Kassenabschlag 2009

Sozialgericht setzt 10-Tages-Frist Grenzen

Berlin - 22.10.2012, 17:31 Uhr


Krankenkassen müssen wegen der nachträglichen Kürzung des Apothekenabschlags 2009 keinen vollständigen Rabattverlust fürchten – auch dann nicht, wenn sie die zu viel einbehaltenen Abschläge verzögert ausgeglichen haben. Dies entschied das Sozialgericht Berlin und wies mehrere Klagen eines Apothekers ab.

Die beklagten Krankenkassen hatten im Jahr 2009 die Rechnungen des klagenden Apothekers beglichen – unter Berücksichtigung des Abschlags von 2,30 Euro. Im Juli desselben Jahres hatte der Deutsche Apothekerverband das Schiedsverfahren beantragt, nachdem die vorherigen Verhandlungen mit dem GKV-Spitzenverband zur Neufestsetzung des Apothekenabschlags erfolglos verlaufen waren. Es folgte der Schiedsspruch, wonach der Abschlag rückwirkend für 2009 auf 1,75 Euro festgesetzt wurde. Dagegen klagte der GKV-Spitzenverband – das Landessozialgericht Berlin ordnete jedoch die sofortige Vollziehung der Entscheidung der Schiedsstelle an.

Daraufhin machte der Apotheker gegenüber vier Krankenkassen die sich aus der rückwirkenden Änderung des Rabatts ergebende Vergütung geltend. Die Kassen zahlten allerdings nicht unmittelbar, sondern warteten zunächst eine Einigung des GKV-Spitzenverbandes mit dem DAV über die Abrechnungsmodalitäten ab. Drei bis vier Wochen nach dieser Einigung beglichen sie die Differenzbeträge. Weil die Krankenkassen nicht innerhalb von zehn Tagen nach Rechnungslegung zahlten, war der Rabatt nach Auffassung des Klägers gemäß § 130 Abs. 3 SGB V vollständig hinfällig geworden. Er zog vor Gericht und forderte die Zahlung des insgesamt für das Jahr 2009 einbehaltenen Rabatts (rund 79.000 Euro). Aus seiner Sicht stellten die eingereichten Abrechnungen ebenfalls Rechnungen im Sinne des § 130 Abs. 1 Satz 1 SGB V dar.

Das Sozialgericht Berlin sah es jedoch anders: Mit dem sofort vollziehbaren Schiedsspruch vom 21. Dezember 2009 sei rückwirkend zum 1. Januar 2009 ein Anspruch auf Auszahlung des Vergütungsanteils – bestehend aus der Differenz zwischen dem ursprünglichen Rabatt von 2,30 EUR und dem durch Schiedsspruch festgelegten Rabatt von 1,75 EUR multipliziert mit der Anzahl der abgegebenen und abgerechneten Rx-Fertigarzneimittel – entstanden, heißt es im Urteil. Dabei handle es sich jedoch um einen Vergütungsanspruch und nicht um einen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch, wie der des § 130 Abs. 1 Satz 1 SGB V.

Nach Überzeugung der Kammer findet die Fristvorgabe des § 130 Abs. 3 SGB V für die Abwicklung der Nachberechnung der Vergütung daher auch keine Anwendung. Diese sei ein „Sonderfall der Vergütungsabrechnung“, der von § 130 Abs. 3 SGB V nicht erfasst werde – er regle vielmehr nur die „standardisierten Regelvergütungsabrechnungen“ zwischen Apotheken und Krankenkassen. „Würde jedwede Abrechnungskorrektur der Anwendung des § 130 Abs. 3 SGB V unterfallen, bestünde eine unausgewogene Risikoverteilung“, erklärten die Richter. Denn die Krankenkassen müssten individuelle Nachberechnungen der Apotheker entweder zunächst ungeprüft begleichen oder unzumutbaren Verwaltungsaufwand zur Nachprüfung der Rechnungen betreiben.

Sozialgericht Berlin, Urteil vom 14. September 2012 – Az. S 81 KR 572/11 (nicht rechtskräftig)


Juliane Ziegler