Deutscher Apothekertag 2016

Woher und wohin mit Daten?

Antragsberatung „Grundlagen der Berufsausübung“

tmb | Zu den Grundlagen der Berufsausübung gab es kaum Diskussionen über die Anträge, die freiberuflichen Strukturen für Apotheker zu sichern und eine Risikoanalyse für die Abkommen CETA und TTIP durchzuführen. Dagegen wurde intensiv über den Prüfauftrag der Apothekerkammer Hamburg zum Ausbau der ABDA-Datenbank diskutiert.

Dagegen wurden hohe Kosten und geringer Bedarf an noch weiter reichenden Informationen angeführt. Doch der Hamburger Kammerpräsident Kai-Peter Siemsen machte deutlich, dass genau dies mit dem Antrag geprüft werden sollte. Letztlich votierte eine große Mehrheit dafür, und Schmidt bat um Geduld dafür, dass die Bearbeitung einige Zeit dauern werde, weil die ABDATA sehr ausgelastet sei.

Viel Mühe um Daten

Noch vielschichtiger entwickelte sich die Diskussion über den Antrag zur Entwicklung einer ABDA-Datenbank-App. Schmidt erklärte dazu, die ABDATA liefere ihre Daten nicht an Endkunden, sondern an Software­häuser. Er warnte davor, dieses Geschäftsmodell infrage zu stellen und den eigenen Kunden Konkurrenz zu machen. Mehrere Delegierte argumentierten zudem mit der Entwicklung des Marktes und der Technik. Einige Inhalte der ABDA-Datenbank würden bereits als App angeboten, es seien aber auch schon Anbieter mit solchen Apps gescheitert, und eine Neukonzeption zum jetzigen Zeitpunkt würde bald durch Entwicklungen bei den Betriebssystemen überholt. Dennoch beharrten einige Delegierte auf der Idee. Daraufhin konstatierte der Delegierte Klaus Mellis, dass eine politische Diskussion entstanden sei. Es gehe um die Kritik junger Kollegen, denen die Digitalisierung in der ABDA zu langsam ablaufe. Daher regte Dr. Peter Froese, Vorsitzender des Apothekerverbandes Schleswig-Holstein an, den Antrag so umzugestalten, dass er auf eine erhöhte Geschwindigkeit in der Digitalisierung zielt. Dafür wird nun Gelegenheit sein, denn die Hauptversammlung vertagte den Antrag mit 227 gegen 133 Stimmen auf den Apothekertag 2017.

Auch über den Ad-hoc-Antrag der Apothekerkammer Hamburg zu Angaben über galenische Eigenschaften von Arzneimitteln wurde intensiv diskutiert. Auch in diesem Fall wurde die Forderung an den Gesetzgeber zu einem Appell an die Hersteller umformuliert. Denn aus der ABDATA wurde berichtet, dass viele Hersteller auf entsprechende Anfragen bereitwillig Informationen über die Teilbarkeit, Mörserbarkeit und andere galenische Eigenschaften liefern, diese aber manchmal selbst erst prüfen müssen. Die Aussicht auf umfassende Informationen erscheinen bei einer freiwilligen Lösung weitaus besser als bei einer Pflicht, die sich dann immer nur auf genau definierte Basisinformationen beziehe.

Ein bemerkenswertes Ergebnis hatte die Diskussion zum Antrag der Apothekerkammer Berlin, den Datenschutz den Erfordernissen des digitalen Wandels anzupassen. Der Antragsteller beantragte, seinen eigenen Antrag in einen Ausschuss zu verweisen, und die Hauptversammlung votierte einstimmig für diese Verweisung. Offensichtlich waren sich alle einig, dass dieser Antrag zu viele Aspekte umfasst. Es geht unter anderem darum, welche Daten Apotheken für die epidemiologische Forschung nutzen, bei welchen Daten die Weitergabe von Patientendaten an Apothekennachfolger geboten und vielleicht sogar notwendig ist und bei welchen Daten dies nicht gilt. Außerdem geht es um die Position zum Sammeln der unterschiedlichsten Gesundheitsdaten durch andere Marktbeteiligte.

Tierarzneimittel und Resistenzen

Zu einer erstaunlich kontroversen Debatte führte der Antrag der Apothekerkammer Bremen, den Einsatz von Reserveantibiotika aus der Human­medizin bei Lebensmittel-liefernden Tieren weitestgehend einzuschränken. Der Delegierte Dr. Holger Herold, der selbst auch Tierarzt ist, erläuterte die Bemühungen der Tierärzte, die großen regulatorischen Anforderungen durch die 16. AMG-Novelle und weitere Entwürfe für künftige Versorgungseinschränkungen, die auf dieses Ziel gerichtet sind. Er warnte, alle Resistenzprobleme den Tierärzten anzulasten. Lutz Engelen, Präsident der Apothekerkammer Nordrhein, bezeichnete die Massentierhaltung als gesellschaftliches Thema. Gerd Ehmen, Präsident der Apothekerkammer Schleswig-Holstein, mahnte, die Informationsgrundlage reiche nicht aus, um sich so weit in die Belange der Tierärzte einzumischen. Andere Stimmen forderten dagegen, die Apotheker sollten sich selbstbewusst zu allen Fragen über Arzneimittel äußern. Mehrere Delegierte unterstrichen die große Bedeutung des Resistenzproblems für die Versorgung schwer kranker Patienten und die zunehmend tödlichen Folgen. Daraufhin wurden sogar Restriktionen bei Arzneimitteln für Haustiere gefordert, die im Antrag gar nicht angesprochen wurden. Letztlich erwies sich der Antrag als tragfähiger Konsens und fand eine breite Mehrheit. Siehe Kommentar „Nichteinmischungsdoktrin?“ auf Seite 101 in dieser DAZ. |


Wachsam bleiben!

