Arzneimittel und Therapie

Das Pankreaskarzinom – ein Wolf im Schafspelz

Inzidenz entspricht nahezu der Mortalität

Krebserkrankungen der Bauch­speicheldrüse sind aggressiv und tückisch. Sie werden meist spät entdeckt, da sie zunächst kaum oder nur unspezifische Beschwerden hervorrufen und durch Vorsorgeuntersuchungen nicht erkannt werden. Eine operative Entfernung des Malignoms ist meist nicht durchführbar. Mehrheitlich ist lediglich eine palliative Chemotherapie möglich.
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Pro Jahr erkranken etwa 17.000 Menschen in Deutschland an einem Pankreaskarzinom. Die Erkrankungsrate ist in den vergangenen Jahren leicht gestiegen, vornehmlich bei Frauen und in der Altersgruppe der über 65-Jährigen. Das mittlere Erkrankungsalter liegt für Männer bei 72, für Frauen bei 75 Jahren. Maligne Tumore der Bauchspeicheldrüse machen rund 3% aller Krebserkrankungen in Deutschland aus, und Pankreaskarzinome stehen bei Frauen an sechster, bei Männern an zehnter Stelle der häufigsten, neu aufgetretenen Krebserkrankungen. Bauchspeicheldrüsenkrebs gehört zu den Malignomen mit der höchsten krebsspezifischen Mortalität. Die relative Fünf-Jahres-Überlebensrate liegt in Deutschland bei 9 bis 10%. Das Pankreaskarzinom weist die niedrigsten Überlebensraten unter allen Krebserkrankungen auf und ist derzeit die vierthäufigste Krebstodesursache. Prognostischen Schätzungen zufolge wird das Pankreaskarzinom 2030 in den USA die zweithäufigste Krebstodesursache sein [1, 5].

Den derzeitigen pathogenetischen Vorstellungen zufolge führt die sequen­zielle Akquisition von Mutationen und anderen genetischen Aberrationen zur malignen Transformation duktaler Epithelzellen im Pankreas. Diese präkanzerösen Vorstufen entarten dann zum invasiven und metastasierenden Karzinom. Häufigste genetische Aberrationen sind Mutationen im KRAS-Onkogen, die bei den meisten Patienten nachgewiesen werden, sowie die Inaktivierung verschiedener Tumorsuppressorgene. Weiteren Einfluss haben Stroma und die immunologische Regulation. Das Pankreaskarzinom ist nicht als eine Tumorentität zu betrachten, sondern umfasst molekular definierte Subtypen. Es kann in jedem Bereich des Organs auftreten. Am häufigsten betroffen ist der Kopfanteil der Bauchspeicheldrüse, Entartungen am Korpus und Pankreasschwanz sind seltener.

Die Erstdiagnose erfolgt anhand der Anamnese und klinischen Untersuchung, hinzukommen Sonografie, Endosonografie und Computertomografie des Abdomens, Biopsie und gegebenenfalls die Bestimmung von Tumormarkern im peripheren Blut. Die Klassifikation erfolgt auf der Basis der TNM-Kriterien, die Stadieneinteilung nach dem American Joint Committee on Cancer [2, 6].

