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Wirtschaft

Eckpfeiler setzen!

Analyse zur Vorbereitung auf das Honorargutachten

Das Bundeswirtschaftsministerium hat im Frühjahr 2016 ein Gutachten zur Apothekenhonorierung in Auftrag gegeben. Ergebnisse sind im September 2017 zu erwarten. Vieles spricht dafür, dass die Apotheker sich darauf gut vorbereiten sollten, um die Eckpfeiler der Honorierung zu sichern. Dieser Beitrag enthält Vorschläge für diese Vorbereitung, die der Verfasser beim Niedersächsischen Apothekertag am 14. Mai in Celle erläutert hat. | Von Thomas Müller-Bohn

Da bisher kein anderes Gutachten angekündigt wurde, wird die Studie wohl die einzige umfangreiche zeit­nahe Untersuchung zu diesem Thema mit wissenschaftlichem Anspruch werden. Dies kann enorme Konsequenzen nach sich ziehen. Ohne Gegenthese wird die Studie wohl von Fachfremden als „der“ Stand des Wissens wahrgenommen. Durch die Apothekenumfrage vom Februar wird die Studie mit einer beträchtlichen empirischen Basis aufwarten. Solange es kein Gegengutachten gibt, wird die Studie damit punkten können, dass es zumindest keine besser belegten Aussagen gibt – vermutlich auch dann, wenn die Studie auf einige wichtige Fragen gar nicht eingehen sollte. Ohne Daten besteht die Gefahr, dass auch die besten Argumente übergangen werden. Darum dürfte es jetzt höchste Zeit für die Apotheker sein, ihre Position für die anstehende Diskussion zu beziehen.

Vorhersehbare Studieninhalte

Über die Inhalte der zu erwartenden Studie ist öffentlich nichts bekannt, aber die dazu durchgeführte Apothekenumfrage gibt deutliche Anhaltspunkte. Eine Analyse dieser Fragen (siehe „Viele Fragen – schwierige Antworten. Eine Analyse der Apothekenumfrage zur AMPreisV“ in DAZ 2017, Nr. 6, S. 26) lässt erwarten, dass die Studie die folgenden problematischen Ansätze enthalten könnte:

  • 1. Die Fragen zum Zeitaufwand für verschiedene Teilaspekte der Arzneimittelabgabe und Patientenberatung lassen vermuten, dass der Versorgungsauftrag in Teilleistungen zerlegt wird. Schlimmstenfalls würden dann nur noch solche Teilleistungen honoriert, deren Zeitaufwand in der Studie erfasst wurde. Zumindest droht, dass nur das Honorar für solche Teilleistungen fortgeschrieben wird.
  • 2. Die detaillierten Fragen zu bestimmten Aspekten der Rezepturtätigkeit und der Btm-Dokumentation lassen vermuten, dass für diese Leistungen eine Honorierung auf der Grundlage der Vollkosten vorgeschlagen wird.
  • 3. Da sich fast alle Fragen an der geltenden Struktur der Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) orientieren, sind Vorschläge für neue Honorarkomponenten kaum zu erwarten.

Kurzfristige Agenda

Damit lassen sich mindestens die folgenden sechs Themenfelder ableiten, die jetzt zu bearbeiten sind:

  • 1. Der Zusammenhang zwischen Honorierung und Versorgungsauftrag muss klargestellt werden.
  • 2. Der „allgemeine“ Versorgungsauftrag muss von gesondert honorierten Leistungen abgegrenzt werden.
  • 3. Es muss geklärt werden, wie Gemeinwohlpflichten honoriert werden sollen.
  • 4. Es sollten Ideen für neue Honorarkomponenten entwickelt werden.
  • 5. Zur Umsatz- und Kostenentwicklung der Apotheken muss eine transparente Datengrundlage angeboten werden.
  • 6. Es sollte eine Methode für die Honoraranpassung vorgeschlagen werden.

Honorierung des Versorgungsauftrags

Der Festzuschlag ist das Entgelt für die Erfüllung des Versorgungsauftrags der Apotheken. Dies ist der zentrale Gedanke der gesamten Apothekenhonorierung. Da alle anderen Honorarkomponenten der AMPreisV nur Teilkosten für Teilleistungen decken, kann nur der Festzuschlag als Honorar für die Erfüllung der gesellschaftlichen Aufgabe dienen. Der Festzuschlag ist daher viel mehr als nur ein Entgelt für die Abgabe eines Arzneimittels. Als freier Heilberufler definiert der Apotheker in seiner Verantwortung für jeden einzelnen Patienten, was zur Erfüllung des Versorgungsauftrags getan werden muss. Diese Leistungen und die dafür erforderliche Zeit können nicht im Vorhinein festgelegt werden. Daher kann ein Honorar nicht in einer bottom-up-Betrachtung aus Einzelteilen „zusammengesetzt“ werden.

