Landessozialgericht Hamburg

Anspruch auf Apothekenabschlag trotz verspäteter Teilzahlung

Hamburg - 21.09.2011, 11:10 Uhr


Teilerfolg für den Hamburger Apothekerverband: Bei einer teilweise verspäteten Zahlung einer Krankenkasse für Arzneilieferungen von Apotheken entfällt zwar nicht der gesamte Apothekenabschlag, wohl aber dessen Anteil für die nicht gezahlte Summe. Dies hat jetzt das Landessozialgericht Hamburg entschieden.

Die gesetzlichen und vertraglichen Vorgaben für den Zahlungsanspruch der Apotheken gegenüber gesetzlichen Krankenkassen sind streng: Erhalten sie von einem Apothekenrechenzentrum eine Sammelrechnung, haben sie bis zum Vierten des laufenden Monats eine Abschlagszahlung in Höhe von 80 Prozent der Monatsrechnung des letzten abgerechneten Monats zu leisten. Bei Nichteinhaltung dieser Zahlungsfrist entfällt der Abschlag hinsichtlich des nicht fristgerecht gezahlten Teilbetrages. Die Restzahlung ist bis zum zehnten Tag nach Eingang der Rechnung bei der Krankenkasse zu leisten. Soweit sieht es der Vertrag über die elektronische Rezeptabrechnung vor. Ferner bestimmt § 130 Abs. 3 SGB V, dass die Gewährung des Apothekenabschlags voraussetzt, dass „die Rechnung des Apothekers innerhalb von zehn Tagen nach Eingang bei der Krankenkasse beglichen wird“. 

Doch was ist, wenn die Kasse die Sammelrechnung eines Rechenzentrums für die Restzahlung zu Unrecht kürzt und nach Erkennen das Irrtums den Restbetrag erst verspätet begleicht? Der Hamburger Apothekerverband meint, dass dann der Apothekenrabatt für die gesamte Rechnung entfällt. Mit dieser Rechtsauffassung hat er sich nun aber schon in zweiter Instanz nicht gegen die – mittlerweile insolvente – City BKK durchsetzen können.

Konkret geht es um eine Sammelrechnung des Norddeutschen Apothekenrechenzentrums e.V. (NARZ) für im Monat August 2003 abgegebene Arzneimittel in Höhe von 303.532,95 Euro. In dieser Rechnung an die Abrechnungsstelle der beklagten Kasse waren geleistete Vorauszahlungen sowie der Apothekenrabatt berücksichtigt. Die Abrechnungsstelle kürzte die Rechnung jedoch um einen Berichtigungsbetrag von 3.212,34 Euro sowie um Rabattdifferenzen in Höhe von 52.262,45 Euro aus der Abrechnung für Januar 2003. Der Restbetrag von 248.058,16 Euro wurde dem Konto des NARZ innerhalb der Zehntagesfrist gutgeschrieben. Später einigte man sich, dass die Kürzung wegen der Rabattdifferenzen mit einem Anteil von 48.478,73 Euro nicht gerechtfertigt war. Diesen Betrag beglich die Kasse mehr als ein Jahr später.

Daraufhin klagte der Hamburger Apothekerverband. Er ist der Auffassung, die Beklagte habe den Apothekenrabatt für den Monat August 2003 zu Unrecht einbehalten. Der Anspruch nach § 130 Abs. 3 Satz 1 SGB V auf den Apothekenrabatt setze die vollständige Begleichung der Rechnung innerhalb der Frist voraus. Das Sozialgericht Hamburg gab dem Kläger nur teilweise recht. Die Beklagte habe lediglich einen Anteil von 2,49 Prozent des Gesamtbetrages nicht fristgerecht gezahlt. Dies könne nicht dazu führen, dass sie ihren Rabattanspruch in voller Höhe verliere, da eine solche Rechtsfolge weder § 130 SGB V noch den zwischen den Beteiligten bestehenden vertraglichen Regelungen zu entnehmen sei.

Auf die Berufung des Klägers bestätigte nun das LSG Hamburg die Vorinstanz. Da die grundsätzliche Höhe der berechneten Abschläge zwischen den Parteien nicht streitig ist, konnte sich das Gericht ganz auf die Frage beschränken, ob der Abschlag infolge der verspäteten Zahlung der Kasse vollständig oder teilweise entfallen ist. Es kommt dabei zu dem Schluss, dass der Abschlag nach § 130 Abs. 3 Satz 1 SGB V nicht vollständig entfallen ist. Zwar sei dem Kläger zuzugeben, „dass ein alltagssprachliches Verständnis unter dem Begleichen einer Rechnung deren vollständige Bezahlung verstehen dürfte“. Dennoch: Der Wortlaut sei nicht eindeutig. Zum einen sage er nichts zur Frage vollständiger oder teilweiser Zahlung aus, zum anderen beziehe er sich nur auf die Rechnung des (einzelnen) Apothekers, nicht aber auch eindeutig auf den hier vorliegenden Fall einer Sammelrechnung.

Und so argumentieren die Richter mit dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Rabattregelung: Der (damals noch) gestaffelte Apothekenrabatt sei Ausfluss des in der GKV geltenden Wirtschaftlichkeitsgebots. Er diene zuallererst der Sicherung der Beitragssatzstabilität, indem die Apotheken mit dem ihnen auferlegten Zwangsrabatt an der Finanzierung der Arzneimittelversorgung der Versicherten beteiligt werden. Zugunsten der Apotheken wurde die Rabattgewährung von einer schnellen Zahlung durch die Krankenkassen abhängig gemacht. Soweit man hierin einen privatrechtlichen Skontogedanken sehen will, sei dieser durch die sozialrechtlich eingebundene Rabattregelung überlagert. Vor diesem Hintergrund wäre es nicht zu rechtfertigen, dass jede noch so geringfügige Kürzung des Rechnungsbetrags mit dem Risiko des vollständigen Entfallens des Rabattanspruchs behaftet wäre. „Es geht hier nicht um ein Alles-oder-Nichts, sondern um eine angemessene Beteiligung auch der Apotheken an den Kosten der Arzneimittelversorgung mit dem Ziel der Kostendämpfung“, heißt es im Urteil.

Dr. Jörn Graue wertete das Urteil gegenüber DAZ.online als „Teilerfolg“. Immerhin musste die City BKK auf einen Teil der Rabatte verzichten. Jetzt will der Vorsitzende des Apothekerverbandes aber noch mehr. Er ist überzeugt, dass der Apothekenrabatt an die sofortige Bezahlung gekoppelt ist und die nächste Instanz zugunsten der Apotheker entscheiden wird. Zudem verbucht es Graue als Erfolg, dass das LSG die Revision zugelassen hat. Den Zug vor das Bundessozialgericht hat er bereits in die Wege geleitet.

Landessozialgericht Hamburg, Urteil vom 12. Juli 2011, Az.: L 1 KR 34/09  


Kirsten Sucker-Sket