BSG-Urteil zum Apothekenabschlag

Vorgaben aus Kassel: Jeder Einzelanspruch ist zu prüfen

Kassel - 23.07.2012, 10:11 Uhr


Im März entschied das Bundessozialgericht, dass Apotheker einen Anspruch auf Rückzahlung einbehaltener Rabatte haben, wenn eine Krankenkasse eine zu Unrecht gekürzte Rechnung nicht rechtzeitig vollständig beglichen hat. Nun liegen die Urteilsgründe vor.

Dem Urteil liegt ein Streit zwischen dem Hamburger Apothekerverein und der City BKK über Apothekenrabatte zugrunde. Die von der City BKK genutzte Abrechnungsstelle hatte eine Sammelrechnung des Norddeutschen Apotheken-Rechenzentrums  (NARZ) erhalten und kürzte diese – unstreitig – fehlerhaft um 48.478,73 Euro. Den ausstehenden Betrag überwies die Kasse erst 16 Monate später. Die betroffenen Apotheker traten dem Apothekerverband für das folgende Klageverfahren ihre Ansprüche ab. Streitig war, ob der Kasse der Apothekenrabatt zustand, obwohl sie die Rechnung nicht innerhalb von zehn Tagen – wie es § 138 Abs. 3 SGB V vorsieht – vollständig bezahlt hatte.

Das BSG meint: Nein. Es führt in seinem Urteil aus, dass der Vergütungsanspruch eines Apothekers für an gesetzlich Krankenversicherte abgegebene Arzneimittel in Höhe des Apothekenrabatts unter der auflösenden Bedingung einer vollständigen fristgerechten Erfüllung steht. Eine bloße Teilzahlung, wie sie im vorliegenden Fall erfolgte, genüge nicht, um den Eintritt der Bedingung zu bewirken.

Dennoch trafen die Kassler Richter in dem Verfahren kein abschließendes Urteil, sondern verwiesen die Sache an die Vorinstanz zurück. Auf der Grundlage der vom LSG getroffenen Feststellungen könne nicht entschie­den werden, ob und in welchem Umfang die an den Kläger – den Apothekerverband – abgetretenen Vergütungsansprüche der Apotheker bestehen. Insbesondere hielt es der Senat nicht für möglich, darüber zu entscheiden, wann für jeden der geltend gemachten Ansprüche die Frist des § 130 Abs. 3 S. 1 SGB V zu laufen begann. Denn wann die Rechnungen genau zugegangen waren, war nicht festgestellt worden. Auch wenn die Apotheker in formularmäßig gestalteten Verträgen ihre Vergütungsansprüche abtreten, bestehe die Notwendigkeit, jeden Einzelanspruch zu überprüfen, so das BSG. Durch eine Zusammenfassung der einzelnen Restvergütungsansprüche zu einem Betrag verlören die einzelnen Forderungen der Apotheker nicht ihr jeweils eigenes rechtliches Schicksal.

Das BSG macht dem LSG deutlich, was es nun von ihm erwartet – und das ist nicht wenig. Das LSG müsse zunächst den Zeitpunkt des Rechnungseingangs bei der City BKK feststellen. Sodann sei für jeden einzelnen abgetretenen Rest­vergütungsanspruch zu prüfen, ob die Kasse dort jeweils einen unberechtigten Einbe­halt aus der Gesamtsumme vornahm. Die erforderliche Prüfung setze in einem ersten Schritt voraus, zunächst diejenigen Einzelansprüche der Apotheker zu identifizie­ren, die von dem Gesamteinbehalt erfasst wurden. In einem zweiten Schritt habe das LSG zu prüfen, welche dieser Ansprüche die Beklagte zeitgerecht vollständig beglich.

Hinsichtlich aller dann festgestellten Vergütungsansprüche, die in vollem Umfang und zeitgerecht beglichen wurden, sei die Klage unbegründet. Auch Forderungen von Apothekern, die ihre Ansprüche nicht an den Kläger abge­treten haben, bleiben außen vor. Es verbleiben somit die berechtigten Einzelansprüche derjenigen Apotheker, die ihre Forderungen abgetreten haben. Die Summe dieser Forderungen ergebe den Betrag, den die beklagte Kasse dem Kläger noch zu zahlen habe.

Könne das LSG nach Ausschöpfung der gebotenen Beweiserhebung nicht feststellen, dass der Vergütungsanspruch innerhalb der Zehntagesfrist beglichen wurde, trage die Kasse die Beweislast für diese ihr vorteilhafte Tatsache.

(Bundessozialgericht, Urteil vom 6. März 2012, Az.: B 1 KR 14/11 R)


Kirsten Sucker-Sket