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Beratung

Koscher, halal und vegan

Was ist verboten, was ist erlaubt?

Viele religiös gebundene Menschen sowie Anhänger alternativer Ernährungsformen verzichten auf bestimmte Nahrungs- und Genussmittel, beispielsweise (Schweine-)Fleisch und Alkohol. Doch auch Medikamente und Kosmetika sowie deren Verpackungen können solche Produkte als Wirk- oder Zusatzstoffe enthalten. Wie können Kunden, die bestimmte Speisevorschriften befolgen, am besten beraten werden? | Von Claudia Bruhn

So wie es unterschiedliche Auslegungen beispielsweise des Islam gibt, so wird auch die „Sündhaftigkeit“ von bestimmten Stoffen, die in Nahrungs- und Arzneimitteln oder in Körperpflegeprodukten enthalten sind, verschieden interpretiert. Apotheken sollten jedoch angesichts des anhaltenden Zustroms von Menschen anderer Glaubensrichtungen darauf vorbereitet sein, dass im Beratungsgespräch gelegentlich spezielle Fragen auftauchen und gegebenenfalls eine Alternative zu Produkten mit verbotenen Wirk- oder Hilfsstoffen anbieten können.

Halal und haram – die Speisevorschriften des Islam

Das wichtigste Speisegebot für Muslime ist der Verzicht auf Schweinefleisch. Auch viele andere Tiere sind haram (unrein). Dazu zählen Pferd und Esel (die laut Koran von Allah einzig und allein zum Lastentransport bestimmt worden sind), alle fleischfressenden Tiere, Insekten, verstorbene Tiere. Bei den erlaubten reinen (arabisch: halal, türkisch: helal) Tierarten ist zu gewährleisten, dass sie nach dem Schlachten – mittels Kehlschnitt und ohne Betäubung – vollständig ausbluten, denn auch Blut ist haram.

Unrein sind nach dem Koran auch Alkohol, Alkohol-haltige Getränke sowie Rauschmittel. Das Verbot gilt jedoch nur für Ethanol – Methanol, Propanol oder Isopropanol sind erlaubt. Haram sind nicht nur alle flüssigen Ethanol-haltigen Zubereitungen, sondern auch Inhaltsstoffe, für deren Synthese Alkohol notwendig war – selbst wenn er im Endprodukt nicht mehr vorhanden oder nur noch in Spuren nachweisbar ist. Ein striktes Alkoholverbot gibt es jedoch nur in wenigen islamischen Ländern, und der individuelle Umgang mit Alkohol ist unter Muslimen sehr verschieden.

Koscher und trefe – die Speisegebote des Judentums

Was für Muslime halal und haram ist, bezeichnen Juden als koscher (hebräisch für rein, geeignet) und trefe (unrein). Die jüdischen Speisegesetze sind wesentlich umfangreicher und restriktiver als die islamischen. Daher bestehen bei den ­zusammengehörenden Begriffspaaren einige Gemeinsamkeiten, vor allem aber große Unterschiede.

Nach dem jüdischen Speisegesetz, der Kaschrut, sind nur Tiere erlaubt, die

  • vier Füße und völlig durchgespaltene Klauen besitzen und wiederkäuen, z. B. Rinder, Schafe, Ziegen, Hirsch, Reh, ­Gazellen, Antilopen,
  • Hühner, da sie Schenkel besitzen, um damit „von der Erde wegzuhüpfen“; andere geflügelte Kleintiere gelten als ­unrein, ebenso Reptilien und Amphibien,
  • wasserbewohnende Tiere, sofern sie Flossen und Schuppen haben.

Demnach sind beispielsweise Schweine, Pferde, Hasen und Kaninchen sowie Austern und Hummer trefe. Auch bei Juden ist das Schächten der Tiere – außer bei Fischen – Vorschrift, das heißt ein Schlachten mittels Kehlschnitt ohne Betäubung, bei dem das Tier vollständig ausblutet.

Eine besondere Herausforderung stellt das Verbot des Mischens von fleischhaltigen mit milchhaltigen Produkten dar. Grundsätzlich teilen Juden Nahrungsmittel in drei Gruppen ein:

  • fleischhaltige (bessari),
  • milchige (chalawi) und
  • neutrale Produkte (setami), wozu z. B. Pflanzen, Fische und Eier zählen.

