Feuilleton

Arzneimittel – vegan oder nicht vegan?

Ein Überblick über Tierisches und Menschliches im aktuellen Arzneischatz*

Vegane Nahrungsmittel braucht man heute nicht mehr zu suchen. Sie werden als eigene Sparte in Supermärkten angeboten. In vielen Städten existieren bereits vegane Restaurants. Seit dem Jahrgang 2012 sind sogar vegane Weine, die ohne tierisches Eiweiß geklärt werden, auf dem Markt [1, 2].

Komplizierter ist die Beurteilung von Arzneimitteln aus veganer Sicht. Man wird hier zuerst an die zahlreichen Phytopharmaka denken, dann an die synthetischen Arzneistoffe, die nicht tierischen Ursprungs sind. Phytopharmaka und Synthetika werden von Veganern allerdings nur dann bedenkenlos eingenommen, wenn die jeweilige Arzneiform frei von tierischen Hilfsstoffen ist (z. B. Gelatine).

Erinnerungen an das DAB 6

Die Zahl der aus Tieren und tierischem Material gewonnenen Arzneimittel war noch in den 1950er Jahren, zur Zeit des DAB 6 [3], relativ gering. An galenischen Hilfs- und Grundstoffen wären das Wollwachs (Wollfett, Adeps Lanae), das Bienenwachs (Cera flava und Cera alba), das Schweineschmalz (Adeps suillus), der Walrat (Cetaceum) sowie die Gelatine (Weißer Leim, Gelatina alba) zu nennen. Arzneiliche Zubereitungen waren Eisenalbuminatlösung (Liquor Ferri albuminati), Tannalbin (Tannalbin E.W.), Zerate (Cerata) und Arzneiliche Seifen (Sapones medicati).

Tannalbin enthält das aus Galläpfeln gewonnene Tannin und wird heute noch erfolgreich zum Stoppen von Durchfällen verwandt. Es ist ein doppelt animalisches Produkt, denn das Tannin wird durch die Eiablage der Gemeinen Eichengallwespe (Cynips quercusfolii) auf der Unterseite von ­Eichenblättern erzeugt, und das Albumin ist tierischen Ursprungs. Die enthaltene Eiweißkomponente erhöht die Verträglichkeit des Präparates, ist also nur ein Hilfsstoff, was auch für die ­Eisenalbuminatlösung zutrifft.

Echte Wirkstoffe werden in den Monografien Getrocknete Schilddrüsen (Glandulae Thyreoideae siccatae), Lebertran (Oleum Jecoris Aselli), Pepsin (Pepsinum) und Spanische Fliegen (Cantharides) beschrieben, von denen die Letzteren wegen ihrer Nebenwirkungen heute obsolet sind.

Das DAB 6 enthielt folgende Seren: Diphtherie-Serum, Meningokokken-Serum, Tetanus-Serum, Schweinerotlauf-Serum und Geflügelcholera-Serum sowie die Tuberkuline Alt-Tuberkulin (Tuberkulin Koch), Albumosefreies ­Tuberkulin und Perlsucht-Tuberkulin (Bovo-Tuberkulin Koch). Zwar nicht im DAB 6 beschrieben, so doch seit Jahrhunderten therapeutisch verwendet und bereits in der Pharmacopoea Germanica von 1872 aufgeführt wurde der Medizinische Blutegel (Hirudo medicinalis), den man als lebendes Applika­tionssystem bezeichnen könnte.

Seit den 1990er Jahren werden auch wieder sterile Maden (Fliegenlarven) zur Entfernung nekrotischen Gewebes schlecht heilender Wunden eingesetzt. Zu erwähnen ist ferner die Psoriasis-Therapie mithilfe kleiner Knabber­fische, die auch zur kosmetischen Fußpflege Anwendung finden.

Moderne Stoffe tierischen und menschlichen Ursprungs

Man sollte meinen, dass heute der aktuelle Arzneischatz nur noch wenige tierische Arzneimittel und Hilfsstoffe enthält. Doch halten wir uns an das zuständige Arzneibuch, und das ist die achte Ausgabe des Europäischen Arzneibuchs nebst seiner Nachträge [4]. Dabei stellt sich heraus, dass eine ­ganze Reihe von Stoffgruppen, die als Monografien beschrieben werden, tierischen und sogar menschlichen Ursprungs ist. Trotzdem sind sie in der Minderheit, sodass es sinnvoller ist, nach ihnen zu fahnden, statt die Tausende von veganen Arzneistoffen aufzuzählen.