Dies wurde bei der Gestaltung des Kombimodells berücksichtigt. Damals wurde bewusst auf eine bottom-up-Betrachtung verzichtet. Stattdessen wurde die 2002 erwirtschaftete Marge als gerechtfertigt betrachtet und ergebnisneutral auf das Kombimodell umgestellt, ohne eine kostenrechnerische Untersuchung durchzuführen. Darum kann der Festzuschlag auch nur in einer top-down-Betrachtung fortgeschrieben werden. Die Parameter dafür müssen aus den Ergebnissen der gesamten Apothekenarbeit gewonnen werden und nicht aus einem „Puzzle“ aus einzelnen Leistungsbestandteilen.

Spezialaufgaben

Allerdings gehören nicht alle Leistungen aller Apotheken zum gemeinschaftlichen Versorgungsauftrag. Im Vergleich zu 2002 haben insbesondere die Spezialrezepturen heute viel mehr Bedeutung. Leistungen, die nur von wenigen Apotheken erbracht werden (können), müssen getrennt honoriert werden. Dort – und nur dort – verbietet sich eine Mischkalkulation mit anderen Leistungen. Denn die Apotheken, die solche Leistungen mit sehr hohen Kosten erbringen, müssen dafür honoriert werden, und die übrigen Apotheken können daran keinen Anteil geltend machen.

Um dies umsetzen zu können, müssen die Apotheker auflisten, was nicht (!) zum gemeinschaftlichen Versorgungsauftrag gehört. Dies erfordert das umgekehrte Vorgehen gegenüber dem Versuch, die Inhalte des Versorgungsauftrags komplett auflisten zu wollen. Im nächsten Schritt muss ermittelt werden, welche Kosten durch diese definierten Leistungen verursacht werden. Dann können für diese Leistungen angemessene Honorare aus den Vollkosten zuzüglich Gewinnzuschlag ermittelt werden. Dies betrifft praktisch alle Leistungen, die nicht von allen Apotheken erbracht werden, also insbesondere Herstellungen im Reinraum, Stellen oder Verblistern in speziellen Räumen, Krankenhausbelieferung, Versandhandel und Großhandel.

Gemeinwohlpflichten

Davon müssen Gemeinwohlpflichten unterschieden werden, die zwar gemäß AMPreisV gesondert honoriert, aber von allen Apotheken erbracht werden. Bisher sind die dafür vorgesehenen Honorare nicht kostendeckend, weil dies den Anspruch unterstreicht, den Versorgungsauftrag pauschal zu honorieren. Die Detailschärfe der Apothekenumfrage vom Februar lässt erwarten, dass die Studie auf eine Vollkostenrechnung für diese Leistungen zielt. Die Apotheker sind daher gefordert, Stellung zu beziehen, welche Honorierung hier angemessen erscheint.

Dazu bestand bereits beim Deutschen Apothekertag 2015 eine Chance, als zwei konkurrierende Anträge zur Btm-Dokumentation vorlagen – ein Antrag mit Teilkosten- und ein Antrag mit Vollkostenrechnung. Da die Anträge in einen Ausschuss verwiesen wurden, stellt sich nun die Frage, welche Argumente sich dort ergeben haben. Falls am Ende der Diskussion ein Votum für eine Vollkostenrechnung mit Gewinnzuschlag stehen sollte, bleibt festzuhalten, dass dies an der obigen Argumentation zur Honorierung des Versorgungsauftrags im Grundsatz nichts ändern würde. Denn der Versorgungsauftrag umfasst viel mehr Leistungen als die ausdrücklich in der AMPreisV genannten Positionen.

Dennoch ist die berufspolitische Argumentation überzeugender, wenn das spezielle Honorar die Vollkosten nicht deckt. Als Kompromiss bietet sich eine Teilkostenrechnung an. Damit könnte die jeweilige Leistung auch dann nicht in den Ruin führen, wenn sie in einzelnen Apotheken besonders stark nachgefragt wird. Außerdem würden damit Fehlanreize durch künstlich niedrige Preise verhindert. Die Rezepturhonorierung ist nach den jüngsten Änderungen auf dem Weg in diese Richtung.

