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Analyse

Wie anpassen?

Methoden zur Anpassung des Festzuschlags im Vergleich

Die Methode zur Anpassung des Festzuschlags hat sich zur entscheidenden Frage für die Zukunft der Apothekenhonorierung ent­wickelt (siehe DAZ 2015, Nr. 45, S. 20). Auch das dafür maß­gebliche Bundeswirtschaftsministerium hat dies offenbar erkannt und eine Studie über Änderungen der Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) ausgeschrieben. Doch welche Möglichkeiten bieten sich überhaupt? Was kann ein solche Studie leisten? Und wie kann eine sinnvolle Methode aussehen?

Eine Analyse von Thomas Müller-Bohn

Das Wirtschaftsministerium hat als Ziel der Studie festgelegt, ein allgemein anerkanntes theoretisches Konzept „zur Prüfung der Erforderlichkeit und des Ausmaßes der Änderung aller in der AMPreisV geregelten Preise und Preiszuschläge für verschreibungspflichtige Arzneimittel“ zu entwickeln. Das Konzept soll aus „Datengrundlage, Berechnungs-, Simulations- und Analysemethoden“ bestehen. Außerdem sollen die wirtschaftlichen Auswirkungen abgeschätzt werden.

Aufgabenstellung

Wenn bei der Formulierung der Ausschreibung kein Versehen stattgefunden hat, beträfe die Studie auch verschreibungspflichtige Rezepturarzneimittel. Dies wirft die Frage auf, ob das Ministerium die Preisbildung für Rezepturen neu regeln will und ob demnächst nicht verschreibungspflichtige Rezepturarzneimittel von der AMPreisV ausgenommen werden sollen. Für diese Änderungen wäre die Zustimmung des Bundesrates erforderlich. Das Hauptaugenmerk wird sich auf die viel häufigeren Fertigarzneimittel richten.

Die Apotheker werden darauf achten müssen, dass das zu entwickelnde Konzept die Neutralität gegenüber anderen Honorarbestandteilen der Apotheken wahrt. Wechselwirkun­gen der Anpassungsmethode mit der Honorierung für Rezepturarzneimittel, mit dem Nachtdienstfonds und mit anderen Einnahmen müssen ausgeschlossen sein. Dies ist insbesondere nötig, damit neue Honorare für das Medikationsmanagement und andere neue patientenorientierte Leistungen eingeführt werden können. Das Konzept darf ARMIN und mögliche Nachfolgeprojekte nicht konterkarieren, weder in Studien noch in der Regelversorgung. Die dort erzielten Einnahmen müssen neue Leistungen honorieren und dürfen nicht zur Deckung künftiger Defizite in der Distribution und im klassischen Beratungsalltag dienen.

Ansätze zur Honoraranpassung

Außerdem ist zu fragen, ob eine so umfangreiche Untersuchung wirklich nötig ist oder ob es ihr eigentlicher Zweck ist, die Anpassung in die nächste Legislaturperiode zu verschieben. Auch ohne eine Studie lassen sich aus Erfahrungen und theoretischen Überlegungen viele Erkenntnisse gewinnen, wie hier gezeigt werden soll. Die folgenden sechs Ansätze sollen näher betrachtet werden:

  • Inflationsausgleich
  • Weiterentwicklung der zuletzt verwendeten Anpassungsmethode
  • Anpassung aufgrund einer differenzierten Betrachtung der Kosten
  • Anpassung anhand von Indikatoren
  • Budgetierung
  • Gebührenordnung