Funktionelle Peptide

  • Albuminlösung vom Menschen (Albu­mini humani solutio) ist eine sterile, flüssige Zubereitung aus einer menschlichen Plasmaproteinfraktion.
  • Verschiedene Blutgerinnungsfaktoren vom Menschen (Factores coagulationis humani). Sie werden mithilfe eines Verfahrens, das auf der DNA-Rekombinationstechnik beruht, in Säugetierzellen hergestellt.
  • Calcitonin (Lachs) (Calcitoninum salmonis). Die Herstellungsmethode beruht ebenfalls auf der rDNA-Technologie.
  • Chondroitinsulfat-Natrium (Chondroitini natrii sulfas) wird aus Knorpel von Tieren gewonnen.
  • Choriongonadotropin (Gonadotropinum chorionicum) isoliert man immer noch aus dem Urin schwangerer Frauen.
  • Chymotrypsin (Chymotrypsinum) wird durch Aktivierung des aus Rinderpankreas extrahierten ­Chymotrypsinogens gewonnen.
  • Fibrinogen vom Menschen (Fibrinogenum humanum) ist eine sterile, gefriergetrocknete Zubereitung einer humanen Plasmaproteinfraktion.
  • Konzentrierte Filgrastim-Lösung (Filgrastimi solutio concentrata) ist eine Lösung eines Proteins mit der Primärstruktur des Granulozyten-Kolonie-stimulierenden Faktors, das von Endothelzellen, Monozyten und anderen Zellen des Immunsystems gebildet und sezerniert wird.
  • Follitropin (Follitropinum) ist eine gefriergetrocknete Zubereitung eines heterodimeren Glyko­proteins mit der Struktur des follikelstimulierenden Hormons (FSH) des Menschen. Es wird in Säugetierzellen nach einem Verfahren hergestellt, das auf der DNA-Rekombina­tionstechnik beruht.
  • Glucagon human (Glucagonum humanum) ist ein Polypeptid, das die gleiche Struktur aus 29 Aminosäuren besitzt wie das durch α-Zellen des menschlichen Pankreas gebildete Hormon. Es wird wiederum nach einer Methode hergestellt, die auf der DNA-Rekombinationstechnik beruht.
  • Hämatopoetische Stammzellen vom Menschen (Cellulae stirpes haematopoieticae humanae) stammen aus dem Knochenmark, aus dem peripheren Blut oder aus dem Nabelschnurblut von sorgfältig ausgewählten menschlichen Spendern.
  • Heparin-Calcium und Heparin-Natrium (Heparinum calcicum, Heparinum natricum) werden aus Intestinalschleimhäuten von Schweinen isoliert. Niedermolekulare Heparine werden durch Depolymerisierung von Heparin gewonnen, so Nadroparin-Calcium durch Einwirkung von salpetriger Säure und Parnaparin-Natrium durch Radikalkatalyse.
  • Hyaluronidase (Hyaluronidasum) ist ein aus den Hoden von Säugetieren extrahiertes Enzym.
  • Immunglobuline. Im 3. Nachtrag zur Ph. Eur. 8 sind 15 Monografien von Immunglobulinen enthalten, angefangen mit Anti-D-Immunglobulin vom Menschen bis Varizellen-Immunglobulin vom Menschen.
  • Immunsera. In der Ph. Eur. 8 findet man acht Immunsera, darunter solche gegen Botulismus, Diphtherie, Gasbrand, Schlangengift und Tetanus.
  • Impfstoffe für Menschen. Das Europäische Arzneibuch weist aktuell die stolze Zahl von 63 Monografien für Impfstoffe auf. Impfstoffe für Tiere sind dabei nicht mitgezählt.
  • Insuline. In der Ph. Eur. sind die Monografien Insulin aspart, I. glargin, I. human, I. lispro, I. vom Rind, I. vom Schwein sowie für sechs weitere Insulinzubereitungen zu finden.
  • Konzentrierte Interferonlösungen. Während für die gentechnologische (DNA-rekombinante) Herstellung der Interferon-alfa-2-Lösung und der Interferon-gamma-1b-Lösung Bakterien verwendet werden, sind es bei der Herstellung von Interferon-beta-1a-Lösung Säugetierzellen.
  • Pepsin (Pepsini pulvis), das aus der Magenschleimhaut von Rindern, Schweinen oder Schafen gewonnen wird, enthält die Proteinasen des Magens.
  • Plasma vom Menschen (Humanplasma) zur Fraktionierung (Plasma humanum ad separationem) ist der flüssige Teil des menschlichen Blutes.
  • Plasma vom Menschen, gepoolt, ­virusinaktiviert ist eine sterile, gefrorene oder gefriergetrocknete, pyrogenfreie Zubereitung aus Plasma vom Menschen.
  • Protaminsulfat (Protamini sulfas), das die Antikoagulationswirkung von Heparin hemmt, besteht aus den Sulfaten basischer Peptide, die aus Sperma oder Rogen von Fischen durch Extraktion gewonnen werden.
  • α-1-Proteinase-Inhibitor vom Menschen (α-1-Proteinasi inhibitor humanum) ist eine flüssige oder gefriergetrocknete Zubereitung einer menschlichen Plasmafraktion.
  • Prothrombinkomplex vom Menschen (Prothrombinum multiplex humanum) ist eine sterile Fraktion von humanen Plasmaproteinen mit verschiedenen Blutgerinnungs­faktoren.
  • Somatropin (Somatropinum) ist ein Protein aus 191 Aminosäuren, das in seiner Struktur dem in der menschlichen Hypophyse gebildeten Wachstumshormon entspricht. Ursprünglich isolierte man das Hormon aus Hypophysen von Verstorbenen, was 1985 weltweit verboten wurde. Heute werden Somatropin und seine Zubereitungen wie Soma­tropin zur Injektion und Konzentrierte Somatropin-Lösung nach einem Verfahren der DNA-Rekombinationstechnik hergestellt. Dabei erhebt sich die Frage, ob die auf diese Weise gewonnenen Arzneimittel als vegan zu betrachten sind oder nicht. Schließlich dient hier Escherichia ­coli als Produzent – und Bakterien sind keine tierischen Organismen.
  • Urofollitropin (Urofollitropinum) ist eine trockene Zubereitung, die Gonadotropin aus Urin von Frauen nach der Menopause enthält.
  • Urokinase (Urokinasum) ist ein ­Enzym, das aus Urin von Menschen gewonnen wird und Plasminogen aktiviert.
  • Von-Willebrand-Faktor vom Menschen (Factor humanus von Wille­brandi) ist eine sterile, gefriergetrocknete Zubereitung aus einer bestimmten Plasmaproteinfraktion.

