Arzneimittel und Therapie

Antidepressiva für Kinder ungeeignet

Metaanalyse bescheinigt den meisten Wirkstoffen wenig Nutzen und viel Risiko

Entscheidend für eine effektive Therapie von Depressionen im Kindesalter ist die rechtzeitige Diagnose und eine psychotherapeutische Behandlung. Eine Pharmakotherapie ist dagegen nicht immer indiziert.

Die medikamentöse Behandlung einer Depression im Kindesalter sollte mit entsprechender Zurückhaltung nur neben einer intensiven Betreuung und individualisierten Psychotherapie eingesetzt werden. In Einzelfällen ist nicht auszuschließen, dass eine initiale Behandlung mit Antidepressiva suizidale Gedanken und ­aggressive Impulse provoziert.

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Bei Depressionen im Kindesalter steht die Psychotherapie an erster Stelle.

Beste Datenlage für Fluoxetin

Wie bei vielen anderen Arzneimitteln wird der Einsatz von Antidepressiva bei Kindern dadurch erschwert, dass Wirkstoffe, die bei Erwachsenen im Rahmen der evidenzbasierten Medizin indiziert sind, bei Kindern und Jugendlichen noch nicht ausreichend untersucht wurden. Für Fluoxetin liegen deutlich mehr Studien vor als zu anderen Wirkstoffen. Als bisher einziger selektiver Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) ist Fluoxetin für Kinder über acht Jahre in Deutschland zugelassen und wird in der aktuellen S3-Leitlinie empfohlen.

Eine umfangreiche Metaanalyse, die den Einsatz von 14 verschiedenen Antidepressiva, darunter SSRI wie Fluoxetin und Sertralin oder trizyklische Antidepressiva wie Amitriptylin und Clomipramin, untersuchte und dabei die Wirksamkeit und Sicherheit bei Kindern und Jugendlichen evaluierte, bestätigte diese Empfehlung. Ausgewertet wurden Daten aus insgesamt 34 Studien mit 5260 Probanden. Ausschließlich bei Fluoxetin wurde eine statistisch signifikante Verbesserung der Symptomatik gegenüber Placebo beobachtet. Im Sicherheitsprofil zeigte Fluoxetin Vorteile im Vergleich zu den anderen Antidepressiva. Besonders die Gabe von Imipramin, Venlafaxin und Duloxetin war mit mehr Therapieabbrüchen aufgrund unerwünschter Wirkungen assoziiert. Die Autoren der Studie sehen insgesamt keine eindeutige Evidenz für die Gabe von Antidepressiva zur Behandlung von Kindern und Jugendlichen.

Suizidale Absichten erkennen

Sobald eine pharmakotherapeutische Intervention indiziert ist, sollte ab Beginn einer Behandlung mit Antidepressiva eine umfassende medizinische Beobachtung der Kinder und Jugendlichen erfolgen. Besonders Venlafaxin scheint suizidale Gedanken bei Kindern zu fördern. Dies ist möglicherweise auch bei anderen Wirkstoffen der Fall, jedoch erlaubten die oft unzureichenden Probandenzahlen und die selten optimalen Studiendesigns keine umfassendere Auswertung zur Beeinflussung der Selbstmordneigung.

Die Aussagekraft der Metaanalyse wird limitiert durch die Qualität der zugrunde liegenden Studien. Teilweise waren die Probandenzahlen sehr niedrig. Bezüglich Nebenwirkungen wurden die Beobachtungszeiträume selten lang genug gewählt, um diese zu erkennen, weshalb besonders die positiven Daten aus kurz dauernden Studien mit Vorsicht zu interpretieren sind. Möglicherweise sind viele Antidepressiva nicht nur kaum wirksam, sondern für Kinder und Jugendliche auch mit mehr Risiken behaftet als bisher angenommen. |

Quelle

Cipriani A, et al. Comparative efficacy and tolerability of antidepressants for major depressive disorder in children and adolescents: a network meta-analysis. Lancet 2016, published online 8. Juni; doi: 10.1016/S0140-6736(16)30385-3

S3-Leitlinie „Behandlung von depressiven Störungen bei Kindern und Jugendlichen“, AWMF-Nr. 028 - 043, Stand: Juli 2013

Apotheker Dr. André Said

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