Politisch heikel: Inflationsausgleich

Da die zentrale Aufgabe in der Anpassung eines Fest­zuschlags besteht, liegt es auf den ersten Blick nahe, diesen Betrag um die Preisentwicklung zu korrigieren. Da der Betrag die packungsbezogene Arbeit honorieren soll, erscheinen Änderungen der Packungszahl irrelevant, denn bei jeder Packung soll die Arbeit gerecht bezahlt werden. Beim Deutschen Apothekertag 2015 in Düsseldorf mahnte jedoch Claudia Korf, ABDA-Geschäftsführerin Wirtschaft und ­Soziales, inflationsabhängige Anpassungen seien bei sehr niedriger und sehr hoher Inflation nicht praktikabel. Insbesondere vermeide die Politik inflationsabhängige Regelungen, weil diese eine beginnende Preissteigerung über Zweitrundeneffekte anheizen würden. Eine gesetzlich induzierte Inflation ist politisch unhaltbar. Daher gibt es solche Regelungen auch in anderen Politikbereichen nicht. Weit verbreitet sind dagegen Verhandlungen, die sich ansatzweise an der Preisentwicklung orientieren. Solche Verhandlungen kann es nur in der Selbstverwaltung oder zwischen Tarifpartnern geben, aber hier geht es um die Entscheidung eines Ministeriums mit gesetzlichem Auftrag – und mit dem Verordnungsgeber schließt man keine Verträge.

Erfassung der Kosten

Auch die Ermächtigung zur Änderung des Festzuschlags gemäß § 78 Absatz 1 AMG verweist nicht auf die allgemeine Preisentwicklung, sondern auf die „Kostenentwicklung der Apotheken bei wirtschaftlicher Betriebsführung“. Doch welche Kostendaten sollen dazu benutzt werden? – Dazu sind zwei grundverschiedene Ansätze vorstellbar. Erstens können in einem Bottom-up-Ansatz zahlreiche Kostenstellen für die verschiedensten Aufgaben in Apotheken einzeln erhoben und anschließend in einer Kostenträgerrechnung zusammengefasst werden. Um Änderungen abzubilden, muss dann bei jeder Kostenstelle ermittelt werden, wie oft diese vorkommt und welche Kosten ein solcher Fall durchschnittlich verursacht. Zweitens können die tatsächlich anfallenden Kosten insgesamt betrachtet und nötigenfalls nach einem Top-down-Ansatz auf verschiedene Tätigkeitsbereiche der Apotheke verteilt werden.

Der erste Ansatz ist nie verfolgt worden, weil eine grundlegende Voraussetzung dafür fehlt. Es gibt keine detaillierte Definition, welche Leistungen mit dem Festzuschlag abgegolten werden. Denn dieser ist ein pauschales Entgelt für die Erfüllung des Versorgungsauftrags, dessen Inhalte ebenfalls nicht abschließend definiert sind. Wenn die zu leistenden Aufgaben abschließend definiert würden, sollten die Apotheken jede im Einzelfall darüber hinaus gehende Tätigkeit verweigern können, oder es müsste dafür eine gesonderte Honorierung geschaffen werden. Dies wäre das Ende des Versorgungsauftrags in seiner bewährten Form und kann weder im Interesse der Politik noch der Kostenträger sein. Dies alles spricht für den zweiten Ansatz der Gesamtkostenbetrachtung, der daher 2012 vom Bundeswirtschaftsministerium eingesetzt wurde.

Grenzen der Kostenbetrachtung

Allerdings wirft auch dieser Ansatz viele Fragen auf, ins­besondere die folgenden:

  • Für einige Apotheken ist die Raummiete ein großer Kostenfaktor, während bei Apotheken in eigenen Räumen an dieser Stelle nur Reparaturen und Renovierungen zu steuerlich relevanten Kosten führen. Durchschnittsbetrachtun­gen führen zu einem willkürlichen Ergebnis, das den Einzelfällen nicht gerecht wird.
  • In sehr kleinen Apotheken leistet der Inhaber einen überproportional großen Teil der Arbeit, der jedoch nicht zu steuerlich wirksamen Kosten führt. Diese Apotheken verzerren den Durchschnitt der Personalkosten, aber dieses Geschäftsmodell ist auf große Apotheken nicht übertragbar und kann daher kein allgemeines Maß für eine wirtschaftliche Betriebsführung sein.
  • Dorf-Apotheken arbeiten oft im Ein-Schicht-Betrieb, während Innenstadt- und Center-Apotheken viel längere Öffnungszeiten haben und daher viel mehr Personal benötigen. Beides ist am jeweiligen Standort eine wirtschaftliche Betriebsführung.
  • Besondere Aufgaben wie Zytostatikazubereitung, andere Spezialrezepturen oder Versandhandel können für große Teile der Kosten einer Apotheke verantwortlich sein, aber dies sagt nichts über die Kosten für die Abgabe eines Fertigarzneimittels aus, und die genannten Geschäftsfelder werden ganz oder teilweise über andere Honorarbestandteile finanziert.
  • Der Verkauf nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel und apothekenüblicher Waren verursacht Kosten und führt zu Umsätzen, die nicht mit der Abgabe verschreibungspflichtiger Fertigarzneimittel zusammenhängen. Allerdings sollte ein Honorar, das den Versorgungsauftrag ermöglicht, auch die Infrastruktur für die Versorgung mit OTC-Arzneimitteln sichern, denn der Versorgungsauftrag bezieht sich auf alle Arzneimittel.