Wirkstoffe

  • Ammoniumbituminosulfonat (Ichthammolum) wird aus bestimmten bituminösen Schiefern durch Destillation, Sulfonieren und Neutralisieren mit Ammoniak gewonnen. Da Bitumen aus Plankton (Meeres-Kleinstlebewesen) entstanden ist, ist es zumindest partiell tierischen Ursprungs.
  • Chenodesoxycholsäure (Acidum chenodeoxycholicum) ist Hauptbestandteil der Galle von Gänsen, Hühnern und vielen Säugetieren. Da sie Cho­lesterol in Lösung zu bringen vermag, wird sie zur nichtoperativen Entfernung von Cholesterol-haltigen Gallensteinen eingesetzt. Für die diastereomere Ursodesoxycholsäure (Acidum ursodeoxycholicum) gilt Analoges. Wie die beiden Wirkstoffe gewonnen werden (aus natürlicher Galle oder durch chemische Abwandlung synthetischer Gallensäure), legt das Arzneibuch nicht fest.
  • Chitosanhydrochlorid (Chitosani hydrochloridum). Chitosan ist ein unverzweigtes, binäres Heteropolysaccharid, das durch partielle Deacetylierung von Chitin gewonnen wird.
  • Ölige Lösungen von Colecalciferol (Cholecalciferolum densatum oleo­sum) sind zwar Lösungen in einem geeigneten pflanzlichen Öl. Ob das Colecalciferol jedoch aus Lebertran isoliert wurde, also natürlichen und somit tierischen Ursprungs ist, ist nicht festgelegt.
  • Cholesterol (Cholesterolum), das etwa zehn Prozent der Trockenmasse unseres Großhirns ausmacht, ist preiswerter aus Eidotter zu isolieren als zu synthetisieren.
  • Glucosaminhydrochlorid (Glucos­amini hydrochloridum) wird aus ­natürlichen Materialien oder durch Fermentation gewonnen.
  • Glucosaminsulfat-Natriumchlorid (Glucosamini sulfas natrii chloridum) gewinnt man aus dem voranstehend beschriebenen Stoff.
  • Hyaluronsäure. Natriumhyaluronat (Natrii hyaluronas) kann nach Ph. Eur. entweder durch Fermentation aus grampositiven Bakterien hergestellt oder durch Extraktion aus Tieren (Hahnenkämmen) gewonnen werden. Diese müssen den lebensmittelrechtlichen Anforderungen entsprechen.
  • Lachsöl vom Zuchtlachs (Salmonis domestici oleum) ist das gereinigte fette Öl von frischen, gezüchteten Tieren der Spezies Salmo salar.
  • Lebertran (Typ A und Typ B) (Jecoris aselli oleum A bzw. B) ist das gereinigte, fette Öl, das aus frischer Leber des wild lebenden Kabeljaus (Gadus morrhua) und anderer Spezies der Familie Gadidae gewonnen wird.Für Lebertran vom Kabeljau (aus Aufzucht) (Jecoris aselli domestici oleum) gilt Analoges.
  • Omega-3-Säurenethylester 60 und 90 sowie Omega-3-Säuren-Triglyceride werden durch Umesterung aus Omega-3-Säuren-reichen Fischölen (Piscis oleum omega-3 acidis abun­dans) gewonnen.
  • Pankreas-Pulver (Pancreatis pulvis), das proteolytische, lipolytische und amylolytische Enzyme enthält, wird aus dem frischen oder gefrorenen Pankreas von Säugetieren gewonnen.