Bauchschmerzen, Rücken­beschwerden und Diabetes

Bösartige Neubildungen der Bauchspeicheldrüse verursachen in frühen Stadien oft keine oder nur unspezifische Symptome, sodass der Tumor häufig erst in einem bereits fortgeschrittenen Stadium erkannt wird. Mögliche erste Anzeichen sind Schmerzen im Epigastrium – der Bauchregion zwischen Rippenbogen und Bauchnabel – mit Ausstrahlung in den Rücken (vor allem beim Pankreaskopfkarzinom) und ein neu diagnostizierter oder sich verschlechternder Diabetes mellitus. Weitere mögliche Symptome sind ein Verschlussikterus mit dunkelgelbem bis braunem Urin, Gelbfärbung der Haut, eine vergrößerte Gallenblase, Pruritus, Diarrhö, Steatorrhö und abdominelle Beschwerden (Appetitlosigkeit, Völlegefühl, Meteorismus). Ferner können allgemeine Symptome wie eine ungewollte Gewichtsabnahme und Glucose-Intoleranz sowie paraneoplastische Syndrome (z. B. Thrombophilie, Thrombophlebitis migrans) auftreten. Weitere Symptome aufgrund von Metastasen sind Leberinsuffizienz bei fortgeschrittener Lebermetastasierung, Husten und Dyspnö bei pulmonaler und/oder pleuraler Metastasierung, Aszites bei Peritonealmetastasen, Knochenschmerzen bei Skelettmetastasen oder neurologische Symptome bei zerebraler Metastasierung [3, 4].

Lebensstil beeinflusst Risiko

Als gesicherte Risikofaktoren für die Entstehung eines Pankreaskarzinoms gelten unter anderem Zigaretten- und Alkoholkonsum sowie Adipositas (s. Tabelle) [3, 5]. Der Verzicht auf Tabak, nur mäßiger Alkoholkonsum, das Vermeiden von Übergewicht und genügend Bewegung sind somit sinnvolle Vorsorgemaßnahmen. Diätetische oder medikamentöse Primärmaßnahmen sind nicht bekannt. Geeignete Früherkennungsmaßnahmen fehlen.

Tab.: Risikofaktoren [3, 5]
gesicherte Risikofaktoren
mögliche Risikofaktoren
  • Rauchen, aktiv und passiv
  • hoher Alkoholkonsum
  • Diabetes mellitus Typ 2
  • Adipositas, Übergewicht
  • chronische Pankreatitis
  • bestimmte genetische Krankheits­bilder und familiäre Belastung (2 bis 3% der Neuerkrankungen)
  • sehr häufiger Verzehr verarbeiteter Fleischwaren
  • Umweltfaktoren oder beruflich bedingte Schadstoffbelastungen

Operation selten möglich

Der einzige kurative Ansatz ist die radikale Entfernung des Karzinoms, was aber nur in wenigen Fällen möglich ist, da zum Zeitpunkt der Erstdiagnose nur bei 15 bis 20% der Betroffenen eine resektable Erkrankung vorliegt. Weitere 15 bis 20% der Betroffenen leiden an einem nicht resektablen, nicht metastasierten Tumor, der bei manchen Patienten durch eine neoadjuvante Chemotherapie in einen operablen Zustand überführt werden kann. Wird der Tumor chirurgisch entfernt, folgt eine adjuvante Chemotherapie, die sich nach dem Allgemeinzustand des Patienten richtet. Diese verlängert sowohl das krankheitsfreie Überleben wie auch die Gesamtüberlebenszeit. Neuer Standard bei Patienten mit gutem Allgemeinzustand ist ein modifiziertes FOLFIRINOX-Schema (s. Kasten). Ferner werden Gemcitabin, 5-Fluorouracil/Folinsäure sowie eine Kombination aus Gemcitabin und Capecitabin eingesetzt [3].