Mit dem 2012 angewendeten Anpassungsverfahren hat das Bundeswirtschaftsministerium versucht, diese Herausforderungen mit einer eher pauschalen Betrachtungsweise anzugehen. Das wesentliche Problem dabei ist, dass von dem weit­gehend unbestrittenen Kostenanstieg der Rohertragszuwachs der Apotheken abgezogen wurde. So wird Mehrarbeit nicht honoriert, und die Apotheken werden auf dem wirtschaft­lichen Niveau des Bezugsjahres 2002 eingefroren. Bei einer künftigen Anwendung dieses Verfahrens würden zusätzlich die politisch gewollten Entlastungen der Apotheken durch den Nachtdienstfonds und mögliche künftige Erhöhungen anderer Honorarbestandteile wieder einkassiert, was unsinnig und politisch unhaltbar wäre (siehe Die Seite 3: „Noch schlimmer als gedacht“, DAZ 2015, Nr. 43).

Mögliche Weiterentwicklung

Die naheliegende Korrektur des Verfahrens wäre, den Rohertragszuwachs nicht oder zumindest nicht vollständig vom Kostenanstieg abzuziehen. Beispielsweise könnte ein bestimmter Prozentsatz des Rohertragszuwachses abgezogen werden, wie dies beim Mehrleistungsabschlag in der Krankenhausfinanzierung geschieht. Welcher Anteil abgezogen werden soll, könnte politisch entschieden werden. Aus ökonomischer Sicht erscheint eine differenziertere Betrachtung, die von den einzelnen Ursachen des Rohertragszuwachses ausgeht, sinnvoller:

  • Der Anteil des Rohertragszuwachses, der auf politisch gewollten Honoraränderungen beruht und dem kein Kostenanstieg in der Betrachtungsperiode gegenübersteht, kann überhaupt nicht abgezogen werden. Denn ein Anpassungsautomatismus darf nicht die Ergebnisse eines demokratischen Entscheidungsprozesses aushebeln. Eine solche Anpassung wäre wohl auch nicht durch die Ermächtigung des § 78 Absatz 1 AMG gedeckt und daher ohne Zustimmung des Bundesrates un­zulässig.
  • Der Anteil einer solchen Honoraränderung, dem in der Betrachtungsperiode (!) ein Kostenanstieg gegenübersteht, muss hingegen herausgerechnet werden, weil die Apotheken sonst für die betreffenden Leistungen doppelt honoriert würden (siehe auch Vorschlag am Ende des Beitrags).
  • Zu dem Anteil des Rohertragszuwachses, der auf mehr abgegebenen Packungen beruht, kann argumentiert werden, dass die Honorarerhöhung nur die variablen Kosten ausgleichen müsste, weil die fixen Kosten unverändert bleiben sollten. Dies spricht für einen Mehrleistungsabschlag in Höhe des Fixkostenanteils für die zusätzlichen Packungen. Nur ein Mehrleistungsabschlag, der auf die Fixkosten begrenzt ist, kann die geforderte Orientierung an den Kosten der Apotheken gewährleisten.
  • Wenn weniger Packungen abgegeben werden, müsste in umgekehrter Weise ein Minderleistungszuschlag zum Ausgleich der Fixkosten addiert werden.
  • Der Anteil des Rohertragszuwachses, der auf höheren Arzneimittelpreisen und damit einer höheren prozentualen Komponente der Apothekenerträge beruht, ist insbesondere ein Ausgleich für das gestiegene Risiko im Umgang mit sehr hochpreisigen Packungen. Zusätzlich zu den kostenwirksamen Verlusten muss ein gewinnwirksamer Ausgleich für das besondere unternehmerische Risiko bestehen bleiben, wenn die Preisbildung fair sein soll. Angesichts des sehr geringen prozentualen Aufschlags ist ein Mehrleistungsabschlag für diesen Anteil nicht zu begründen.

