Arzneimittel und Therapie

Gastrointestinale Tumoren: Neue Therapieoptionen mit Oxaliplatin

Beim metastasierten kolorektalen Karzinom konnte in den vergangenen Jahren durch die Einführung neuer Chemotherapeutika ein deutlicher Zugewinn an Überlebenszeit für die Patienten erreicht werden. Das Platinderivat Oxaliplatin spielt dabei eine maßgebliche Rolle. Vielversprechende neue Studienergebnisse zeigen, dass sich mit der Substanz in der adjuvanten Therapie das kurative Potenzial erhöhen lässt. Zudem ergeben sich mit diesem Zytostatikum neue Therapieoptionen beim fortgeschrittenen Magen- sowie Pankreaskarzinom.

Kolonkarzinom: Therapiechancen steigen …

Das Kolonkarzinom gehört zu den häufigsten malignen Erkrankungen in Deutschland. Jährlich kommt es zu mehr als 50 000 neuen Fällen an Dickdarmkrebs. Bei Frauen stellt er nach dem Brustkrebs die zweithäufigste Tumorneuerkrankung dar, bei Männern steht er nach Lungenkrebs und Prostatakarzinom an dritter Stelle.

Das individuelle Risiko, im Laufe des Lebens Dickdarmkrebs zu entwickeln, beträgt etwa 6%. Eine wesentliche Rolle bei der Tumorentstehung spielen offenbar Lebensgewohnheiten, familiäre Disposition sowie das Alter. So steigt die Inzidenz mit zunehmendem Alter; Männer sind zum Zeitpunkt der Diagnose durchschnittlich 67 Jahre, Frauen 72 Jahre alt.

Bei 10 bis 15% der Betroffenen liegt eine erbliche Komponente vor. Einen Einfluss auf die Entstehung von Darmkrebs scheint die Ernährung zu haben: Eine ballaststoffarme, fett- und fleischreiche Kost erhöht das Risiko.

Bis vor ungefähr 10 Jahren wurde die Prognose dieser Tumorentität äußerst schlecht beurteilt. Unbehandelt beträgt die mittlere Überlebenszeit circa fünf Monate. In den vergangenen Jahren sind jedoch die Möglichkeiten der adjuvanten und palliativen Chemotherapie vielfältiger geworden.

Einen entscheidenden Einfluss auf den therapeutischen Fortschritt hat Oxaliplatin. Nachdem das Platinderivat den früheren Therapiestandard in Form der 5-Fluorouracil(5-FU)-Monotherapie erweitert hatte, stieg die Ansprechrate auf rund 50%. Auch das progressionsfreie Überleben wurde damit deutlich verlängert. Oxaliplatin wird seit circa vier Jahren vor allem zur palliativen Behandlung des metastasierenden Kolonkarzinoms eingesetzt.

Eine vor kurzem abgeschlossene Studie zeigte auch einen Vorteil der Kombination von 5-Fluorouracil/Folinsäure (5-FU/FS) und Oxaliplatin (so genanntes FOLFOX-Schema) im Vergleich zur Kombination von 5-FU/FS und Irinotecan (sogenanntes IFL-Regime). Es ergab sich eine Überlebenszeitverlängerung von rund 5 Monaten (19,5 vs. 14,8 Monate) bei gleichzeitig besserer Verträglichkeit.

… nun auch in der Adjuvanz

Ausgehend von diesen Daten wurde in einer großen multizentrischen Phase-III-Vergleichsstudie der Einsatz von Oxaliplatin in der adjuvanten Therapie untersucht. Insgesamt wurden in die MOSAIC-Studie 2246 Darmkrebspatienten im Stadium II und III jeweils nach kompletter Tumorresektion eingeschlossen.

In einem Studienarm erhielten die Patienten die Standardtherapie mit 5-FU/FS, im anderen Arm diese plus Oxaliplatin (FOLFOX-Protokoll). Nach 3-jähriger Beobachtungszeit ergab sich für das FOLFOX-Regime eine signifikante Reduktion der Rückfallrate um 23% gegenüber der Standardtherapie (krankheitsfreies Überleben nach drei Jahren: 77,9% vs. 72,8%) (siehe Abbildung).

Die Kombinationstherapie überzeugt auch durch ihre Verträglichkeit. Insbesondere sensorische Neuropathien traten nur bei 12,4% der Patienten auf und bildeten sich in den meisten Fällen rasch zurück. Mit den Ergebnissen der MOSAIC-Studie ist also auch unter adjuvanten Bedingungen eine Oxaliplatin-Kombination der Standardtherapie eindeutig überlegen.

Experten sprechen angesichts dieser Daten von einer ersten weitreichenden Verbesserung der adjuvanten Chemotherapie des Kolonkarzinoms seit 13 Jahren.

