Rezension

Achtung giftig!

Warum Schlangen nicht am eigenen Gift sterben

Organismen, die nicht oder nur langsam fliehen können, wenn sie von Fressfeinden bedroht werden, haben seit vielen Millionen von Jahren vor allem den Weg der chemischen Verteidigung gewählt. Sie produzieren Gifte, die Herbivoren oder Prädatoren abschrecken oder für die Feinde giftig sind. Dies gilt besonders für Pflanzen und Pilze sowie für einige Tiergruppen wie Amphibien und marine Tiere (Mollusken, Schwämme, Korallen). Das Ergebnis der Selektion ist eine Bibliothek von biologisch aktiven Sekundärstoffen aus diversen Biosynthesewegen. Insbesondere die Gifte haben Strukturen, mit denen sie mit wichtigen molekularen Targets in den Feinden entweder als Agonist oder Antagonist interagieren können. Im Vordergrund stehen Gifte, die das Nervensystem angreifen, aber auch Zellgifte, die Biomembranen von Zellen, DNA/RNA oder Proteine angreifen, zählen zum Verteidigungsrepertoire.

Einige Tiere (z. B. Schlangen, Spinnen, Skorpione) produzieren potente Gifte nicht nur zur Verteidigung, sondern setzen sie auch zur Jagd ein. Die meisten Tiere bilden ihre eigenen Gifte. Doch es gibt Ausnahmen: Viele herbivor lebende Insekten haben sich auf eine spezielle giftige Wirtspflanze angepasst und nehmen deren pflanzliche Abwehrgifte auf, speichern sie und setzen sie zur eigenen Verteidigung gegen Prädatoren ein. In anderen Fällen werden die Gifte von Cyanobakterien produziert und landen über die Nahrungskette bei den Endnutzern. Hierzu zählen die Nervengifte (z. B. Tetrodotoxin) bei einigen marinen Organismen und bei Pfeilgiftfröschen.

Dietrich Mebs (Universität Frankfurt) hat sich mit Giften nicht nur als forensischer Toxikologe auseinandergesetzt. Seit vielen Jahren forscht er über die Biochemie und Biologie tierischer und pflanzlicher Gifte. Seine Erkenntnisse hat er nicht nur in zahlreichen Fachartikeln publik gemacht, sondern außerdem in einer Reihe von hervorragend illustrierten Sachbüchern, wie „Gifttiere: Ein Handbuch für Biologen, Toxikologen, Ärzte und Apotheker” (2010) und „Gifte im Riff. Toxikologie und Biochemie eines Lebensraumes” (1989).

Das vorliegende Buch „Leben mit Gift” ist eine Zusammenschau der vielen Giftphänomene, die Dietrich Mebs erforscht oder in seinen Büchern abgehandelt hat. Im Plauderton berichtet er über die Gifte von Tieren, wie sie diese erwerben und in ihrer Umwelt oder im Zusammenleben mit anderen Arten einsetzen. Die Beispiele reichen von Seeanemonen und ihre Symbiose mit Clownfischen, giftigen Ameisen, Bienen, Bombardierkäfern, bis zu Insekten, die mit Senfölglycosiden, Cyanglucosiden, herzwirksamen Glycosiden oder Pyrrolizidinalkaloiden bestens umgehen können. Andere Beispiele beschreiben die Wehrchemie von Schwämmen, Seegurken, Skorpionen, Insektenfressern, Kröten, Pfeilgiftfröschen und Schlangen. 37 Farbabbildungen illustrieren die behandelten Organismen. Dagegen fehlen chemische Formeln der Gifte oder eine detaillierte Erörterung der molekularen Wirkmechanismen. Dies hätte die Plauderei vermutlich gestört und den Umfang des Buches zu stark erweitert.

Dieses kleine Sachbuch bietet einen hervorragenden Einstieg in das komplexe Thema der chemischen Verteidigung und Gifte bei Pflanzen und Tieren. Dietrich Mebs hat ein leicht lesbares Werk produziert, das sich kein Biologe, Naturfreund oder Tierhalter entgehen lassen sollte. |

Prof. Dr. Michael Wink

Institut für Pharmazie und Molekulare Biotechnologie (IPMB) der Universität Heidelberg


Dietrich Mebs

Leben mit Gift -

Wie Tiere und Pflanzen damit zurechtkommen und was wir daraus lernen können

159 S.; 1. Auflage 2016, 24,90 Euro, ISBN 978-3-7776-2575-1,

S. Hirzel-Verlag, Stuttgart


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