Netzhautimplantat

Blinde können wieder sehen

Tübingen - 11.11.2010, 06:45 Uhr


Ein unter die Netzhaut eingepflanzter, lichtempfindlicher Chip kann bei erblindeten Menschen Sehleistungen wiederherstellen, die bis hin zur Erkennung von Buchstaben und Wörtern reichen

Ziel der Forschungsarbeiten ist es, bei Blinden, deren Stäbchen und Zapfen in der Netzhaut degeneriert sind - beispielsweise durch die Erkrankung Retinitis pigmentosa – diese verlorene Funktion durch ein Netzhautimplantat zu ersetzen. Retinitis pigmentosa, eine erbliche Netzhautdegeneration, ist eine der häufigsten Ursachen für eine Erblindung in jungen Jahren.

Das subretinale elektronische Netzhautimplantat, das von der Firma Retina Implant AG, Reutlingen, produziert wird, arbeitet mit 1.500 lichtempfindlichen Dioden, Verstärkern und Elektroden auf einem 3 x 3 mm großen Chip. Er wird bei der Implantation unter die Netzhaut geschoben und gleichzeitig eine Kabelverbindung zu einem Ort hinter dem Ohr für Stromversorgung und Chipsteuerung geschaffen. Der Chip wandelt das Bild in ein Raster von elektrischen Impulsen um, die über Netzhautneurone an das Gehirn weiterleitet werden. Ein solcher Chip ist nicht einsetzbar, wenn die Netzhaut in weit fortgeschrittenen Stadien der Netzhautdegeneration stark vernarbt und nicht mehr durchblutet ist oder der Sehnerv massiv beschädigt ist.

In einer Pilotstudie wurden elf Patienten operiert, die zwischen zwei und fünfzehn Jahre lang blind waren. Bereits dem ersten Patienten konnte mit einem separaten Elektrodenfeld an der Spitze des Implantates die Wahrnehmung heller Balken, zusammengesetzt aus einzelnen Bildpunkten, ermöglicht werden. Fünf der elf operierten Patienten konnten Lichtquellen oder große helle Objekte erkennen und lokalisieren.

Bei zwei männlichen Patienten und einer weiblichen blinden Patientin im Alter von 40, 44 und 38 Jahren, die ihre Lesefähigkeit mindestens fünf Jahre vor der Implantation verloren hatten, wurde der Chip unter oder in der Nähe der Makula, also der Stelle des vormals schärfsten Sehens, implantiert. Ein Patient konnte auch unbekannte Objekte korrekt identifizieren (z. B. eine Banane oder Apfel), eine große Uhr ablesen, sowie einzelne Buchstaben und Wörter erkennen, daraus Wörter bilden sowie sieben verschiedene Graustufen unterscheiden.

Eine europaweite Studie mit weiteren 25 Patienten und einer überarbeiteten, komplett unter der Haut liegenden Version des Implantates hat inzwischen begonnen.

Quelle: Zrenner, E., et al.: Proceedings of the Royal Society B 2010, Online-Vorabpublikation, DOI: 10.1098/rspb.2010.1747


Dr. Bettina Hellwig