637-Millionen-Markt

ABDA kritisiert geplantes Hilfsmittel-Gesetz

Berlin - 30.08.2016, 16:00 Uhr

(Foto: zlikovec / Fotolia)

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Nach Angaben des DAV wurden 2015 von rund 18.000 Apotheken Hilfsmittel im Wert von mehr als 600 Millionen an Kassenpatienten abgegeben. Doch mit den Plänen des Bundesgesundheitsministeriums ist DAV-Vize Rainer Bienfait alles andere als zufrieden: Er fordert weniger Bürokratie für Apotheker – und mehr Qualitätsorientierung für Patienten.

Nach der aktuellen Auswertung des Deutschen Apothekerverbandes (DAV) haben Apotheken im vergangenen Jahr Hilfsmittel im Wert von 637 Millionen Euro an gesetzlich versicherte Patienten abgegeben. Dabei beliefen sich Applikationshilfen wie Insulin-Pens auf 246 Millionen Euro, Inkontinenzhilfen auf 137 Millionen Euro und Kompressionsstrümpfe oder ähnliche Hilfsmittel auf 92 Millionen Euro. „Hilfsmittel machen am Gesamtumsatz der Apotheken kaum mehr als ein Prozent aus, sind aber eine wichtige Ergänzung für die wohnortnahe Gesundheitsversorgung der Patienten mit ärztlich verordneten Arzneimitteln“, erklärte die ABDA in einer Pressemitteilung.

Gleichzeitig erneuerte sie ihre Kritik am Referentenentwurf für das neue Heil- und Hilfsmittelversorgungsgesetz, das nach fundamentaler Kritik des Patientenbeauftragten Karl-Josef Laumann für bessere Qualität von Windeln und anderen Hilfsmitteln sorgen sollte. „Wir begrüßen das Ziel, die Qualität der Hilfsmittelversorgung zu stärken, haben allerdings erhebliche Zweifel, ob dies mit dem vorliegenden Gesetz gelingen wird“, erklärte der stellvertretende DAV-Vorsitzende Rainer Bienfait am Dienstag.

Bürokratie und Preiswettbewerb

Seiner Einschätzung nach ist der Gesetzesentwurf in zwei Punkten dringend verbesserungswürdig. „Verstärkte Dokumentationspflichten werden zu einem erheblichen bürokratischen Mehraufwand führen, so dass gerade kleine Apotheken im ländlichen Raum womöglich ihr Engagement in der Hilfsmittelversorgung überdenken müssen“, sagte Bienfait. Aktuell seien mit rund 18.000 Apotheken ungefähr 90 Prozent aller Apotheken berechtigt, ihre Patienten zumindest mit bestimmten Hilfsmitteln zu versorgen.

Und auch beim Ziel der Qualitätsverbesserung sieht er wenig Veränderung. „Bei den Exklusivausschreibungen der Krankenkassen wird es trotz eines neu eingeführten Qualitätskriteriums dabei bleiben, dass der niedrigste Preis das vorrangige Kriterium für den Zuschlag ist“, betonte der Verbandsvize. Nach dem Gesetzesentwurf sollen die Qualität nur zu 40 Prozent Berücksichtigung finden, 60 Prozent wird über den Preis gesteuert. So bliebe der Preis in der Praxis höchst wahrscheinlich allein maßgeblich und die Versorgungsqualität zweitrangig, wie die ABDA schon in ihrer Stellungnahme von Juli betonte. „Dies war und ist leider überhaupt nicht patientengerecht“, bemängelte Bienfait.

ABDA fordert strengere Gesetze für die Krankenkassen

Der Gesetzgeber müsse seiner Ansicht nach stärker durchgreifen. „Alle gesetzlich versicherten Patienten müssen ohne hohe Aufzahlungen und in guter Qualität mit Hilfsmitteln, wie Inkontinenzeinlagen, zeit- und wohnortnah versorgt werden“, betonte der DAV-Vize. Der gute Wille dazu fehle leider vielen Krankenkassen. „Deswegen sind strengere gesetzliche Vorgaben nötig“, fordert er. Eine Abschaffung von Ausschreibungen könne viel besser als die für 2019 geplante Überarbeitung des Hilfsmittelverzeichnisses für Qualitätssteigerungen sorgen, schrieb die ABDA in ihrer Stellungnahme. Es sei äußerst fraglich, „ob die Krankenkassen bereit wären, für mehr Qualität auch mehr Geld zu bezahlen“, erklärt sie.

Die geplanten Änderungen bei der Zertifizierung von Präqualifizierungsstellen durch eine nationale Akkreditierungsstelle brächten „erhebliche Kosten und hohen bürokratischen Aufwand“ mit sich – wie auch „erhebliche Unruhe in ein funktionierendes System“.

Einige Verbandsmittel würden nicht mehr erstattet

Die ABDA kritisiert auch, dass nach dem neuen Gesetz nur noch Verbandsmittel erstattet werden sollen, die oberflächengeschädigte Körperteile bedecken oder deren Körperflüssigkeit aufzusaugen – ansonsten sollen nur Gegenstände zur individuellen Erstellung von einmaligen Verbänden erfasst sein. Stützverbände, Polsterwatte und -binden oder auch bestimmte Wundauflagen könnten aus der Erstattungsfähigkeit herausfallen und so zu insgesamt steigenden Behandlungskosten führen, bemängelt die ABDA.

„Derartige Einschränkungen werden häufig längere Heilungsprozesse zur Folge haben“, erklärt die Standesvertretung in ihrer Stellungnahme. „Das Risiko von Komplikationen und Krankenhausaufenthalten steigt.“ Für die ABDA handelt es sich um einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Erstattungsfähigkeit. 



Hinnerk Feldwisch-Drentrup, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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