Die Forschung geht weiter

In der Weiterentwicklung palliativer wie auch adjuvanter Therapieprotokolle des kolorektalen Karzinoms stehen seit einiger Zeit die oralen Fluoropyrimidine im Blickpunkt. So wird z. B. geprüft, inwieweit Capecitabin, der erste orale und tumorselektive Wirkstoff aus dieser Gruppe, das infusionale 5-FU/FS in der Kombination mit Oxaliplatin ersetzen kann.

Zunehmendes Interesse erfahren inzwischen molekulare Ansätze in der Therapie des kolorektalen Karzinoms. Aktuelle Strategien sind z. B. der Einsatz des gegen den Epidermal Growth Factor (EGF)-Rezeptor gerichteten Antikörpers Cetuximab (Erbitux®) oder die Hemmung der Tyrosinkinaseaktivität des EGF-Rezeptors (z. B. Gefitinib, Iressa®) sowie Konzepte zur Angiogenesehemmung.

Pankreaskarzinom: Fortschritte im Kleinen

Das Pankreaskarzinom stellt in den westlichen Industrienationen die viert- bis fünfthäufigste Todesursache dar. Jedes Jahr erkranken in Deutschland 8000 bis 10000 Patienten neu an diesem Tumor. Inzidenz- und Mortalitätsrate liegen relativ nahe beieinander, da es sich beim Pankreaskarzinom um eine hochmaligne Erkrankung handelt.

Frühsymptome äußern sich in Schmerz und Ikterus; onkologisch handelt es sich dabei aber schon um Spätsymptome. Der Tumor wächst sehr schnell. Ein Screening ist daher nicht möglich. Das Pankreaskarzinom ist ein hochresistenter Tumor, der bis vor 10 Jahren als nicht behandelbar galt.

Inzwischen ließen sich – wenn auch nur marginale – Fortschritte erzielen. Die Therapie hat vor allem eine Krankheitsstabilisierung, also eine Verlängerung des Überlebens, sowie eine Verbesserung der Lebensqualität durch Symptomlinderung zum Ziel.

In der Behandlung des metastasierten Pankreaskarzinoms gilt Gemcitabin derzeit als der etablierte Chemotherapiestandard. Unter einer Gemcitabin-Monotherapie liegt die mediane Überlebenszeit bei 5 bis 6 Monaten gegenüber 3 bis 4 Monaten unter rein supportiven Maßnahmen. Das 1-Jahres-Überleben, das unter 5-FU nur bei 2% lag, konnte mit Gemcitabin auf immerhin 18% gesteigert werden.

Um die therapeutische Effektivität weiter zu erhöhen, wurden verschiedene Kombinationstherapien getestet. Die so genannte GEMOX-Studie vergleicht eine Gemcitabin-Monotherapie mit der Kombination aus Gemcitabin und Oxaliplatin. Hinsichtlich Remissionsrate (25,8% vs. 16,1%) und progressionsfreier Zeit (6,3 vs. 4 Monate) ergeben sich signifikante Vorteile für die Kombination.

Auch die klinische Benefitrate, die den Allgemeinzustand, die Lebensqualität und die Verminderung von Schmerzen umfasst, ist bei der Kombination höher (39,2% vs. 28,3%). Allerdings liegen bisher noch keine Überlebensdaten vor.

Magenkarzinom: neue Therapieprotokolle notwendig

Der Dichter Theodor Storm starb 1880 an einem Magenkarzinom. Es war im 19. Jahrhundert die führende krebsbedingte Todesursache in Deutschland. Während das klassische Magenkarzinom, das die mittleren bis unteren Magenabschnitte betrifft, mittlerweile seltener geworden ist, beobachtet man seit einigen Jahrzehnten eine Zunahme der kardianahen Adenokarzinome.

Oft wird das Magenkarzinom erst im fortgeschrittenen Stadium erkannt, zu 50% liegen bei der Diagnose schon Metastasen vor. Die Prognose ist dann sehr ungünstig. Die mediane Überlebenszeit beträgt unbehandelt 4 bis 5 Monate. An Therapieverbesserungen besteht also dringender Bedarf.

Als gesichert gilt, dass eine palliative Chemotherapie die Überlebenszeit gegenüber einer rein supportiven Behandlung verlängern kann. Es wird immer deutlicher, dass auch beim Magenkarzinom eine Oxaliplatin-haltige Kombinationstherapie effektiv ist.

In mehreren Studien ergaben sich mit dem Einsatz von Oxaliplatin plus 5-FU/FS Ansprechraten von über 40% und Gesamtüberlebenszeiten von ca. 9 Monaten. Gegenüber Cisplatin-haltigen Therapieprotokollen erweist sich Oxaliplatin als verträglicher; Haarausfall, Erbrechen und Nephrotoxizität spielen kaum eine Rolle.

