Nach Intrigen

Krebsforschungszentrum hat neuen Leiter

Heidelberg - 26.09.2016, 12:35 Uhr

Der neue Wissenschaftliche Vorstand des Deutschen Krebsforschungszentrums in Heidelberg, Michael Baumann. (Philip Benjamin / NCT Dresden)

Der neue Wissenschaftliche Vorstand des Deutschen Krebsforschungszentrums in Heidelberg, Michael Baumann. (Philip Benjamin / NCT Dresden)


Der Dresdener Radioonkologe Michael Baumann wird neuer wissenschaftlicher Vorstand des Deutschen Krebsforschungszentrums. Die Nachbesetzung des Chefpostens erstreckte sich über zwei Jahre – und beschädigte den Ruf der Forschungseinrichtung.

Der bisherige Direktor der Strahlentherapie am Universitätsklinikum Dresden, Michael Baumann, wird ab November das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) leiten, wie das Forschungsinstitut jetzt bekannt gab. Laut Presseerklärung hat das Kuratorium des DKFZ Baumann einstimmig gewählt. Der Radioonkologe ist bislang auch Direktor am Institut für Radioonkologie des Helmholtz-Zentrums Dresden-Rossendorf und des OncoRay-Zentrums. Das DKFZ wird er zusammen mit dem langjährigen Kaufmännischen Vorstand Josef Puchta leiten.

Mit der Nachbesetzung endet für das DKFZ eine lange, angespannte Übergangszeit. Als im Oktober 2014 der frühere wissenschaftliche Vorstand, Otmar Wiestler, zum Präsident der Helmholtz-Gemeinschaft ernannt wurde, war Puchta optimistisch, dass innerhalb von drei oder vier Monaten ein Nachfolger benannt werden könne.

Vetternwirtschaft am DKFZ?

Doch es sollte rund sechsmal so lange dauern, denn hinter den Kulissen brodelte es: Wiestler und Puchta versuchten, Wiestlers ehemaligen Doktoranden Wolfgang Wick – bei dem wiederum Wiestlers Sohn jahrelang gearbeitet hatte – als Nachfolger zu installieren. Die gewählten Vertreter der Wissenschaftler des DKFZ hatten sich jedoch großteils für den Direktor des Europäischen Laboratoriums für Molekularbiologie (EBML), Matthias Hentze, ausgesprochen. In einem anderen Fall hatte das Bundesverfassungsgericht kurz zuvor entschieden, dass Wissenschaftlern weitreichende Mitspracherechte zustehen. Doch eine Änderung der Satzung des DKFZ, gegen die Juristen ernste verfassungsrechtliche Bedenken äußerten, entzog ihnen diese an vielen Stellen – sodass sie ihre Meinung nur in einem Sondervotum kundtun konnten.

Die Ministerialdirektorin des Bundesforschungsministeriums (BMBF) und Vorsitzende des DKFZ-Kuratoriums, Bärbel Brumme-Bothe, setzte sich mit ihren Kollegen über die Positionierung der Wissenschaftler hinweg und ernannte Wick am 2. Juli vergangenen Jahres zum Vorstand. Doch keine zwei Wochen später trat Wick von seinem zukünftigen Vorstandsposten wieder zurück – offenbar da er anders als angenommen seinen Posten als Ärztlicher Direktor der Neurologischen Klinik am Uniklinikum Heidelberg hätte aufgeben müssen. Puchta bezeichnete gegenüber der „Rhein-Neckar-Zeitung“ die Idee als „hirnrissig“, Wick hätte beides vereinen können.

Streit um die Ausrichtung des Krebsforschungszentrums

Weitere Vorstandskandidaten, externe Experten und Wissenschaftler des Zentrums zeigten sich entsetzt über das amateurhafte Vorgehen des BMBF und DKFZ. EMBL-Direktor Hentze sagte laut „FAZ“ Anfang dieses Jahres ab, augenscheinlich frustriert durch die intransparenten und wenig sachorientierten Vorgänge. Derweil wurde das DKFZ durch den Molekularbiologen Michael Boutros vorrübergehend geleitet.

Mit der aktuellen Entscheidung wurde nun auch ein zweiter Streit beendet: Soll ein Grundlagenwissenschaftler das DKFZ leiten, wie es sich viele Wissenschaftler wünschen – oder ein Kliniker? Die erfolgreiche Arbeit wie auch die wohl größten Erfolge des DKFZ basieren auf grundlagenwissenschaftlichen Erkenntnissen – so erhielt Wiestlers Vorgänger Harald zur Hausen den Medizin-Nobelpreis für die Entdeckung der Humanen Papillomviren als Auslöser von Gebärmutterhalskrebs.

Grundlagen oder Anwendung?

Doch das Bundesforschungsministerium wie auch Puchta wollten keinen reinen Forscher. „Mit Michael Baumann haben wir einen herausragenden Mediziner und Wissenschaftler gewonnen“, erklärte Bundesforschungsministerin Johanna Wanka nun in einer Stellungnahme. Sie sieht ihn als ideale Person, um Grundlagenforschung mit angewandter Krebsforschung zu verbinden. „Nur so kann es uns gelingen, wissenschaftliche Erkenntnisse schneller und effektiver in die medizinische Versorgung der Patientinnen und Patienten zu bringen.“

Kritiker befürchten, dass unter einer zu großen Ausrichtung auf die „Translation“ die Grundlagenarbeit leiden könnte. Auch angesichts der langen Querelen bleibt zu hoffen, dass die Wissenschaftler des DKFZ sich bald wieder ganz auf ihre wichtige Arbeit konzentrieren können – und die nötige Freiheit haben, um neue Ansätze gegen die Volkskrankheit Krebs zu erforschen. 



Hinnerk Feldwisch-Drentrup, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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