Damit gibt es Ansätze, das kritisierte Verfahren so umzugestalten, dass eine leistungsgerechte Anpassung möglich wird.

Aussichtslos: Kostenrechnungssystem

Doch die Formulierung der Ausschreibung des Bundeswirtschaftsministeriums legt die Interpretation nahe, dass offenbar ein detailliertes Kostenrechnungssystem im Sinne des oben beschriebenen Bottom-up-Ansatzes angestrebt wird. Wenn ein solches System dazu benutzt würde, die Kosten für den Umgang mit einer einzelnen Packung möglichst genau abzubilden, würde dem allgemein formulierten Versorgungsauftrag die wirtschaftliche Grundlage entzogen, wie bereits ausgeführt wurde. Doch schon die Gestaltung eines solchen Systems dürfte sehr große Probleme aufwerfen, insbesondere die folgenden:

  • Der zeitliche Aufwand für den Umgang mit einer Arzneimittelpackung von der Bestellung bis zur Abgabe hängt von sehr vielen Aspekten ab, die sich aus dem Arzneimittel selbst oder dem Patienten ergeben. Dies betrifft ins­besondere Einzel-, Sonder- oder Mehrfachbestellungen, Lagerungsbedingungen, Verfallüberwachung, Rückrufe, Dokumentationsvorschriften, den individuell sehr unterschiedlichen Aufwand bei der Abgabe und Beratung, Hinweise zur Anwendung, Verständnisprobleme des Patienten und die Umsetzung von Rabattverträgen.
  • Der Versorgungsauftrag schließt in Einzelfällen besondere Leistungen für einzelne Patienten ein, wie aufwendige Erläuterungen zu den Arzneimitteln oder den Regularien der GKV, die kontinuierliche Therapiebegleitung im Sinne der patientenorientierten Pharmazie, Zeit für persönliche Zuwendung oder das Vorgehen bei Lieferengpässen.
  • In einigen Fällen entstehen über die Personalkosten hinaus besondere Kosten, insbesondere für Kühlschränke, Botenfahrzeuge und Dokumentationsmittel. Es ist zu fragen, ob diese dem jeweiligen Arzneimittel oder den Gemeinkosten zuzurechnen sind.
  • Neben den Kosten, die einem einzelnen Arzneimittel zugerechnet werden können, fallen Gemeinkosten insbesondere für Miete, Möbel, EDV, sonstige technische Ausstattung, Literatur, Fortbildung, Heizung, Strom, Wasser, Telefon, Buchhaltung, Steuerberatung, Versicherungen und Mitgliedsbeiträge an. Wie bei jeder Kostenträgerrechnung ist zu fragen, wie diese Gemeinkosten umgelegt werden sollen. Dazu gibt es diverse konkurrierende Konzepte.
  • Die Kosten für das Labor und die Rezeptur hängen nicht mit der Abgabe von Fertigarzneimitteln zusammen, dienen aber der Erfüllung des Versorgungsauftrags, der über den Festzuschlag auf Fertigarzneimittel honoriert wird. Konsequenterweise müsste ermittelt werden, welches Defizit nach Abzug der Einnahmen aus Rezepturarzneimitteln noch gedeckt werden muss. Das Defizit unterscheidet sich je nach Ausmaß der Herstellungstätigkeit und Höhe der Rezepturumsätze erheblich.
  • Dienstleistungen wie Blutdruck- und Blutzuckermessungen, Werbemaßnahmen und Umgestaltun­gen der Apothekenräume verursachen Kosten, aber es kann sich die Frage stellen, ob sie bei einer wirtschaftlichen Betriebsführung nötig sind, um den Versorgungsauftrag zu erfüllen.
  • Die Kosten können sich zwischen verschiedenen Apotheken erheblich unterscheiden, abhängig vom Betrieb in eigenen oder gemieteten Räumen oder als Pacht, unterschiedlichen Betriebsgrößen und besonderen Tätigkeitsbereichen (siehe oben).

