Freihandel

Was macht der Brexit mit TTIP und EU-Gesetzen?

Stuttgart - 07.07.2016, 07:00 Uhr

Quo vadis, Europa? (Foto: dpa / picture alliance)

Quo vadis, Europa? (Foto: dpa / picture alliance)


Durch das Votum für den EU-Ausstieg steht Großbritannien vor gewaltigen rechtlichen Problemen – wie auch die EU. Der geplante Brexit erschwert die TTIP-Verhandlungen beträchtlich. Doch auch für die sonstige Gesetzgebungprozess hat die Trennung der Briten vom Rest Europas erhebliche Auswirkungen.

Nach der Austritts-Entscheidung der britischen Wähler stehen in Bezug auf die Freihandels-Abkommen und neue Gesetze schwere Zeiten in der EU und dem Vereinigten Königreich an. Sowohl das umstrittene Freihandelsabkommen TTIP zwischen der EU und den USA sowie das Abkommen CETA zwischen der EU und Kanada werden durch den Brexit stark erschwert, wie es auch aus Berliner Regierungskreisen zu hören ist. Die frühere US-Handelsbeauftragte Susan Schwab sagte, ein zeitnaher Abschluss von TTIP sei nun unmöglich geworden.

US-Präsident Barack Obama wollte die Verhandlungen eigentlich noch in seiner Amtszeit abschließen. Ansonsten könnte sich das Abkommen um Jahre verschieben. Die Präsidentschaftskandidatin der Demokraten, Hillary Clinton, wird TTIP voraussichtlich nicht unterstützen - und ihr Konkurrent Donald Trump ist ohnehin erklärter Gegner. „Ich sehe praktisch keine Chance mehr, dass es mit der aktuellen US-Regierung noch eine Einigung über TTIP geben wird“, sagte auch der Verhandlungsführer des EU-Parlaments, Bernd Lange (SPD).

Bleibt für TTIP noch Hoffnung?

„TTIP kann und wird den Brexit überleben“, erklärte hingegen EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström vergangene Woche bei Gesprächen in Washington. Sie habe zwar noch kein klares Bild, welche Auswirkungen der beispiellose EU-Austritt haben werde. Derzeit kann die EU-Kommission noch für die 28 Mitgliedsstaaten sprechen, doch nach dem Austritt des Vereinigten Königsreich könnte das Verhandlungsmandat fallen. Sie versucht, Hoffnung zu verbreiten. „Wir sind zu Optimismus verpflichtet“, erklärte Malmström.

Umstritten ist der Plan von EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker, das Freihandelsabkommen CETA an den nationalen Parlamenten vorbei in Brüssel zu beschließen. Angesichts der von EU-Bürgern vielfach wahrgenommenen Machtkonzentration der EU dürfte ein derartiger Schritt vielerorts Ressentiments wecken.  

Welche Beziehungen wird Großbritannien zukünftig mit der EU haben?

Ein weiteres Problem ist auch, dass sich die Behörden in Brüssel derzeit auf den geplanten EU-Austritt der Briten vorbereiten müssen, was erhebliche Kapazitäten bindet. So hatte die EU schon vor der Entscheidung mehrere Gesetzesinitiativen pausiert. Wenn wie geplant der Nachfolger des zurückgetretenen britischen Premiers David Cameron den Ausstieg bei der EU beantragt, starten außerdem aufwändige Verhandlungen um die zukünftige Beziehung zwischen dem Staatenbund und dem Vereinigten Königreich.

Völlig offen ist noch, wie diese gestaltet werden soll. Gegen Modelle wie die Abkommen mit der Schweiz oder Norwegen spricht, dass die Aushandlung sich jeweils über Jahrzehnte erstreckt hat – die Schweiz hat inzwischen mehr als 120 Vereinbarungen ausgehandelt. Auch müsste Großbritannien erhebliche Zugeständnisse bei der Freizügigkeit und Transferzahlungen in die EU machen, um einen gemeinsamen Binnenmarkt zu erzielen. Eine Alternative könnte ein Freihandelsabkommen wie CETA zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich sein. Doch dieses würde den gegenseitigen Zugang für Finanzdienstleistungen erheblich einschränken.

Ist der Brexit-Exit eine Option?

Schließlich steht auch Großbritannien selbst vor erheblichen Herausforderungen durch den Brexit – denn derzeit gelten zahlreiche EU-Verordnungen oder ins nationale Recht umgesetzte Richtlinien im Königreich, welche EU-Bürgern weitgehende Rechte einräumen. Beim Feld der Arzneimittelregulation kann Großbritannien wie Island oder Norwegen nach Abschluss entsprechender Verträgen auch zukünftig mit der Europäischen Arzneimittelbehörde EMA eng zusammenarbeiten – doch wird diese voraussichtlich ihr bisher in London ansässiges Hauptquartier verlegen müssen. Bezüglich des neuen Standorts will Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe sich dafür einsetzen, dass die Behörde nach Deutschland zieht. Ein Ministeriumssprecher wollte am Mittwoch aber noch nicht bestätigen, ob hierzu bereits Gespräche geführt wurden.

Wenn das britische Parlament das unverbindliche Wählervotum nicht umsetzt, könnte sie also auf beiden Seiten des Kanals erhebliche Reibungsverluste verhindern. Für ihr Ansehen – sowie das der europäischen Union – dürfte sich dies jedoch kaum positiv auswirken. 



hfd / DAZ.online
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