Während neutrale Produkte sowohl mit Fleischigem als auch mit Milchigem gemischt werden dürfen, müssen bessari und chalawi nicht nur nicht gemischt oder gemeinsam serviert, sondern auch getrennt aufbewahrt werden. Daher gibt es in jüdischen Haushalten getrennte Kochutensilien für Fleisch- und Milchgerichte – und getrennte Kühlschränke. Darüber hinaus ist die Auslegung dieses Gebots unterschiedlich streng. Orthodoxe Juden würden nach einer Fleischmahlzeit keine Lactose-haltige Tablette einnehmen, da sich Fleisch und Milch auch nicht im Verdauungstrakt mischen dürfen. Bei Alkohol ist beispielsweise der „Verdauungsschnaps“ nach dem Essen erlaubt. Wein trinken strenggläubige Juden jedoch nur, wenn er ein Koscher-Zertifikat besitzt. Denn dieses Getränk wird in anderen Religionen bei rituellen Handlungen gereicht, was es für Juden unrein werden lässt. Auch im Judentum gilt: Wenn ein Produkt zwar an sich koscher ist, aber bei der Weiterverarbeitung mit unreinen Produkten in Berührung kommt, wird es automatisch trefe. Daher dürfen Säfte und auch Wein nicht mittels Gelatine geklärt worden sein, wenn sie den religiösen Geboten entsprechen sollen. Käse, der mit tierischem Lab hergestellt wurde, ist ebenfalls trefe. Eine Alternative wären mit mikrobiellem Lab hergestellte Erzeugnisse.

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Alkohol-haltige Tropfen können auch aus nicht-­religiösen Gründen abgelehnt werden.

„Not bricht Gebot“ – Ausnahmen bei medizinischer Notwendigkeit

In beiden Religionen darf bei medizinischer Notwendigkeit von den Vorschriften abgewichen werden, da der Erhalt von Leben und Gesundheit Vorrang vor den Speisevorschriften besitzt. So sollte beispielsweise die Einnahme von Pankreatin bei einem jüdischen oder muslimischen Patienten mit exokriner Pankreasinsuffizienz kein Problem sein. Eine ­Alternative wäre in diesem Fall ein Präparat mit fungalen Enzymen, die aus gereinigten Extrakten von Reispilzen ­gewonnen werden. Im Zweifelsfall sind die jeweiligen ört­lichen Imame bzw. Rabbiner die richtigen Ansprechpartner. Am Sabbat und an jüdischen Feiertagen sollen keine nicht unbedingt notwendigen medizinischen Behandlungen oder dia­gnostischen Maßnahmen durchgeführt werden.

Vegetarische und vegane Ernährungsweise

Die Zahl der Anhänger dieser beiden facettenreichen Ernährungsformen wächst ständig. Kleinster gemeinsamer Nenner ist der Verzicht auf Nahrungsmittel, die von getöteten Tieren stammen. Eine Ausnahme bilden die Pescetarier, die auf Fleisch, aber nicht auf Fisch bzw. Meeresfrüchte verzichten, wobei ihre Zugehörigkeit zum Vegetarismus teilweise kontrovers diskutiert wird. Darüber hinaus lehnen Vegetarier auch Produkte lebender Tiere wie Eier, Milch und Honig teilweise oder komplett ab. Je nach Ausrichtung werden daher verschiedene Unterformen (Ovo-, Lacto- bzw. Ovo-lacto-Vegetarismus) unterschieden. Veganer verzichten zudem auf tierische Produkte auch außerhalb der Ernährung. Sie vermeiden daher Kleidung aus Wolle, Leder, Pelz und Seide sowie Schmuck aus Horn oder Elfenbein.

Als Gründe für eine vegetarische Ernährungsweise führen ihre Anhänger ethische, gesundheitliche, moralische oder Umwelt-bezogene Motive an. Religiös begründeter Vegetarismus findet sich auch in einigen Richtungen des Hinduismus und Buddhismus. Zwar essen einige Christen freitags kein Fleisch, spezielle strenge Speisevorschriften kennt das Christentum jedoch nicht. Als Beleg dafür dient häufig ein Zitat von Jesus Christus aus dem Neuen Testament (Matthäus-Evangelium): „Was zum Munde eingeht, das verunreinigt den Menschen nicht; sondern was zum Munde ausgeht, das verunreinigt den Menschen.“ Dennoch praktizieren einige christliche Glaubensgemeinschaften den Vegetarismus, wie beispielsweise die Sieben-Tags-Adventisten.

