Interpharm 2013

Apotheker dringend gesucht

(ks). Seit Jahresbeginn läuft in Deutschland ein Projekt zur Arzneimittelsicherheit: securPharm. Entsprechend der Vorgaben der EU-Fälschungsrichtlinie will dieses System davor schützen, dass gefälschte Arzneimittel in die legale Lieferkette gelangen. An der Initiative beteiligt sind Verbände der pharmazeutischen Unternehmen, Großhändler und der Apotheken. Nun gilt es Erfahrungen zu sammeln – möglichst viele Arzneimittelpackungen unterschiedlicher Hersteller sollen dafür über zahlreiche HV-Tische zum Patienten gelangen. 150 Apotheken beteiligen sich bereits – doch es werden dringend noch mehr gesucht.
Über die Notwendigkeit von securPharm herrschte Einigkeit Dr. Reinhard Hoferichter (securPharm), Lothar Jenne (Großhandlung Max Jenne), Moderator Dr. Thomas Müller-Bohn, Dr. Martin Weiser (BAH) und Dr. Peter Homann (Hessischer Apothekerverband) (v. l. n. r.).

In der Europäischen Union hat man vor einigen Jahren ein Problem wahrgenommen, das zuvor lediglich in weniger entwickelten Ländern zu existieren schien: Gefälschte Arzneimittel gelten mittlerweile als weltweit wachsendes Risiko. Daher hat die EU 2011 mit der Richtlinie 2011/62/EU einen Katalog von Maßnahmen vorgegeben, mit denen das Eindringen von Fälschungen in die legale Lieferkette verhindert werden soll. Mit der im Herbst 2012 verabschiedeten AMG-Novelle hat der deutsche Gesetzgeber diese Richtlinie in nationales Recht umgesetzt. Doch bevor die Echtheitsprüfung von Arzneimitteln flächendeckend in Europa eingeführt werden kann, muss die Europäische Kommission noch weitere Details zu den notwendigen Sicherheitsmerkmalen regeln. Dies wird über sogenannte delegierte Rechtsakte geschehen.

Praxis-Modell soll Theoretiker überzeugen

Und genau hier setzt securPharm ein. Hersteller, Großhändler und Apotheker haben die Befürchtung, dass die Kommission wenig praktikable Entscheidungen treffen könnte, wenn sie keine Unterstützung aus der Praxis bekommt: "Wir wollen kein System, das uns von Theoretikern übergestülpt wird", betonte Lothar Jenne von der Max Jenne Arneimittel-Großhandlung KG, bei einer Diskussionsrunde auf der Wirtschafts-Interpharm zum Thema securPharm. Die deutschen Verbände wollen daher eine Lösung aus der Praxis entwickeln und für diese bei der Kommission werben.

Jenne erläuterte das securPharm-System: Die Arzneimittelpackungen erhalten eine randomisierte Seriennummer und einen Data-Matrix-Code aufgedruckt. Damit gebe es einen doppelten Schlüssel – ganz ähnlich wie Magnetstreifen und PIN bei der Geldkarte. Die Codierung zeige nicht nur, ob es sich um Originalware handelt – auch Charge und Verfall werden mit ihrem Scan direkt sichtbar. Daraus ergebe sich nicht nur mehr Patientensicherheit, sondern auch eine gewisse Rationalisierung für die Apotheke. Zudem gibt es Siegel, die vor einem unbefugten Öffnen der Packungen schützen soll. Zu Prüfzwecken kann das Präparat in der Apotheke dennoch geöffnet werden – dann muss dies begründet und die Packung mit einem neuen Siegel versehen werden.

Kaum Mehraufwand und -kosten

Moderator und DAZ-Redaktionsmitglied Thomas Müller-Bohn äußerte Befürchtungen, das neue System könnte im Apothekenalltag ein zusätzliches Hindernis im Kontakt zum Patienten sein. Doch diese zerstreute Dr. Reinhard Hoferichter von Sanofi-Aventis und Sprecher des securPharm-Vorstands. Das Scannen des neuen Data-Matrix-Codes gehe schnell und problemlos; für die Patienten werde sich am Ablauf kaum etwas ändern. Anders wäre es nur, sollte tatsächlich eine potenzielle Fälschung entdeckt werden. Dann ist in der Apotheke besonnen zu reagieren und zu erklären, dass mit dieser speziellen Packung etwas nicht in Ordnung ist. Zudem: securPharm hat nicht zuletzt den Zweck, in seiner Projektphase Schwächen in der Praxis aufzuspüren, diese mitzuteilen und zu beheben. Dr. Peter Homann, Vorsitzender des Hessischen Apothekerverbands, setzt darauf, dass auch die Softwarehäuser den Apotheken keine Probleme machen werden. Er ist überzeugt, dass sie sich ihrer Pflicht bewusst sind, zum 1. Januar 2017 ein funktionierendes System bereithalten zu müssen. Auch Kosten brauchen die Apotheken den securPharm-Beteiligten zufolge nicht zu befürchten. Rund 700 Millionen Rx-Arzneimittel gebe es im deutschen Markt, erklärte Hoferichter. Ein Arzneimittel werde rund 3 bis 5 Cent teurer. Das meiste davon trage die Industrie. Die genauen Kosten, so sagte Jenne, werde man allerdings erst kennen, wenn die delegierten Rechtsakte der EU erlassen sind.


