Gesundheitspolitik

Der Apotheken-Ökonom: Falsche Zungenschläge

Von Sprichwörtern und Redensarten

Prof. Dr. Andreas Kaapke  

Ganz hinten im Alphabet angesiedelt, spielt die Zunge in Redens­arten dennoch eine herausragende Rolle. Wahrscheinlich hat dies damit zu tun, dass die Zunge der Sprache Ausdruck verleiht und die Stimme zu transportieren hilft. Mit am bekanntesten ist die Redensart mit einer gespaltenen Zunge oder auch mit zwei oder mehreren Zungen zu reden. Wenn zum eigenen Vorteil gegenüber unterschiedlichen Menschen verschiedene Meinungen zum Ausdruck gebracht werden, dann spricht man mit ebendieser gespaltenen Zunge. Etwas geht glatt oder leicht von der Zunge, wenn ohne jede Hemmung Schmeicheleien oder Unwahrheiten gegen innere Überzeugungen kundgetan werden. Im Umkehrschluss sagt der Volksmund, dass man etwas nicht über die Zunge bringt, wenn man mit sich ringt, sich scheut zu lügen oder sich schwertut, eine schlechte Nachricht zu überbringen oder auch Kritik zu äußern. Gesteigert wird diese Redensart noch, wenn man sich eher die Zunge abbeißt, bevor man etwas sagen will oder kann. Macht man jemanden redselig und bringt man ihn dazu, Dinge zu sagen, die er gar nicht hatte sagen wollen, dann hat man die Zunge gelöst. Ursächlich kommt dies aus alten Überlieferungen, in denen neugeborenen Kindern das Häutchen unter der Zunge gelöst wurde, damit das Sprechen schneller erlernt werden konnte.

Manche Menschen tragen das Herz auf der Zunge und zeigen demnach ihre Gefühle sehr deutlich, eine ähnliche Wendung nennt dies der Zunge freien Lauf lassen, wenn es etwas allgemeiner darum geht, tendenziell offen und transparent zu kommunizieren. Sagt man Dinge zu schnell, unüberlegt, zu impulsiv oder auch aus dem Kontext gerissen und kommt dies beim Gegenüber nicht oder falsch an, kann man sich schneller als gedacht die Zunge verbrennen. Hier wäre es besser gewesen, seine Zunge im Zaum zu halten oder seine Zunge zu hüten, auch wenn man etwas auf der Zunge hat, was unbedingt raus muss. Nimmt man jemandem einen Gedanken vorweg oder formuliert für ein Gegenüber etwas schneller, dann nimmt man jemandem das Wort von der Zunge. Die Zunge streckt man heraus, wenn man jemanden verspotten möchte, und die Zunge renkt man sich aus, wenn man permanent prahlt, über sich schwärmt oder für sich wirbt. Zungenbrecher sind die Wörter, bei denen man sich die Zunge abbricht, die einem also schwer über die Zunge gehen. Eine lose, glatte, spitze oder auch fremde Zunge haben, sind Redewendungen, die mit den jeweiligen vorgeschalteten Adjektiven einen Charakterzug des betrachteten Menschen offenlegen sollen. Am Ende der zunächst ­enumerativen Darstellung sollte man sich aber das Gelesene auf der Zunge zergehen lassen, also die vielen Sprichwörter und Redensarten genießerisch auskosten.

Wenn 17 Kammerpräsidenten und Verbandsvorsitzende, umrankt von den aus ihren Reihen stammenden BAK-Präsidenten, dem DAV-Vorsitzenden und dem ABDA-Präsidenten, zu standespolitischen Themen sprechen, kann es schon passieren, dass sie in der Wahrnehmung der Zuhörer subjektiv mit gespaltener Zunge sprechen, objektiv aber das Gleiche meinen. Dieses strukturelle Problem können die Gesprächspartner immer ausnutzen, als Meinungsvielfalt taugt es nur bedingt. Von daher scheint es angezeigt, sich so zu ­organisieren, dass klar ist, wer sich wann zu welchem Thema gegenüber der Politik äußert. ­Gespaltene Zungen sind in den ­eigenen Reihen entsprechend unbeliebt, dagegen beim Verhandlungspartner, gar -gegner äußerst beliebt, denn man sucht und findet auch immer einen Wortbeitrag, der an der eigenen Haltung näher dran ist. Gegenüber Patienten müssen alle Apothekenmitarbeiter mit feiner Zunge sprechen und sich nicht die Zunge abbeißen oder die Zunge abbrechen. Offenheit und klare Botschaften zählen zu den wich­tigen Kernleistungen in und von Apotheken, hier sind Zungenbrecher genauso wenig angezeigt wie Vertuscherei oder mit der Zunge auszurutschen und damit etwas Unbedachtes zu sagen. Da es um das hohe Gut Gesundheit geht, ist dies eine anspruchsvolle Aufgabe. Es reicht auch nicht zu sagen, von zehnmal habe ich es heute achtmal gut gemacht. Zehnmal muss es gut gemacht werden, da in vielen Fällen die Kunden bei einem Apothekenbesuch thematisch stark involviert sind.

Was dann bliebe, wäre ein falscher Zungenschlag, wo der richtige Zungenschlag gesucht ist. Zungenschlag hat etwas mit Respekt und Wertschätzung zu tun – gut, dass beide in deutschen Apotheken gegeben sind. |

Andreas Kaapke ist Professor für Handelsmanagement und Handelsmarketing an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg (DHBW), Standort Stuttgart, und Inhaber des Beratungsunternehmens Prof. Kaapke Projekte. E-Mail: a.kaapke@kaapke-projekte.de

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