Schon ein Kostenrechnungssystem für den überschaubaren und vergleichsweise gut standardisier­baren Bereich der klassischen Rezeptur kann nur mit vielen Annahmen erstellt werden und ermöglicht nur idealtypische Betrachtungen für definierte Apothekentypen, obwohl für diesen Zweck sogar weitgehend auf eine Schlüsselung der Gemeinkosten der nicht herstellungsbezogenen Tätigkeit verzichtet werden kann (vgl. Müller-Bohn, Wirtschaftlichkeit der Eigenherstellung von Arzneimitteln in öffent­lichen Apotheken, Stuttgart 2005). Daher ist ein Kostenrechnungssystem, das die variablen Kosten für den Umgang mit einer einzelnen Arzneimittelpackung von der Bestellung bis zur Abgabe erfasst, die gesamten Gemeinkosten des Apothekenbetriebs auf eine einzelne Packung umlegt und für alle Apotheken gleichermaßen gültige Ergebnisse liefert, praktisch undenkbar. Das Wesen von Kostenrechnungssystemen besteht darin, in einem bestimmten Unternehmen unter den dortigen Bedingungen die Kostensituation abzubilden, wobei bewusst Wertungen über die Zurechnung bestimmter Kostengrößen vorgenommen werden. Das Ergebnis ist kein „wahrer Wert“, der gerichtsfest „bewiesen“ werden könnte, sondern eine interpretationsbedürftige betriebswirtschaft­liche Kennzahl. Doch ein solches System ist auch gar nicht erforderlich, um die hier gestellte Aufgabe zu erfüllen.

Zwischenfazit

Um zu einer praktikablen Methode zu gelangen, gilt es, drei Fakten zu akzeptieren:

  • Es ist weder nötig noch sinnvoll, die Kosten für den Umgang mit einer einzelnen Arzneimittelpackung zu ermitteln. Denn der gesamte (!) Versorgungsauftrag muss honoriert werden.
  • Es sollen keine absoluten Kosten ermittelt werden, sondern nur die Änderungen in einem Betrachtungszeitraum.
  • Es wird kein „wahrer Wert“ gesucht, sondern ein von allen Beteiligten akzeptiertes plausibles Maß.

Einfacher: Indikatoren

Die letztgenannte Vereinfachung ermöglicht, anstelle vieler Kostenstellen wenige aussagekräftige Indikatoren zu betrachten. Für die wichtigsten Kostenarten könnten Indikatoren ausgewählt werden, die gemäß ihrem Anteil an den Kosten einer durchschnittlichen Apotheke gewichtet werden und aus deren Änderungen sich ein Maß für die Änderung der gesamten Kosten ergibt. Auswahl und Gewichtung der Indikatoren würden Raum für politische Kompromisse bieten oder Anlässe für neue Streitigkeiten werden. Für die Personalkosten dürfte sich eine Orientierung an den Gehalts­tarifen für Apothekenmitarbeiter aufdrängen, aber dies ­hätte eine sehr problematische Anreizwirkung für die Tarifgespräche, weil beide Seiten unterstellen könnten, dass die Krankenkassen und die anderen Apothekenkunden letztlich das vereinbarte Ergebnis tragen müssten. Die Raum­kosten an einen Index für Gewerbemieten zu koppeln, wäre weniger problematisch. Doch letztlich käme das Verfahren dem oben betrachteten Inflationsausgleich sehr nahe, denn die offizielle Preissteigerungsrate wird in ähnlicher Weise anhand eines Warenkorbes ermittelt.

Unsinnig: Budget

Angesichts dieser vielen Schwierigkeiten stellt sich die Frage, ob ein ganz neuer Honorierungsansatz nötig ist. Ein Budget, das ähnlich dem Budget für die ambulante ärztliche Versorgung mit der GKV ausgehandelt werden müsste, böte eine Verhandlungsmöglichkeit, die nach dem Vorbild von ­Tarifverhandlungen die Preissteigerung implizit berücksich­tigen könnte, ohne dies ausdrücklich vorzuschreiben. Doch hier geht es nicht nur um die Honorierung durch die GKV, sondern um einen allgemein gültigen Arzneimittelpreis.

