Nullretaxationen

12.000 Euro-Rückforderung nach fast sechs Jahren

Berlin - 11.09.2014, 13:14 Uhr


Das Musterstreitverfahren zwischen Ersatzkassen und Apothekern zu den Folgen der Nichtbeachtung von Rabattverträgen hat schon vor einiger Zeit sein Ende gefunden. Folgen für Apotheken hat der langwierige Rechtsstreit aber jetzt noch. Wie das Deutsche Apothekenportal berichtet, verlangt eine Ersatzkasse nun nach beinahe sechs Jahren von einem Apotheker rund 12.000 Euro zurück. Indessen gibt es von AOK-Seite ein positives Signal in Sachen Nullretax: Offenbar planen einige Ortskrankenkassen, versöhnlich auf Apotheken zuzugehen.

Anfang Juli 2013 hatte das Bundessozialgericht (BSG) geurteilt, dass Krankenkassen Apotheken die vollständige Erstattung von Arzneimitteln verweigern dürfen. Jedenfalls dann, wenn diese Arzneimittel nicht den zum Abgabezeitpunkt gültigen Rabattverträgen entsprachen und die Abweichung nicht begründet wurde. Nachdem das Bundesverfassungsgericht im Anschluss eine hierzu eingelegte Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen hat, ist das Musterstreitverfahren zwischen Ersatzkassen und Apotheker endgültig beendet.

Vor diesem Urteil hatten die an dem Musterstreit beteiligten Kassen strittige Retaxationen wegen unbegründeter Nichtabgabe einer Rabattarznei zunächst lediglich mit 50 Prozent des Retaxbetrages, höchstens jedoch mit 25 Euro je Packung, in Rechnung gestellt. So sah es eine im Rahmen des Musterstreits gefundene Vereinbarung vor. Nun werden die seit Januar 2009 aufgelaufenen Restbeträge aber vollständig von den betroffenen Apotheken zurückgefordert. Dies ist zwar schon 2013 von den Ersatzkassen angekündigt worden – doch noch immer werden Apotheker von Rückforderungen überrascht. Und diese sind oftmals höher als die in den vor dem BSG verhandelten Fällen, die sich im überschaubaren zweistelligen Euro-Bereich bewegten.

So hat die Rezeptprüfstelle einer Ersatzkasse jetzt angekündigt, die betroffenen Fälle seien „nun abschließend abzuwickeln“: In einem konkreten Fall geht es dabei um den noch ausstehenden Restbetrag in Höhe von 13.826 Euro für die Versorgung mit Genotropin 12 mg mit vier Packungen à fünf Stück. Die betroffene Apotheke hatte seinerzeit das verordnete Präparat von Kohl-Pharma abgegeben, obwohl die Kasse einen Rabattvertrag mit dem Originalhersteller Pfizer hatte. Nach Abzug bereits bezahlter Herstellerrabatte und einer Teilretaxation von vier mal 25 Euro verbleibt ein Restbetrag in Höhe von 11.949 Euro. Für die betroffene Apotheke ein bitteres Schicksal – sie wird sich gegen diese Forderung nicht mehr zur Wehr setzen können. Und sie wird nicht die einzige sein.

Während die Nullretaxation bei grundloser Nichteinhaltung von Rabattverträgen von der Rechtsprechung geklärt ist, ist die Komplettabsetzung in anderen Fallgestaltungen noch umstritten. Die AOK Hessen hat zuletzt zwei Niederlagen vor den Sozialgerichten hinnehmen müssen: Sie wollte Apothekern nichts zahlen, die Zytostatikazubereitungen an AOK-Versicherte abgegeben hatten, obwohl sie keinen Exklusivvertrag über die Versorgung mit der Kasse geschlossen hatte. Diese Exklusivverträge könnten das Recht der Patienten auf freie Apothekenwahl nicht aushebeln, so das wesentliche Argument. Rechtskräftig sind die Entscheidungen allerdings noch nicht.

Selbst beim AOK Bundesverband sieht man Nullretaxationen kritisch. Und hierauf hat er die einzelnen AOKs auch hingewiesen – allerdings sind seine Einwirkungsmöglichkeiten auf die Einzelkassen begrenzt. Jede von ihnen kann selbst entscheiden, in wie weit sie den Apotheken entgegen kommt. Die AOK Plus hat bereits reagiert und nun angekündigt, zeitnah auf die Landesapothekerverbände in Sachsen und Thüringen zuzugehen und ein Angebot zu vertraglichen Regelungen zu unterbreiten. Diese sollen Sicherheit geben, dass leichte Formfehler nicht zu einem vollständigen wirtschaftlichen Schaden bei ihnen führen. Bei anderen AOKen – etwa der AOK Rheinland-Hamburg – gibt es entsprechende Vereinbarungen bereits.

Bemühungen, für alle vertretbare Regelungen zur Retaxation im bundesweit gültigen Rahmenvertrag zwischen Deutschem Apothekerverband und GKV-Spitzenverband zu finden, sind bislang erfolglos geblieben. Nullretaxationen werden daher sicher auch in Zukunft ein unangenehmes Thema für die Apotheken bleiben.


Kirsten Sucker-Sket


Das könnte Sie auch interessieren

Kasse fordert 12.000 Euro

Nullretax nach fast sechs Jahren

Ersatzkassen-Musterstreitverfahren

Bundessozialgericht billigt Nullretax

AOKen gehen unterschiedlich vor – DAV hält Aussetzung vertraglicher Fristen für sinnvoll

Zyto-Retax: Ersatzkassen warten ab

Langer Rechtsstreit um nicht verfügbares Metoprolol von Betapharm beendet

Vertragsstrafe wegen falscher PZN

Glücklose Verfassungsbeschwerde gegen BSG-Zyto-Urteil

Keine Chance in Karlsruhe