Neuer Standard in der adjuvanten Therapie

Nachdem Patienten mit metastasiertem Pankreaskarzinom von einer Erstlinientherapie mit FOLFIRINOX (Kombination von Fluorouracil, Folinsäure, Irinotecan und Oxaliplatin) profitierten, wurde ein modifiziertes FOLFIRINOX-Schema – ohne Fluoro­uracil-Bolusapplikation – auch als Behandlungsoption in der adjuvanten Therapie untersucht. Die Ende 2018 veröffentlichte Publikation einer multi­zentrischen, randomisierten Phase-III-Studie beruht auf den Daten von knapp 500 Patienten, die nach chirurgischer Entfernung eines duktalen Adenokarzinoms des Pankreas entweder modifiziertes FOLFIRINOX oder Gemcitabin erhielten. Modifiziertes FOLFIRINOX führte bei Patienten mit einem sehr guten und guten Allgemeinzustand gegenüber einer Gemcitabin-Monotherapie zu einer Verbesserung des krankheitsfreien Überlebens auf 21,6 Monate (Hazard Ratio [HR] 0,58; 95%-Konfidenzintervall [KI] 0,46 bis 0,73) – ein Plus von 8,8 Monaten im Vergleich zu Gemcitabin. Das Gesamtüberleben betrug 54,4 Monate (HR 0,64; 95%-KI 0,48 bis 0,86) – ein Plus von 19,4 Monaten im Vergleich mit Gemcitabin. Schwerwiegende Nebenwirkungen von Grad 3 und 4 waren unter FOLFIRINOX erhöht (Diarrhö, sensorische Poly­neuropathie, Fatigue, Erbrechen und Mukositis) [7].

Palliative Therapie

Ist die Erkrankung fortgeschritten – was bei der Mehrzahl der Patienten der Fall ist – erfolgt eine palliative Chemotherapie (eventuell auch Strahlentherapie), mit der eine Verlängerung der Überlebenszeit und eine Verbesserung der Lebensqualität erzielt werden können. In der Erstlinientherapie werden je nach Komorbiditäten und Allgemeinzustand Gemcitabin, die Kombination aus Gemcitabin und einer nanopartikulären Formulierung von Albumin-gebundenem Paclitaxel (nab-Paclitaxel; Abraxane®), eine Kombination von Fluorouracil, Folinsäure, Irinotecan und Oxaliplatin (FOLFIRINOX-Schema) oder Kombinationen mit Erlotinib (Tarceva®) ein­gesetzt. Der Gewinn der Überlebenszeit beträgt wenige Monate. Spricht die Erstlinientherapie nicht mehr an, kann in Abhängigkeit von Ansprechen und Toxizität vorangegangener Behandlungen eine Zweitlinientherapie erfolgen. Eingesetzt wird z. B. eine Kombination mit nanoliposomalem Irinotecan (Onivyde®); der Gewinn an Gesamtüberlebenszeit liegt wiederum nur bei wenigen Wochen bis Monaten. Immuntherapien spielen derzeit noch keine Rolle. Das Hauptaugenmerk im fortgeschrittenen Tumorstadium sollte auf der frühzeitigen palliativen Behandlung liegen, um krankheitsspezifische Symptome wie Schmerzen, Kachexie, die tumorbedingte Chole­stase, venöse Thromboembolien und eine Peritonealkarzinose mit symptomatischem Aszites lindern zu können [3]. |

Quelle

[1] Kindler A. A Glimmer of Hope for Pancreatic Cancer. N Engl J Med 2018;379(25):2463-4

[2] Voigtländer T et al. Diagnostik bei Pankreas- und Cholangiokarzinomen. Der Onkologe 11/2015; DOI:10.1007/s00761-015-2928-y

[3] Pankreaskarzinom. www.onkopedia.com; Abruf am 10. Januar 2019

[4] National Comprehensive Cancer Network (NCCN) Clinical Practice Guidelines in Oncology: Pancreatic Adenocarcinoma. Version 2.2017, 2017. www.nccn.org; Abruf am 10. Januar 2019

[5] Bauchspeicheldrüsenkrebs (Pankreaskarzinom). Zentrum für Krebsregisterdaten. Stand: 06. Dezember 2017. www.krebsdaten.de; Abruf am 10. Januar 2019

[6] Berger D et al. Das Rote Buch: Hämatologie und Internistische Onkologie. 6. Aufl. Ecomed Verlag 2017

[7] Conroy T e al. FOLFIRINOX or Gemcitabine as Adjuvant Therapy for Pancreatic Cancer. N Engl J Med 2018;379(25):2395-406

Apothekerin Dr. Petra Jungmayr

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