Ein GKV-Budget würde die Frage nach einer gerechten Apothekenhonorierung durch andere Kunden und Patienten nicht beantworten. Außerdem bliebe offen, wie die Apotheker ihr Budget untereinander verteilen. Es müsste weiter eine Schlüsselung nach der Packungszahl und dem Wert gesucht werden. Ein Budget würde daher kein Problem lösen, aber ein neues und viel größeres Problem schaffen. Denn der Sinn jedes Budgets besteht darin, die Budgetierten zu einer sparsamen Leistungserbringung anzuhalten. Da die Ärzte im Rahmen der medizinischen Erfordernisse die Menge der von ihnen erbrachten Leistungen beeinflussen können, ist ein Budget für Ärzte zwar ethisch nicht unproblematisch, aber immerhin ökonomisch schlüssig. Doch Apotheker können den Umfang ihrer Tätigkeit nicht steuern, sondern unterliegen einem Kontrahierungszwang. Bei einer gesetz­lichen Verpflichtung zu unbegrenztem Leistungsumfang das Honorar zu begrenzen, wäre jedoch sittenwidrig. Das Mengenrisiko zu tragen, ist die originäre Aufgabe einer Versicherung und nicht der Leistungserbringer.

Verfrüht: Gebührenordnung

Als weitere Alternative wird über eine Gebührenordnung für Apotheker diskutiert, insbesondere mit Blick auf neue Dienstleistungen zum Medikationsmanagement. Für neue, gut definierbare Leistungen ist dies wahrscheinlich die beste Honorierungsmöglichkeit. Wie die Erfahrungen anderer freier Berufe zeigen, sind angemessene Anpassungen in angemessenen Zeiträumen allerdings auch bei dieser Honorierung entscheidend. Außerdem müssen praktisch alle Gebühren mit einem Zuschlag für die Gemeinkosten kalkuliert werden.

Für Apotheken würde dies eine komplett neue Honorierung aller Leistungen bedeuten und eine neu strukturierte AMPreisV erfordern. Dies ist eine Option für eine eher ferne Zukunft, in der das Perspektivpapier „Apotheke 2030“ umgesetzt und das Medikationsmanagement zum Alltag geworden ist. Doch auch dann bliebe die Abgabe eines verschreibungspflichtigen Fertigarzneimittels mit der dazugehörigen Beratung die wichtigste Gebührenposition, und es würden sich die hier diskutierten Fragen stellen.

Lösungsvorschlag

Angesichts dieser Optionen erweist sich die Überarbeitung des 2012 angewendeten Anpassungsverfahrens kurz- und mittelfristig als praktikabelster Weg. Dafür müsste ein Konsens geschaffen werden, wie die Kostenänderung zu erheben ist. Dazu bietet sich das von der ABDA seit Langem verwendete Apothekenpanel an, aus dem die Durchschnitts­kosten einer großen Apothekenstichprobe ermittelt werden. Die Limitationen einer solchen Durchschnittsbetrachtung bleiben allerdings bestehen. Um aus der Änderung dieser Kosten den Anpassungsbedarf zu ermitteln, sind drei Korrekturen nötig:

  • Falls in der Betrachtungsperiode eine andere Honorarkomponente geändert oder neu eingeführt wurde, muss der Anteil dieser Änderung, der einen Kostenanstieg in der Betrachtungsperiode ausgleichen sollte, abgezogen werden.
  • Die im Vergleich zur vorherigen Betrachtungsperiode zusätzlich abgegebenen Packungen sollten mit dem Fix­kostenanteil des Festzuschlags multipliziert werden. Das Ergebnis sollte abgezogen werden. Wenn die Packungszahl sinkt, sollte in entsprechender Weise ein Zuschlag ermittelt werden.
  • Der Anteil, der auf OTC-Arzneimittel und das Ergänzungssortiment entfällt, sollte in entsprechender Weise wie 2012 abgezogen werden.