Anhänger einer strikten vegetarischen bzw. veganen Ernährungsweise lehnen auch im Arzneimittelbereich bestimmte Präparate ab, die Hormone tierischer Herkunft oder Gelatine enthalten, ebenso Tabletten mit Hilfsstoffen, für deren Herstellung tierisches Lab verwendet wurde (z. B. Lactose). Manche Veganer nehmen keine Arzneimittel ein, die in Tierversuchen getestet wurden – außer in Notfällen. In der Selbstmedikation können, falls vorhanden, Präparate von Generikaherstellern empfohlen werden, da für deren Zulassung keine zusätzlichen Tierversuche notwendig sind.

Label, Siegel und Zertifikate

Vegetarier und Veganer können sich beim Einkauf von Lebensmitteln mithilfe der Zutatenliste Gewissheit darüber verschaffen, ob ein Produkt Fleischerzeugnisse enthält. Letztendlich ist die Sicherheit aber nicht 100%ig, denn Zusatzstoffe wie natürliche Aromen können beispielsweise aus Fleisch hergestellt worden sein. Noch schwieriger wird es bei einem Restaurantbesuch. Wer ganz sicher sein will und sich nicht auf die Aussagen vom Servier- und Küchenpersonal eines Lokals verlassen möchte, besucht nur solche Gaststätten, die das Europäische Vegetarismus-Label (V-Label) tragen. Es wird von der Europäischen Vegetarier Union vergeben und in den einzelnen Ländern durch deren Landesorganisation vertreten (in Deutschland vom VEBU – Vegetarierbund Deutschland e. V.). Entwickelt wurde das Label bereits 1985; heute zählt es weltweit zu den verbreitetsten und am häufigsten benutzten vegetarischen Zertifikate. Um feststellen zu können, ob ein Lebens- oder Arzneimittel halal oder koscher ist, reicht das Studium der Zutatenliste oder des Beipackzettels nicht aus. Denn wenn ein Produkt aus Sicht der jeweiligen Religion zwar rein ist, aber bei der Weiterverarbeitung oder Lagerung mit unreinen Stoffen in Berührung kommt, ist die Reinheit nicht mehr gewährleistet. Daher muss für ein halales oder koscheres Lebens- oder Arzneimittel der gesamte Produktionsprozess den Reinheitsanforderungen entsprechen. Auch für Halal- und Koscher-Zertifikate gibt es entsprechende Anbieter. Diese überprüfen in den zertifizierten Unternehmen durch regelmäßige Audits, ob die Vorschriften eingehalten werden. Zu den bekanntesten internationalen Zertifizierungsstellen zählen KOF-K Kosher Supervision (www.kof-k.org) und Halal Control (www.halalcontrol.eu). Die strengsten Anforderungen an Nahrungs- und auch Arzneimittel stellen Indonesien und Malaysia. Eine Halal-Zertifizierung ist für solche Arzneimittelhersteller interessant, die viele Produkte in streng muslimische Länder exportieren.

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Logos können darüber Auskunft geben, ob ein Produkt vegan, koscher oder halal ist. Einige Zertifizierungsstellen vergeben auch Siegel oder Zertifikate für Arzneimittel. Diese garantieren, dass die Ausgangsstoffe und der Herstellungsprozess alle religiösen Anforderungen erfüllen. Das sogenannte V-Label (links) ist eine international anerkannte und geschützte Marke zur Kennzeichnung vegetarischer und veganer Produkte.

Arzneistoffe ...

Insulin

Wirkstoffe tierischen Ursprungs spielen im Arzneimittel­bereich nur noch eine untergeordnete Rolle. So wird beispielsweise Insulin aus Schweine- und Rinderpankreas in Deutschland sowie vielen anderen Ländern seit Langem nicht mehr hergestellt. Biotechnologisch hergestellte Produkte sind im Islam und im Judentum akzeptiert.

Enzyme

Für Wirkstoffe, die noch nicht rekombinant hergestellt ­werden können (z. B. Pankreatin) gibt es Alternativen (z. B. Nortase® mit Pankreas-Enzymen fungalen Ursprungs).

Heparin

Heparine werden aus der Dünndarmmukosa von Schweinen hergestellt und könnten daher problematisch sein. Da sie jedoch in den meisten Fällen im Rahmen von Operationen eingesetzt werden, könnte in diesem Fall die Regel „Not bricht Gebot“ zur Anwendung kommen. Heparin lässt sich auch aus Rinderlunge gewinnen. Dies ist jedoch seit der BSE-Krise nicht mehr erlaubt, um eine potenziell mögliche Übertragung von BSE-Erregern zu vermeiden. Für Veganer könnte das synthetische Heparin Fondaparinux eine Alternative sein.

