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FDA und EMA schätzen das Krebsrisiko

Welche Auswirkungen hat die Valsartan-Verunreinigung NDMA?

jb/dm | Im Fall der verunreinigten Blutdrucksenker melden sich nun auch zwei bedeutende Arzneimittelbehörden zu Wort. Sowohl die US-amerikanische als auch die europä­ische Aufsichtsbehörde haben nacheinander Zahlen veröffentlicht, die das Krebsrisiko durch NDMA in Valsartan-Präparaten beziffern sollen. Dabei sind die Schätzwerte auf den zweiten Blick fast ähnlich.

Welches Risiko geht von NDMA im Valsartan des chinesischen Wirk­stoffherstellers Zhejiang Huahai Pharmaceuticals aus?

Die Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker (AMK) hatte vor zwei Wochen eine vorläufige Stellungnahme zum toxikologischen Risiko der NDMA-Verunreinigung in valsartanhaltigen Arzneimitteln abgegeben. Auf Basis der vom Zentrallaboratorium Deutscher Apotheker (ZL) in Stichproben gemessenen Werte und der daraus resultierenden Abschätzung der maximalen täglichen Belastung, hatte die AMK einen Risikoscore ermittelt, dessen Höhe als besorgniserregend einzustufen sei, wie es hieß. Weder die Berechnung noch der Score selbst waren schlagzeilentauglich, weil sie relativ komplex sind. Mit konkreten Angaben zum tatsächlichen Risiko hält sich die AMK bisher zurück.

Die US-amerikanische Food and Drug Administration verfolgt derweil eine andere Informationspolitik. In einer Mitteilung aus derselben Woche schreibt sie, dass eine tägliche Aufnahme der kanzerogenen Substanz NDMA von bis zu 96 ng für einen Menschen als relativ sicher erachtet wird. Eine Aufnahme dieser Größenordnung, zum Beispiel über die Nahrung, würde zu weniger als einem zusätzlichen Krebsfall pro 100.000 Menschen führen. Die AMK argumentiert dagegen, dass man bei genotoxischen und karzinogenen Substanzen nicht zweifelsfrei von einem Grenzwert ausgehen kann, unter dem eine Exposition unbedenklich ist. Diese Substanzen würden bereits in sehr kleinen Mengen das Risiko bergen, krebsauslösend zu wirken – wenn auch in dosismäßig geringem Ausmaß.

Weiter schreibt die FDA, man habe das Bedürfnis gehabt, das tatsächliche Risikopotenzial für Patienten, die stark belastete Valsartan-Präparate eingenommen haben, in einen Zusammenhang zu stellen. Schätzungen von FDA-Wissenschaftlern zufolge, tritt bei 8000 Patienten, die über einen Zeitraum von vier Jahren täglich 320 mg Valsartan eingenommen haben, ein zusätzlicher Krebsfall auf – also einem relativen jährlichen Risiko von 1:32.000 je Patientenjahr.

Knapp eine Woche später meldete sich auch die Europäische Arzneimittelagentur EMA zu Wort: NDMA käme sowohl in manchen Lebensmitteln als auch in Wasser vor, würde jedoch voraussichtlich keinen Schaden verursachen, wenn es in sehr geringen Mengen aufgenommen wird. Bezüglich des NDMA-Risikos in den zurückgerufenen Valsartan-Präparaten schätzt die EMA das Risiko auf Basis vorläufiger Auswertungen wie folgt ein: Es könnte zu einem zusätzlichen Krebsfall pro 5000 betroffenen Patienten kommen, die über sieben Jahre täglich das verunreinigte Valsartan in der (höchsten) 320-mg-Dosierung eingenommen haben. Auf Grundlage dieser Annahme würde das jährliche Risiko etwa 1:35.000 je Patientenjahr betragen.

NDMA auch in China gefunden

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Valsartan-haltige Präparate aus der Produktion von Zhejiang Huahai Pharmaceutical kursieren offenbar auch in China. Die Nationale Gesundheitskommission sowie die lokalen Gesundheits- und Arzneimittel-Regulierungsbehörden im ganzen Land riefen alle medizinischen Einrichtungen auf, entsprechende Arzneimittel aus dem Markt zurückzuholen. Wie „China Daily“ berichtet, versuchen die Behörden die Öffentlichkeit derweil zu be­ruhigen. Xu Shuxiang, Generalsekretär einer Arzneimittel-Forschungsgruppe vermutet, dass von den NDMA-Spuren keinerlei Gesundheitsgefahren ausgehen. Und der Direktor der Abteilung für Hypertonie am Beijing Anzhen Hospital, Yu Zhenqiu, geht davon aus, dass der Rückruf einiger Valsartan-Produkte vom Markt kaum Auswirkungen auf die Behandlung von Patienten in China haben wird, da einige Alternativen auf dem Markt verfügbar seien.

Die EMA stützt diese Schätzung auf Durchschnittswerte der Verunreingung, die im Valsartan von Zhejiang Huahai Pharmaceuticals (60 parts per million) gefunden wurden. Das mögliche Krebsrisiko wurde wiederum von Tierstudien ausgehend extrapoliert und solle im Zusammenhang mit dem grundsätzlichen Risiko im Leben an Krebs zu erkranken betrachtet werden. Weiterhin weist die EMA darauf hin, dass kein unmittelbares Risiko für die Patienten bestehe. Patienten sollten zwar von Valsartan zu einem anderen Präparat wechseln, wer dies aber noch nicht getan hat, sollte Val­sartan nicht einfach absetzen, ehe er nicht ein Ersatzpräparat erhalten hat.

Die EMA beschreibt NDMA immer noch als „unerwartete“ Verunreinigung. Man „glaube“, dass sie als Nebenprodukt entstanden ist nach einer Änderung im Produktionsprozess von Zhejiang Huahai im Jahr 2012.

Eine Verunreinigung bei Irbesartan konnte der Hersteller Hormosan mittlerweile ausschließen. |

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