Ein Kommentar von Christian Rotta

Dr. Chris­tian Rotta, Geschäftsführer des Deutschen Apotheker Verlags

CETA und TTIP im Gesundheits­wesen spielten auf dem Apothekertag nur eine Nebenrolle. Lediglich ein Antrag der Apothekerkammer Berlin (nicht des Geschäftsführenden ABDA-Vorstands!) beschäftigte sich mit der Transparenz der beiden Handelsabkommen. In dem Antrag werden die zuständigen Ministerien aufgefordert, im Rahmen einer Risikoanalyse die Auswirkungen der geplanten Abkommen auf das deutsche Gesundheitswesen offenzulegen und im Gesundheitsbereich weiterhin die nationale Gesetzgebungskompetenz und Regelungsautonomie zu gewährleisten. Der Antrag wurde mit überwältigender Mehrheit angenommen – freilich ohne dass darüber auf der Hauptversammlung diskutiert wurde. Dies scheint mir ein Indiz dafür zu sein, dass den Risiken von CETA und TTIP für das deutsche Gesundheits-, Arzneimittel- und Apothekenwesen noch nicht die notwendige Beachtung geschenkt wird. Während der Präsident der Bundesärztekammer Frank Ulrich Montgomery in den Handelsabkommen eine Bedrohung für das deutsche Gesundheitswesen sieht und eine gemeinsame kritische Erklärung der Präsidenten und Vorsitzenden der Heilberufe zu TTIP und CETA initiierte, die auch Friedemann Schmidt als ABDA-Präsident unterzeichnete, gibt man sich in der ABDA-Zentrale betont gelassen. Nach Veröffentlichung der TTIP-Dokumente durch Greenpeace kündigte Pressesprecher Reiner Kern zwar an, „die weitere Entwicklung engmaschig zu beobachten“, sah ansonsten jedoch keinen Grund zu größerer Beunruhigung. Es gebe keine Anhaltspunkte, dass das Apothekenrecht von den Handelsabkommen betroffen sein könnte …

Das sehen andere anders. In der jüngsten Ausgabe der Zeitschrift „Arzneimittel&Recht“ beschäftigt sich Hilko J. Meyer kenntnisreich und detailgenau mit den Auswirkungen von CETA auf den Arzneimittel- und Apothekenbereich und referiert das Für und Wider aus der Sicht der Akteure und Betroffenen. Im Hinblick auf die einzelstaatlichen Vorbehalte zum CETA-Abkommen fällt danach insbesondere die extreme Uneinheitlichkeit der Regelungen auf, in der sich nicht nur die unterschiedlichen Rechtssysteme der EU-Mitgliedstaaten widerspiegeln, sondern auch die Intransparenz und Zufälligkeiten des über siebenjährigen Verhandlungsprozesses. Vieles ist nach wie vor ungeklärt. Immerhin scheint zumindest das deutsche Fremd- und (begrenzte) Mehrbesitzverbot bei Apotheken „CETA-fest“ abgesichert zu sein. Andere Vorbehalte, etwa zum „grenzüberschreitenden Dienstleistungshandel“ bleiben eher undurchsichtig. So heißt es z. B. in Anhang II des Abkommens fälschlicherweise, dass in Deutschland der Versandhandel mit Arzneimitteln verboten sei! Schön wär’s.

Risiken für die Aufrechterhaltung des hohen Qualitätsstandards im Gesundheitswesen drohen weiterhin durch eine Art „Paralleljustiz“, auch wenn die bisher vorgesehenen privaten Schiedsgerichte jetzt durch ein – so EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström – „gerichtsähnliches System“ (Investitionsgerichtshof) ersetzt werden sollen. Und schließlich bestehen nach dem veröffentlichten Wortlaut des Abkommens immer noch gravierende Unsicherheiten über die Interpretation des Vorsorgeprinzips im Bereich des Arbeits-, Umwelt-, Verbraucher- und Gesundheitsrechts. Hier herrscht seit Langem Dissens zwischen der europäischen und nordamerikanischen Sichtweise, die bei Fehlen eines positiven Nachweises des Risikos grundsätzlich von der Unbedenklichkeit ausgeht. Ob der Beschluss des Deutschen Bundestags, dass das im europäischen Primärrecht verankerte Vorsorgeprinzip von CETA unberührt bleibt, rechtliche Bindewirkung hat, wird bereits von namhaften kanadischen Handelsjuristen bestritten. Hinzu kommt, dass in der von den europäischen Handelsministern, der EU-Kommission und Kanada formulierten „Gemeinsamen interpretativen Erklärung“ im Hinblick auf die öffentliche Gesundheit das Vorsorgeprinzip nicht erwähnt wird.

Man sieht: Der Teufel steckt im Detail, zumal CETA nicht mit TTIP und auch nicht mit TiSA, dem Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen, gleichzusetzen ist. Jedes Handelsabkommen bedarf der intensiven Prüfung und Folgenabschätzung. Für eine Entwarnung besteht kein Anlass. Dies gilt umso mehr, als die EU-Kommission versucht sein könnte, sich des (von ihr mit verhandelten und gestalteten) CETA-/TTIP-Hebels zu bedienen, um zu erreichen, was sie schon lange mit ihrem Deregulierungsmantra anstrebt: nämlich die qualitätssichernden Vorgaben und Regularien der Heilberufe zugunsten einer Merkantilisierung des Gesundheitsmarktes zu schleifen. Dies müssen wir verhindern.

Deshalb gilt nach wie vor: Nicht einlullen lassen – wachsam bleiben!

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