Grund- und Hilfsstoffe

  • Steriles Catgut (Chorda resorbilis sterilis) besteht aus Fäden, die aus dem Kollagen der Darmwand von Säugetieren gewonnen werden.
  • Cetylstearylalkohol (Alcohol cetylicus et stearylicus) ist ein Gemisch fester aliphatischer Alkohole tierischen oder pflanzlichen Ursprungs.
  • Fibrin-Kleber (Fibrini glutinum) besteht aus zwei Komponenten, die aus Humanplasma resultieren.
  • Gelatine (Gelatina) ist das gereinigte Protein, das durch partielle saure, alkalische, enzymatische oder thermische Hydrolyse aus tierischem Kollagen erhalten wird.
  • Glyceroldistearat (Glyceroli distearas) wird alternativ durch Veresterung von Glycerol mit Stearinsäure hergestellt, die pflanzlichen oder ­tierischen Ursprungs sein kann. Analoges gilt für Glycerolmonooleat (Glyceroli mono-oleas).
  • Hartfett (Adeps solidus) ist ein Gemisch von Glyceriden, das durch Veresterung von Fettsäuren natür­lichen Ursprungs mit Glycerol oder durch Umesterung von Fetten natürlichen Ursprungs erhalten wird, wobei tierische Fette oder Fettsäuren aus tierischen Fetten nicht ausgeschlossen sind.
  • Honig (Mel) wird von Honigbienen produziert.
  • Wasserfreie Lactose (Lactosum anhydricum) und Lactose-Monohydrat (Lactosum monohydricum). Die beiden Milchzuckerqualitäten werden durch Umkristallisieren des Produktes gewonnen, das durch Eindampfen der von Lipiden, Proteinen und Mineralstoffen gereinigten ­Molke erhalten wurde.
  • Schellack (Lacca) ist ein gereinigtes Produkt, das aus der harzartigen Abscheidung weiblicher Exemplare der Lackschildlaus (Kerria lacca), die auf bestimmten Bäumen besonders in Süd- und Südostasien lebt, hergestellt wird. Es werden vier ­Arten unterschieden: Schellack, ­gebleichter Schellack, wachsfreier Schellack und gebleichter, wachsfreier Schellack.Pharmazeutische Verwendung findet der Schellack als Überzugsmittel für Dragees, für magensaftresistente Arzneiformen und solche mit verzögerter Wirkstofffreisetzung.
  • Gebleichtes Wachs (Cera alba) wird durch Bleichen von gelbem Bienenwachs hergestellt.
  • Gelbes Wachs (Cera flava) ist das durch Ausschmelzen der entleerten Waben der Honigbiene mit heißem Wasser gewonnene und von fremden Bestandteilen gereinigte Wachs.
  • Wollwachs (Adeps lanae) ist die gereinigte, wasserfreie, wachsartige Substanz von charakteristischem Geruch, die aus der Wolle des Schafs (Ovis aries) gewonnen wird. Wasserhaltiges Wollwachs (Adeps lanae cum aqua) ist eine homogene Mischung von 75% Wollwachs und 25% Wasser.
  • Hydriertes Wollwachs (Adeps lanae hydrogenatus) wird durch Hydrieren von Wollwachs unter extremen Bedingungen erhalten. Dabei werden die im Wollwachs enthaltenen Ester und Säuren zu den entsprechenden Alkoholen reduziert.
  • Wollwachsalkohole (Alcoholes adipis lanae). Die Monografie beschreibt ein Gemisch von höheren aliphatischen Alkoholen und Sterolen aus Wollwachs.