Welche Arzneimittel werden verifiziert?

Damit das neue Verifizierungssystem für den Großhandel nicht zu ausufernd wird, spricht sich sein Bundesverband Phagro dafür aus, nur solche Arzneimittel zu prüfen, die er nicht direkt vom Hersteller bezieht. Laut Jenne sind dies rund 5 Prozent der Packungen. Neben der Ware anderer Händler wären danach nur noch Retouren der Apotheken zu verifizieren. Grundsätzlich gilt das neue Sicherheitssystem auch nur für verschreibungspflichtige Arzneimittel. Ausnahmen wird es jedoch in beiden Richtungen geben. Die Europäische Kommission arbeitet sowohl an einer White List, die von der Prüfpflicht ausgenommene Rx-Arzneien beinhalten wird, als auch an einer Black List mit OTC-Präparaten, die zu verifizieren sein werden. Dagegen gibt es Widerstand aus der Generika-Industrie, die meint, ihre Präparate seien größtenteils nicht lukrativ genug, um gefälscht zu werden. Der ursprüngliche Projektpartner Pro Generika ist bereits aus securPharm ausgestiegen. Seit Kurzem ist allerdings klar, dass Fälscher offenbar auch nicht vor preisgünstigen Medikamenten wie Omeprazol haltmachen. Das werde auch die EU-Kommission nicht außer Acht lassen, wenn sie weitere Details regelt, meint Martin Weiser, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Arzneimittel-Hersteller (BAH). Er rechnet damit, dass es am Ende auch für Generika nur wenige Ausnahmen von der Verifizierungspflicht geben wird. Da im aktuellen Omeprazol-Fall die Ware offenbar vom sogenannten Spotmarkt kam, hätte sie mit dem neuen System beim Großhändler ausgemacht werden können. Homann räumte überdies ein, dass Arzneimittel-Fälschungen vor allem aus illegalen Kanälen kommen. Und diese werde man auch mit dem neuen Sicherheitssystem nicht in den Griff bekommen. Dennoch ist er überzeugt: "Jeder Einsatz für mehr Sicherheit ist verhältnismäßig."

Keine Furcht vor Konkurrenz-Projekten

Auch sehen die Beteiligten der Initiative keine Gefahr, dass ernsthafte Konkurrenz zum eigenen Modell auf den Plan treten könnte. "Wir sind das einzige Land in Europa mit einem Projekt zur Umsetzung", betonte Weiser. Und man sei in guten Gesprächen mit Brüssel. Zwar gebe es "interessierte Kreise", die ein zentrales System anderer Art anstreben. Doch dem gibt der BAH-Geschäftsführer keine großen Chancen, da diese weniger Wettbewerb böten und zudem nicht mit Praxiserfahrungen aufwarten könnten. Zudem meinen die Verbände, in Sachen Datenschutz besonders gut aufgestellt zu sein. Denn in Deutschland laufen die Daten der Industrie und der Apotheken getrennt. Bei securPharm werden sie auch erst in dem Moment zusammengeführt, wenn ein Fälschungsverdacht aufkommt.

Am Ende der Diskussionsrunde stand vor allem der Appell an die Apotheken, sich an dem Projekt zu beteiligen. "Wir brauchen Sie dringend, damit wir Erfahrungen sammeln können", so Weiser. Eingeführt wird das neue System 2017 ohnehin – entziehen könne sich niemand. Gelockt wird derzeit mit einer Kostenbeteiligung bei der Anschaffung der Scanner. 50 Euro pro Scanner (maximal zwei) werden den ersten 500 Teilnehmern erstattet, sobald sie die erste Arzneimittelpackung abgegeben haben, die am Projekt teilnimmt. Auch weitere Softwarehäuser werden in der Modellphase noch gesucht. Bislang eignen sich einzelne Systeme von fünf Sofwarehäusern für die Projektteilnahme. Aber es müssen auch mehr Packungen werden, am besten Schnelldreher, so Homann. Bisher gibt es seitens der Industrie 25 beteiligte Unternehmen – davon machen jedoch nur zwei in nennenswertem Umfang mit. Insgesamt sind bisher 85 Pharmazentralnummern für das Projekt verzeichnet.



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