase an, wo das Bakterium Staphylococcus aureus bei etwa einem Drittel der Bevölkerung natürlicherweise vorkommt. Bei gesunden Menschen ist das kein Problem, doch bei Kranken und Geschwächten wird Staphylococcus aureus zu einer tödlichen Gefahr.

Zahlreiche Bakterienstämme wurden im Labor einzeln mit Staphylococcus aureus zusammengebracht, darunter auch verschiedene Arten der Gattung Staphylococcus. Bei Staphylococcus lugdunensis zeigte sich ein Rückgang von Staphylococcus aureus, bis hin zum kompletten Absterben. Die Forscher entdeckten einen neuen Stoff, der den Tod von Staphylococcus aureus bewirkt und den sie Lugdunin nannten, sowie die Gene für seine Herstellung. Die weitere Forschung ergab, dass Lugdunin auch bei anderen Bakterienstämmen hilft, die gegen Antibiotika resistent sind.

Die chemische Strukturformel des neu entdeckten Antibiotikums „Lugdunin“. Außerdem im Bild: die beiden Erstautoren Alexander Zipperer (links) und Martin Christoph Konnerth (rechts). [Foto: Martin Christoph Konnerth]

Neue Quelle für Antibiotika?

Zusammen mit seinen Kollegen konnte Peschel belegen, dass Lugdunin eine Staphylococcus-aureus-Infektion auf der Haut von Mäusen bekämpfen kann. Einen weiteren Hinweis auf die Wirksamkeit von Lugdunin brachten Proben aus den Nasen von 187 Menschen zu Tage: Bei Probanden, in deren Nase Staphylococcus lugdunensis siedelte, kam nur in 5,9 Prozent der Fälle auch Staphylococcus aureus vor. Bei Patienten ohne Staphylococcus lugdunensis waren es 34,7 Prozent.

Chemisch gesehen bildet Lugdunin eine neue Stoffklasse, die sich zwar aus bekannten Aminosäuren zusammensetzt, deren Kombination aber keinem anderen bislang bekannten Antibiotikum ähnelt. Besonders auffällig ist eine große Ringstruktur, in der Peschel auch den Ursprung für den Wirkmechanismus vermutet.

In einem „Nature“-Kommentar bescheinigen Kim Lewis und Philip Strandwitz von der Northeastern University in Boston (USA), dass das Vorgehen der Tübinger Forscher einen allgemeinen Ansatz zur Suche nach Antibiotika bei Bakterien bietet, die den Menschen besiedeln. Schwierigkeiten für eine klinische Anwendung von Lugdunin könnte jedoch der Wirkmechanismus bereiten, der wahrscheinlich an der Synthese größerer Zellstrukturen wie der Membran ansetze und somit möglicherweise auch menschlichen Zellen gefährlich werden könnte. 


Diesen Artikel teilen:


0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.