Kommentar

Entweder Boni oder bewährte Akutversorgung

Berlin - 19.01.2017, 10:00 Uhr

(Foto: Pavel Klimenko / Fotolia)

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Folgen für die Apotheken

Wenn nicht nur wenige, sondern viele Patienten im Ausland bestellen würden, könnten die Apotheken vor Ort zwangsläufig nur noch dementsprechend weniger Arzneimittel abgeben. Dann ist es allerdings naiv anzunehmen, dass die Apotheken vor Ort ihre Leistungen unverändert anbieten könnten. Diese Leistungen sind für die meisten Menschen offenbar so selbstverständlich geworden, dass sich kaum jemand eine Welt ohne die Apotheken vorstellen kann. 

Doch eine Analyse in der aktuellen Ausgabe der DAZ zeigt die wirtschaftlichen Folgen der Boni. Demnach wären schon bei einem relativ moderaten Umsatzverlust der Apotheken von „nur“ zehn Prozent bis zur 4400 Apotheken in ihrer Existenz bedroht. Denn so viele Apotheken stehen schon heute betriebswirtschaftlich „auf der Kante“. Angesichts dieser Zahl müssten auch viele Apotheken mit einer wichtigen Versorgungsfunktion in dünn besiedelten Gebieten und an wirtschaftlich schwachen Standorten schließen. Doch die Dichte des Apothekennetzes ist nur ein Teil des Problems. Die Analyse in der DAZ zeigt auch, dass die Zulassung von Boni in Deutschland für das Apothekensystem noch bedrohlicher wäre als das Abwandern von Umsätzen ins Ausland. Boni in Deutschland würden auch die Rentabilität der verbleibenden Apotheken aushöhlen. Gerade die kostenintensiven Dienstleistungen, die die Patienten so sehr schätzen, könnten die Apotheken dann nicht mehr finanzieren.

Nötige Entscheidung

Darum kann es für die Patienten keine freie Wahl zwischen Boni und der bewährten Versorgung geben, ohne die Folgen für das System zu betrachten. In jedem wirtschaftlichen System wirkt jede einzelne Verbraucherentscheidung irgendwie auch auf das große Ganze. Bei den Apotheken ist die freie Wahl der Konsumenten eine Illusion. Auf relativ kurze Sicht kann es kein „sowohl als auch“ geben, sondern nur ein „entweder oder“ zwischen Boni und der bewährten Versorgung vor Ort. Ein fairer Wettbewerb zwischen Versand und Vor-Ort-Versorgung würde Regeln erfordern. Doch diese hat der EuGH ausgehebelt. Darum ist das Rx-Versandverbot nötig, um das bewährte Versorgungssystem zu erhalten. 



Dr. Thomas Müller-Bohn (tmb), Apotheker und Dipl.-Kaufmann
redaktion@daz.online


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3 Kommentare

Die Belastung der Chroniker

von Brigitte Hillner am 19.01.2017 um 19:42 Uhr

.... ist politisch so gewollt.Alle überschlagen sich in Freude über die Entlastung der Chroniker, keiner gibt zu, daß diese Entlastung auch mit politischen Mittel machbar wäre.
Im Übrigen wird auch DocM seine Boni nicht zweimal geben können. Wenn also die AOK mit DocM Selektivverträge schließt, dann werden die Patienten alle wieder ganz normal zur Kasse gebeten werden.

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Entweder Boni oder...

von Bernd Schinschel am 19.01.2017 um 15:10 Uhr

Warum soll die Solidargemeinschaft durch Boni ausgehobelt werden? Warum ungesunde Lebensweise noch belohnen? Von mir aus sollen sie im Internet bestellen, aber bitte zu gleichen Konditionen wie die öffentliche Apotheke.

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RX-Versandverbot

von Dr. Radman am 19.01.2017 um 10:13 Uhr

Genau.....

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