Experten sehen zunehmende Evidenz dafür, dass Oxaliplatin die aktivste verfügbare Substanz zur Behandlung des Magenkarzinoms sein könnte und somit als Therapiestandard geeignet wäre.

Quellen

Dr. Peter Reichardt, Berlin; Dr. Florian Lordick, München; Priv.-Doz. Dr. Volker Heinemann, München: Fachpressekonferenz "Oxaliplatin – Neue Perspektiven in der Therapie gastrointestinaler Tumore", Basel, 6. Oktober 2003, im Rahmen der Gemeinsamen Jahrestagung der Deutschen, Österreichischen und Schweizerischen Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie, veranstaltet von der Sanofi-Synthelabo GmbH, Berlin. Schmoll, H.-J. (Hrsg): Oxaliplatin (Eloxatin®). Fortschritte in der Tumortherapie 2003. Onkologie 26, 2–10 (2003). Louvet, C.; et al.: Phase II Study of Oxaliplatin, Fluorouracil, and Folinic Acid in Locally Advanced of Metastatic Gastric Cancer Patients. J. Clin. Oncology. 20, 4543–4548 (2002). Seufferlein, T.; et al.: Multimodale Therapiekonzepte beim Kolonkarzinom. Internist 44, 322–35 (2003). Köhne, C.-H.: Systemische Chemotherapie des metastasierten Kolonkarzinoms. Onkol. 1/2003. Deutsche Krebshilfe: Die blauen Ratgeber 6: Darmkrebs, Ausgabe 7/2003. Mitteilung der Firma ScheBo® Biotech AG, Gießen, September 2003.

Beim metastasierten kolorektalen Karzinom konnte in den vergangenen Jahren durch die Einführung neuer Chemotherapeutika ein deutlicher Zugewinn an Überlebenszeit für die Patienten erreicht werden. Oxaliplatin spielt dabei eine maßgebliche Rolle, wie neue Studienergebnisse zeigen. Zudem ergeben sich mit diesem Zytostatikum neue Therapieoptionen beim fortgeschrittenen Magen- sowie Pankreaskarzinom. 

Platinderivat Oxaliplatin Oxaliplatin ist ein Platinanalogon der dritten Generation. Es induziert durch eine Quervernetzung der DNA Apoptose. Der Wirkmechanismus unterscheidet sich gegenüber Cisplatin und Carboplatin in der Kinetik der Bildung von Platin-DNA-Addukten und in deren sterischer Konfiguration. Im Gegensatz zu Cisplatin ist Oxaliplatin nicht nephrotoxisch.

Die wichtigste, dosislimitierende Nebenwirkung stellen neuropathische Symptome dar. Zugelassen ist Oxaliplatin (Eloxatin®) zur Erstbehandlung des metastasierten Dickdarm-/Mastdarmkrebs in Kombination mit 5-Fluorouracil und Folinsäure.

Für Darmkrebs typische Symptome

  • Veränderte Stuhlgewohnheiten (z.B. Wechsel zwischen Durchfall und Verstopfung)
  • Blutauflagerungen auf dem Stuhl
  • Neu auftretende krampfartige Bauchschmerzen
  • Spastisch schmerzhafter Stuhldrang
  • Eisenmangelanämie (aufgrund unbemerkter Sickerblutungen)
  • Unklare Gewichtsabnahme und Kräfteverfall (meist erst im fortgeschrittenen Stadium)

Neuer Enzymtest zur Darmkrebs-Frühdiagnose Ein neuer Darmkrebs-Früherkennungstest soll wesentlich spezifischer Kolonkarzinome nachweisen als herkömmliche unspezifische Tests zur Stuhlblutbestimmung mittels der Guaiak-Methode. Der ScheBo®Tumor M2-PK™-Stuhltest weist einen Tumormarker – die tumorspezifische Form der Pyruvatkinase – nach. Dieser Enzymtest der Firma Schebo Biotech AG erreicht eine Sensitivität von 85%. Der Test kann rezeptfrei in der Apotheke abgegeben werden.

Früherkennung ist entscheidend

Da Darmkrebs bei frühzeitiger Diagnose zu 90% heilbar ist, haben Früherkennungsuntersuchungen große Bedeutung. Seit Oktober 2002 sind diese gesetzlich neu geregelt:

  • 50. bis 55. Lebensjahr: einmal pro Jahr Test auf okkultes Blut im Stuhl
  • ab 56. Lebensjahr: Koloskopie als Basisuntersuchung
  • zweite Darmspiegelung frühestens 10 Jahre nach erster Koloskopie

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.