Wenn künftig das Medikationsmanagement in die Regelversorgung eingeführt wird, steigen die Kosten der Apotheken durch diese neue Leistung. Wenn ein neues Honorar gezahlt wird, das diese Kostensteigerung ausgleicht, darf diese nicht nochmals bei einer folgenden Erhöhung des Festzuschlags berücksichtigt werden. Dafür sorgt die erste oben genannte Korrektur. Falls jedoch die Kosten für das Medikations­management in einer späteren Betrachtungsperiode steigen würden, ohne dass das betreffende Honorar erhöht wird, wären die zusätzlichen Kosten als Gemeinwohlauftrag zu verbuchen, der über den Festzuschlag honoriert werden müsste. Darum ist die oben formulierte Korrektur auf Kostenanstiege in der Betrachtungsperiode begrenzt.

Für die zweite Korrektur muss ein Fixkostenanteil ermittelt werden. Im Jahr 2014 betrugen die Personalkosten etwa 57,5 Prozent der gesamten steuerlich abzugsfähigen Kosten einer durchschnittlichen Apotheke (gemäß ABDA, Die Apotheke 2015, Zahlen, Daten, Fakten). Da dies eine Untergrenze für die variablen Kosten bildet, dürften die Fixkosten im engeren Sinn grob geschätzt etwa 30 Prozent der Gesamtkosten ausmachen. In dieser Größenordnung könnte ein Mehrleistungsabschlag für den Anteil des Rohertragswachstums liegen, der durch zusätzliche Packungen bedingt ist. Der Anteil der Fixkosten der Apotheken sollte jedoch genauer hinterfragt werden, um die Höhe dieses Korrekturfaktors realistischer abzuschätzen und besser zu begründen. Dabei ist insbesondere der Umgang mit sprungfixen Kosten kritisch zu hinterfragen. Doch dazu ist keine umfangreiche Studie nötig, wie sie das Bundeswirtschaftsministerium ausschreibt.

Anwendung des Verfahrens

Wenn das hier vorgeschlagene Verfahren für die Anpassung zum Jahresanfang 2013 angewendet und dabei ein Fix­kostenanteil von 30 Prozent angesetzt worden wäre, hätte die Festzuschlagserhöhung 63 Cent statt 25 Cent betragen. Der Festzuschlag wäre also von 8,10 € auf 8,73 € angehoben worden. Die Zahl der verschreibungspflichtigen Fertigarzneimittel war zwischen 2004 und 2011 um 77 Millionen gestiegen (zu den damaligen Daten siehe DAZ 2012, Nr. 32, S. 3884 – 3886). Umgelegt auf die Zahl der Apotheken (21.238; Ende 2011) und multipliziert mit 2,43 € (30% des damaligen Festzuschlags von 8,10 €) ergibt dies einen Korrekturbetrag von 8810 €. Vom damals ermittelten Gesamtkostenanstieg von 38.184 € pro Apotheke muss dieser ­Korrekturbetrag abgezogen werden. Analog zur damaligen Rechnung des Wirtschaftsministeriums wird die ermittelte Differenz nur zu 75 Prozent berücksichtigt, weil dies der ­Anteil der verschreibungspflichtigen Fertigarzneimittel am Gesamtumsatz war. Das ergibt 22.030 €; mit den damals ­angesetzten 35.032 Packungen pro Apotheke beträgt die Anpassung 63 Cent pro Packung.

Fazit

Die wesentlichen Probleme der Anpassung des Apothekenhonorars sind offenbar bekannt, und auch die Vor- und Nachteile der möglichen Methoden sind abzusehen. Eine differenzierte Kostenanalyse würde vielfältige neue Bewertungsprobleme aufwerfen. Sinnvoll erscheint dagegen ein möglichst einfacher Rechenweg, der keine Fehlanreize bietet. Die hier vorgeschlagene Änderung der 2012 vom Bundeswirtschaftsministerium verwendeten Methode erscheint daher zielführender als eine aufwendige Studie, die die Anpassung auf ein unkalkulierbares Datum verschiebt. |

Autor

Dr. Thomas Müller-Bohn ist Apotheker und Diplom-Kaufmann. Er ist externes Redaktionsmitglied der DAZ.

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