Tierische Grundstoffe in Homöopathika sind zahlreich. Erwähnt seien hier nur das Mittel Apis mellifica, das aus der ganzen Honigbiene gewonnen wird, und das Asthmamittel Blatta ­orientalis, eine Zubereitung aus der Gemeinen Küchenschabe, auch als ­Kakerlake bekannt.

Offene Fragen

Es ist Ansichtssache, ob chemisch ­definierte Wirkstoffe des tierischen Organismus wie Corticoide, Sexualhormone, Gewebshormone (z. B. Adrenalin), biogene Amine (z. B. Dopamin) oder Prostaglandine, die heute vollsynthetisch hergestellt werden, zu den tierischen Stoffen zu rechnen sind oder nicht. Immerhin sind sie mit ­tierischer und menschlicher Materie nicht in Berührung gekommen.

Hierher gehören auch die nieder­molekularen funktionellen Peptide, die heute synthetisch oder fermentativ hergestellt werden, wie

  • das Dipeptid Glutathion (Glutathionum), Protirelin (Protirelinum) aus drei Aminosäuren, Leuprorelin (Leuprorelinum) aus neun Aminosäuren oder Tetracosactid (Tetracosactidum) aus 24 Aminosäuren.
  • Die fettlöslichen Vitamine A und D können ebenfalls synthetisiert oder aus Säugetieren und Fischen isoliert werden.
  • Gereinigtes Tuberkulin aus Mycobacterium avium oder aus M. bovis wird von Mykobakterien gewonnen, die in einem flüssigen, synthetischen Nährmedium kultiviert werden, aber eigentlich in Vögeln bzw. Rindern vegetieren.

Um noch einen Schritt weiterzugehen, sei die Frage gestellt, ob auch die synthetisierten Aminosäuren, synthetischen Milchsäuren, das Glycerol und der großtechnisch produzierte Harnstoff als nicht-vegan einzustufen sind.

Da eine Arzneibuchmonografie immer erst dann formuliert wird und erscheinen kann, wenn ein Arzneistoff, ein Grundstoff oder ein Hilfsstoff seine Brauchbarkeit bewiesen hat, ist das Spektrum an tierischen Arzneimitteln wesentlich größer, als das aktuelle Arzneibuch vermuten lässt. Man denke beispielsweise an die Behandlung der Mukoviszidose des Atemtrakts mit Lavagen aus Säugetierlungen.

Ausblick

Nahrungsmittel, Arzneimittel, Schönheitsmittel (Kosmetika) – in jedem Bereich sollte der vegane Verbraucher ausreichend informiert werden. Mit dem voranstehenden Essay ist das für die Arzneimittel geschehen. Kosmetikhersteller sollten daran denken, dass häufig eingesetzte Parfüm-Grundstoffe wie Amber, Moschus oder Zibet Produkte oder Extrakte tierischer Organe sind, und sollten dies den Benutzern der teuren Düfte nicht verschweigen.

Außer dem Veganismus gibt es natürlich auch andere ethische Argumente, um bestimmte Produkte auszuwählen oder abzulehnen, z. B. religiöse Reinheitsgebote. „Koscher“ ist bei Speisen ein altbekannter Begriff. Aber es gibt auch koschere Arzneimittel und Halal-Arzneimittel (gemäß islamischen Geboten); sie werden z. B. von der Firma Merck bereits seit 2009 hergestellt und vertrieben. |

Quellen

[1] Weingut Jakob Neumer OHG, Gunters­blumer Straße 52-56, 55278 Uelversheim

[2] Weingut Franz Wilhelm Langguth Erben GmbH & Co KG, Dr.-Ernst-Spies-Allee 2, 56841 Traben-Trarbach

[3] Deutsches Arzneibuch, 6. Ausgabe, 1926

[4] Europäisches Arzneibuch, 8. Amtliche deutsche Ausgabe mit den Nachträgen 1 bis 3 (8. Mai 2015). Deutscher Apotheker Verlag, Govi-Verlag – Pharmazeutischer Verlag

Autor

Prof. Dr. rer. nat. Dr. h. c. Hermann J. Roth, Friedrich-Naumann-Str. 33, 76187 Karlsruhe

www.h-roth-kunst.com

info@h-roth-kunst.com

* Herrn Professor Dr. Max Wichtl in Ver­ehrung, Bewunderung und kollegialer Verbundenheit zum 90. Geburtstag gewidmet.

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