Analyse und Kommentar

Befremdliche Fragen zum Apothekeralltag

01.02.2017, 16:20 Uhr

Die Fragen lassen auf ein ein lebensfremdes Apothekenmodell vom sprichwörtlichen grünen Tisch schließen. (Foto: auremar / Fotolia)

Die Fragen lassen auf ein ein lebensfremdes Apothekenmodell vom sprichwörtlichen grünen Tisch schließen. (Foto: auremar / Fotolia)


Warenwirtschaft der Apotheke im Mittelpunkt

Dagegen beschäftigen sich viele Fragen mit der Warenbewirtschaftung. Dabei droht die Aussagekraft der Befragung allerdings schon an der Terminologie zu scheitern. Gefragt wird stets nach der Warenwirtschaft, worunter viele Apotheker die diesbezüglichen Funktionen ihrer Apotheken-EDV verstehen. Die Studienautoren meinen dagegen wohl die Warenwirtschaft als betriebswirtschaftlichen Sammelbegriff für alle Tätigkeiten rund um die Waren. Doch auch inhaltlich passen manche Fragen nicht zu den Arbeitsabläufen in Apotheken. Welcher Zeitanteil der Warenwirtschaft wird auf die „Lagerhaltung inklusive der Ermittlung des Bestellbedarfs“ verwendet? Wissen die Berater nicht, dass der Bestellbedarf von der EDV vorgeschlagen wird und die meisten Vorgänge, die dies auslösen, der Beratung und Abgabe zuzuordnen sind? Geradezu rührend naiv wirkt die Aufforderung, Tätigkeiten der Warenwirtschaft zu nennen, die in den vorherigen Fragen nicht erwähnt wurden. Sollen beispielsweise die Verfalldatenkontrolle, Rückrufe oder Preiskalkulationen nun getrennt oder unter einer Sammelposition erfasst werden? Dagegen fehlt die an dieser Stelle entscheidende Frage nach einem Kommissionierer. 

Im Gegensatz zur Warenbewirtschaftung werden zum zentralen Aufgabengebiet der Abgabe und Beratung keine differenzierten Fragen gestellt. Angesichts der jüngsten politischen Diskussionen über ein Beratungshonorar ist das mehr als erstaunlich. In weiteren Fragen geht es darum, wie sich die Arbeitszeit der verschiedenen Berufsgruppen auf die Aufgabenbereiche verteilt. Wie der besonders in kleinen Apotheken typische schnelle bedarfsabhängige Wechsel zwischen verschiedenen Aufgaben abzubilden ist, bleibt offen. Die Verteilung der Arbeitszeit bei solchen Arbeitsabläufen zu messen, wäre eine anspruchsvolle arbeitswissenschaftliche Aufgabe. Doch hier wird stattdessen auf Schätzungen der Apothekenteams gesetzt. Ein Aufgabenbereich ist die „Durchführung medizinischer Dienstleistungen“. Wer die Befindlichkeiten zwischen den Heilberufen kennt, wird sich auch hier über die Begriffsbildung wundern oder amüsieren. Einmal mehr zeigt sich, wie wichtig die Validierung von Fragebögen bei Umfragen ist. Denn sonst versteht darunter jeder, was er will oder was ihm gerade einfällt.

Eine Sorge weniger

Doch immerhin kann die Fragensammlung den Apothekern eine Sorge nehmen. Ausgehend von der Gesamtarbeitszeit wird abgefragt, wie viel Zeit für welchen Arbeitsbereich benötigt wird - und nicht umgekehrt! Vermutlich haben die Macher der Studie erkannt, dass es nicht zielführend ist, die Abgabe von Arzneimitteln und die Beratung minutengenau in Teilschritte zu zerstückeln. Es bestand die Gefahr, dass Fachfremde vorrechnen würden, wie lange eine Beratung höchstens dauern dürfte. Dennoch bleibt die Sorge, dass aus einem realitätsfernen Modell irgendwelche Konsequenzen gezogen werden, die die realen Apotheken vor große Probleme stellen können. Eine weitere Analyse der Fragen finden Sie in der nächsten DAZ.



Dr. Thomas Müller-Bohn (tmb), Apotheker und Dipl.-Kaufmann
redaktion@daz.online


Diesen Artikel teilen:


Das könnte Sie auch interessieren

Apothekenumfrage zur AMPreisV

Viele Fragen - schwierige Antworten

Eine Analyse der Apothekenumfrage zur AMPreisV

Viele Fragen - schwierige Antworten

Nichts ist unmöglich, aber in der Apotheke schon

Dürfen PKA beraten?

Eine pharmazeutische und betriebswirtschaftliche Betrachtung

Was ist eigentlich der Versorgungsauftrag?

Psychische Gesundheit in der Arbeitswelt – Teil 4

Gestaltungsempfehlungen

DAZ.online-Spezial Direktvertrieb

Wann lohnt sich eine Direktbestellung?

Die DAZ-Analyse: Was sind die Probleme? Welche Lösungsansätze gibt es?

Das Honorargutachten

Irritationen bei Studie zur Arzneimittelpreisverordnung

Apotheken-Umfrage stiftet Verwirrung

3 Kommentare

Peinlichkeit

von Reinhard Rodiger am 02.02.2017 um 13:14 Uhr

Mir wäre es peinlich, eine solche Umfrage bei der Hälfte der Apotheken zu machen, die nichts erbringen kann, was nicht bekannt ist und alles eventuell wesentliche ausschliesst.Alibi?
Die meisten Probleme werden entstehen, wenn das offiziell völlig unkommentiert und ohne Nachfragen bleibt.

Eine wesentliche Frage bleibt besonders offen: Warum gab es keinerlei Information im Voraus und keine Anzeichen eigener Überlegungen.Schliesslich sind Themen und damit die Methoden sowie mögliche Auswirkungen hinreichend bekannt.Wird alles geschluckt?

Ich erwarte eine deutliche Methodendebatte.

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: Peinlichkeit

von Christian Timme am 02.02.2017 um 14:14 Uhr

Das betrifft einen ganzen Berufsstand und hier und da diskutieren ein paar "Querschläger" in kleinen Grüppchen rum.. Merkwürdig.

Wenn "Experten" andere Experten nicht verstehen usw.

von Christian Timme am 01.02.2017 um 19:06 Uhr

"Denn sonst versteht darunter jeder, was er will oder was ihm gerade einfällt." Bei diesem natürlich ungewollten Interpretationsspielraum hat man genügend "Luft" für jedwede Ableitung sprich Empfehlung. Es zahlt sich eben aus, wenn da schon beim ersten "Überflug" die Nackenhaare von einem versierter Apotheker und Dipl. Kaufmann lebendig werden. Das zu diesen "Experten" aus Mainz und Berlin.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.