Die Seite 3

Respekt und letzte Zweifel

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Dr. Thomas Müller-Bohn, Redakteur der DAZ

Nach jahrelangen Vorbereitungen steht der Start des Securpharm-Systems am 9. Februar unmittelbar bevor. Das größte gemeinsame Projekt der deutschen Pharmabranche wird pünktlich beginnen. Die sonst eher konkurrierenden Beteiligten der Selbstverwaltung und der Industrie haben sich konstruktiver miteinander arrangiert, als dies bei vielen Großprojekten im öffentlichen Bereich zu erleben ist. Dennoch gab es kürzlich Meldungen über offene Fragen und Schwachstellen. Die Zeit ist am Ende knapp geworden. Den erhofften gleitenden Übergang vom Test- in den Echtbetrieb wird es für die meisten Apotheken nicht geben. Ähnlich geht es wohl manchen Herstellern. Bei so vielen Jahren Vorlauf kann das nur bedeuten, dass einige Beteiligte die Komplexität des Themas unterschätzt haben. Es geht nicht nur darum, einen neuen Code auf die Packungen zu drucken. Jede Packung als Unikat zu behandeln und am Ende des Vertriebswegs als dieses Unikat zu erkennen, erfordert einen ganz neuen Umgang mit den betroffenen Arzneimitteln.

Es liegt auf der Hand, dass Fehl­alarme das System ausbremsen können. Darum sind die Sorgen verständlich, wenn Gerüchte umgehen, einige Hersteller hätten noch immer Schwierigkeiten, die nötigen Daten hochzuladen. Um sich auf den Stichtag vorzubereiten, sind die Hintergründe zum Umgang mit Fehlermeldungen daher besonders wichtig. Ein Beitrag ab Seite 20 fasst den aktuellen Stand dazu zusammen.

Die Zweifel der vorigen Tage können für das Gelingen des Projekts durchaus hilfreich sein. Es geht um Respekt vor der Dimension der Aufgabe, nicht um Schwarzmalerei. Alle Beteiligten sollten sich bewusst machen, dass es keinen gemeinsamen Test für alle Betroffenen gab. Insider sprechen von einem Kaltstart. Da wird es irgendwo rumpeln und das sollte niemanden überraschen. Alle sollten sich klarmachen, dass vorläufig ein Fehlalarm viel wahrscheinlicher als eine Fälschung ist. Das gilt ganz besonders für die Behörden. Falls das System unerwartet viele Fehlermeldungen produzieren sollte, wäre eine Übergangs­lösung gefragt. Sicherheitshalber erlaube ich mir darum schon jetzt den Hinweis: Der Versorgungs­auftrag muss Vorrang vor einem technischen System haben, das bei zahlreichen Fehlermeldungen nicht vertrauenswürdig wäre.

Doch zugleich bin ich zuversichtlich, dass sich diese Frage nicht stellen wird. Denn die verifizierungspflichtigen Packungen entstehen erst nach dem Stichtag und werden daher erst langsam in den Apotheken ankommen. Damit bleibt auch nach dem Stichtag zumindest etwas Zeit für die letzten, vermutlich entscheidenden Tests unter Realbedingungen.

Bei allem Optimismus bleibt allerdings die Frage, wofür das alles gut ist. Klare Vertriebswege und überschaubare Strukturen wären als Schutz vor Fälschungen wohl mindestens ebenso wirksam, aber viel billiger. Doch der Zeitgeist sucht lieber nach einer digitalen als nach einer naheliegenden Antwort. Daher darf das Projekt immerhin auf die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit hoffen. Darum sollten sich alle Beteiligten nicht nur auf mögliche Pannen vorbereiten, sondern auch diese Gunst der Stunde nutzen. Apotheken sollten zeigen, wie digital sie schon lange und jetzt erst recht sind.

Thomas Müller-Bohn

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