Zum Weiterlesen:

Einen umfassenden Überblick über die wirtschaftliche Situation der deutschen Apotheken gibt der jährliche ABDA-Apothekenwirtschaftsbericht. Eine Analyse des aktuellen Berichts finden Sie in DAZ 2017, Nr. 18, S. 18: „Heute gut und morgen ungewiss. Eine Analyse zu den Daten des ABDA-Wirtschaftsberichts 2017“.

Das vom BMWi beauftragte Gutachten zur Apothekenhonorierung analysiert der Beitrag „Viele Fragen - schwierige Antworten. Eine Analyse der Apothekenumfrage zur AMPreisV“ in DAZ 2017, Nr. 6, S. 26. Sehr kritisch setzt sich der Apothekenmarktexperte Uwe Hüsgen mit dem Vorhaben auseinander: „Kein Kindergarten! Anmerkungen zum Forschungsprojekt über das Apotheken-Honorar“ in DAZ 2017, Nr. 6, S. 32.

Welche Auswirkungen die verschiedenen Szenarien hätten, die in der Folge des EuGH-Urteils zur grenzüberschreitenden Preisbindung auf die deutschen Apotheken diskutiert werden, wurde hier analysiert: „Pest oder Cholera? Eine wirtschaftliche Analyse der Optionen nach dem EuGH-Urteil“ in DAZ 2017, Nr. 3, S. 22.

Grundsätzliche Gedanken zur Anpassung des packungsabhängigen Fixhonorars der Apotheker hat sich Thomas Müller-Bohn bereits 2015 gemacht: „Wie anpassen?“ (DAZ 2015, Nr. 46, S. 26) und „Variable Kosten – Schlüssel zur Honorar­anpassung“ (DAZ 2015, Nr. 47, S. 26).

Neue Honorarkategorien

Als weitere Reaktion auf das zu erwartende Gutachten sollten die Apotheker Vorschläge sammeln, welche neuen Honorarkategorien in die AMPreisV eingefügt werden sollten. Es erschiene befremdlich, wenn bei einer grundlegenden Überarbeitung rund vierzig Jahre nach Einführung einer solchen Verordnung die Struktur unverändert bleiben sollte. Denn der pharmazeutische Alltag hat sich deutlich verändert. Aufbauend auf dem „LeiKa“ des Deutschen Apothekerverbandes sollten Leistungen der patientenorientierten Pharmazie definiert und mit Honoraren versehen werden. Zur Dokumentationsgebühr für Btm- und T-Rezepte stellt sich die Frage, warum nicht auch Tierarzneimittel, individuelle Importe und Blutprodukte mit ihren jeweiligen Dokumenta­tionspflichten berücksichtigt werden. Außerdem sind in den zurückliegenden vierzig Jahren viele Verwaltungsanforderungen, insbesondere bei der Bearbeitung von Kassenrezepten drastisch gestiegen. Auch diese sollten gesondert honoriert werden.

Datenquellen

Die Studie wird voraussichtlich die Frage nach zuverlässigen Datenquellen aufwerfen. Die ABDA sollte daher die Aussagekraft ihrer Kostendaten untermauern.

Honoraranpassung

Die zentrale Herausforderung bleibt die Fortschreibung des Festzuschlags. Bevor die zu erwartende Studie mit einem möglicherweise problematischen Vorschlag für Aufmerksamkeit sorgt, besteht jetzt noch die Gelegenheit für die Apotheker, einen eigenen Vorschlag zu propagieren. Dazu hat der Verfasser bereits 2015 einen Vorschlag veröffentlicht (siehe „Wie anpassen?“, DAZ 2015, Nr. 46 und „Variable Kosten – Schlüssel zur Honoraranpassung“, DAZ 2015, Nr. 47). Zur Umsetzung wären Kostendaten nötig, bei denen die Kosten für die oben genannten Sonderaufgaben einzelner Apotheken getrennt erfasst werden. Außerdem müsste der Anteil der variablen, also vom Arbeitsaufkommen abhängigen Kosten des „normalen“ Apothekenbetriebs ermittelt werden.

Ausblick

Zusätzlich stellt sich die Frage, wie das Apothekenhonorar langfristig weiter entwickelt werden soll. Auch wenn dies für die Politik in dieser Legislaturperiode nicht mehr relevant ist, erscheint es geboten, wenn die Apotheker die Diskussion rechtzeitig beginnen und mit eigenen Vorschlägen prägen. Darum geht es im vorherigen Beitrag. |

Autor

Dr. Thomas Müller-Bohn ist Apotheker und Diplom-Kaufmann. Er ist externes Redak­tionsmitglied der DAZ.

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