Arzneimittel und Therapie

Mit Vitaminen gegen Autismus?

Einnahme in der Schwangerschaft könnte Risiko bei familiärer Vorbelastung reduzieren

cst | Eine ausreichende Zufuhr an Mikronährstoffen in der Schwangerschaft ist für die normale Entwicklung des Kindes im Mutterleib essenziell. Bei einem Folsäure-Mangel beispielsweise drohen schwere Fehlbildungen. Doch können Vit­amin-Präparate auch das Risiko für eine Autismusdiagnose verringern? Die Ergebnisse einer aktuellen Untersuchung legen dies nahe.

Autismus-Spektrum-Störungen treten in Familien gehäuft auf. Ist ein Kind von der Entwicklungsstörung betroffen, so haben dessen Geschwister im Vergleich zur Normalbevölkerung ein um das 12-Fache erhöhte Risiko, ebenfalls eine Autismusdiagnose zu erhalten. Im Rahmen einer prospektiven Kohortenstudie wurde nun untersucht, ob die Einnahme von Vitamin-Präpa­raten während der Schwangerschaft dieses Risiko reduzieren könnte.

Dazu wurden insgesamt 305 Mütter von Kindern mit einer Autismus-Spektrum-Störung vor und während einer erneuten Schwangerschaft monatlich telefonisch zur Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln befragt. Im Alter von drei Jahren wurden die Nachkommen dann klinisch auf das Vorliegen einer Autismus-Spektrum-Störung untersucht. Berücksichtigt wurden die Daten aus 241 Schwangerschaften.

Foto: Tanya Rozhnovskaya – stock.adobe.com
Sinnvolle Nahrungsergänzung Folsäure und Iod sollten während einer Schwangerschaft generell supplementiert werden. Empfohlen wird, mit der Einnahme von Folsäure bereits präkonzeptionell zu beginnen und diese bis zum Ende des ersten Trimenons fortzuführen. Bei unzureichender Versorgung ist zudem eine Nahrungsergänzung mit Eisen, Omega-3-Fettsäuren und Vitamin B12 sinnvoll.

Weniger Autismusdiagnosen

Dabei zeigte sich, dass eine Autismusdiagnose bei Kindern, deren Mütter im ersten Monat der Schwangerschaft Vitamin-Präparate eingenommen hatten, seltener war. So wurde bei 18 von 128 Kindern (14,1%) eine Autismus-Spektrum-Störung diagnostiziert, während die Prävalenz bei Kindern, deren Mütter in diesem Zeitraum keine Vitamin-Präparate eingenommen hatten, bei 32,7% (37 von 113 Kindern) lag. Da die Frauen, die früh­zeitig in der Schwangerschaft auf Vitamin-Präparate zurückgegriffen hatten, über ein höheres Bildungs­niveau verfügten und sich auch in weiteren Punkten wie dem Krankenversicherungsstatus von den anderen Frauen unterschieden, wurden diese Faktoren in der statistischen Auswertung berücksichtigt. Daraus ergab sich ein adjustiertes Risikoverhältnis von 0,50 (95%-Konfidenzintervall 0,30 bis 0,81), die Einnahme von Vitamin-Präparaten im ersten Monat der Schwangerschaft war also mit ­einem um die Hälfte verringerten Risiko für eine Autismus-Spektrum-Störung assoziiert.

Geringeres Risiko bei höherer Folsäure-Zufuhr

Welcher Mikronährstoff für die beobachteten Effekte verantwortlich sein könnte, wurde in der Studie nicht genauer untersucht. Analysiert wurde jedoch, ob sich höhere Dosierungen von Folsäure und Eisen positiv aus­wirken. So war das Risiko für eine Autismusdiagnose bei einer Folsäure-Supplementation von ≥ 600  µg pro Tag niedriger als bei Einnahme geringerer Mengen. Bei einer überdurchschnitt­lichen Eisen-Zufuhr von ≥ 27 mg war der Effekt hingegen nicht signifikant.

Ein kausaler Zusammenhang kann aus dieser Beobachtungsstudie allerdings nicht abgeleitet werden. Für konkrete Empfehlungen ist es nach Einschätzung der Studienautoren ebenfalls noch zu früh. Weitere Untersuchungen müssen zeigen, ob und in welchen Dosierungen einzelne Mikronährstoffe das Risiko für eine Autismusdiagnose bei einer familiären Vorbelastung tatsächlich senken können. |

Quelle

Schmidt RJ et al. Association of Maternal Prenatal Vitamin Use With Risk for Autism Spectrum Disorder Recurrence in Young Siblings. JAMA Psychiatry 2019; doi:10.1001/jamapsychiatry.2018.3901

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