Impfstoffe

Einige Hersteller von Impfstoffen haben für einige ihrer Produkte Halal-Zertifikate erworben, beispielsweise der Hersteller GlaxoSmithKline (GSK) für seine Impfstoffe Cervarix® und Synflorix®. Für Veganer sind Impfstoffe problematisch, da häufig Hühnereiweiß, Gelatine, Lactose oder Rindergalle enthalten sein können. Außerdem werden bei der Impfstoffherstellung tierische Zellkulturen bzw. tierische Eiweiße in Form von Nährlösungen für Bakterienkulturen benötigt. Für die klinischen Prüfungen der Impfstoffe sind Tierversuche notwendig.

... und Hilfsstoffe

Gelatine

Angaben zu Hilfsstoffen finden sich im Beipackzettel oder der Fachinformation im Abschnitt „Sonstige Bestandteile“. Dies erleichtert das Finden von Alternativen, insbesondere bei rezeptfreien Präparaten. So bieten viele Hersteller bei ­Indikationen wie Schmerzen, Erkältung oder Husten unter einem Markennamen nicht nur ein Produkt, sondern eine ganze Palette an. Eine Gelatine-haltige Kapsel kann daher beispielsweise gegen ein Heißgetränk ausgetauscht werden. Auch Kapseln auf Basis von Stärke, Carrageen oder Hydroxy­propylmethylcellulosen sind unproblematisch. Kapseln, deren Gelatine von einem Rind oder Kalb stammt, die geschächtet wurden, wären zwar für Moslems und Juden ­akzeptabel, für Veganer jedoch nicht. In Europa wird jedoch ein Großteil der Gelatine aus Schweineschwarten hergestellt. Gelatine ist außerdem in Nahrungsergänzungsmitteln („für schönere Haut, Haare und Nägel“) und in Medizinprodukten zur lokalen Blutstillung im zahnmedizinischen Bereich enthalten (z. B. Gelita®-Tampon aus gehärteter Gelatine porcinen Ursprungs). Es gibt aber auch Gelatine aus koscher geschlachteten und zertifizierten Rindern (Geliko® Kosher Gelatine), die z. B. für die Herstellung von Hart- und Weichkapseln eingesetzt werden kann.

Lactose

Tabletten (auch homöopathische) können Milchzucker als Hilfsstoff enthalten. Lactose wird aus Molke, die bei der Käseherstellung anfällt, gewonnen. Für die Molkeherstellung gibt es mehrere Verfahren. Bei einem wird der Milch eine Säure (z. B. Zitronensäure) zugesetzt. Dieses gilt als koscher bzw. halal. Werden jedoch die Milchproteine mithilfe von ­tierischen Enzymen (Kälberlab) ausgefällt, muss streng ­genommen geprüft werden, ob das Kalb durch Schächten geschlachtet wurde. Sind die Enzyme mikrobiellen Ursprungs wäre zu prüfen, ob bei der Herstellung der Nährmedien nur reine Produkte im Sinne der religiösen Gebote verwendet wurden.

Als Alternative zu homöopathischen Tabletten bieten sich Globuli an, die aus Saccharose bestehen. Sie werden mit dem jeweiligen homöopathischen Mittel in flüssiger Form besprüht oder beträufelt. Ist darin Alkohol enthalten, verdunstet er beim Trocknungsvorgang und das Endprodukt wäre alkoholfrei. Bei strenger Auslegung sowohl der islamischen als auch der jüdischen Vorschriften wäre eine Einnahme dennoch inakzeptabel, da das Arzneimittel durch den Alkohol während des Herstellungsvorganges unrein wurde.

Weizenstärke

Neben Lactose kann auch der Hilfsstoff Weizenstärke ein Problem darstellen; Kunden mit Gluten-Unverträglichkeit könnten nach glutenfreien Tabletten fragen. Es sind Präparate verfügbar, bei denen aus diesem Grund Weizenstärke durch Kartoffelstärke ersetzt wurde (z. B. DHU Schüßler-Salze karto®).

Juden dürfen während des siebentägigen Pessachfestes nichts Gesäuertes verzehren oder im Haus aufbewahren. Als Gesäuertes gelten Produkte aus Weizen, Roggen, Gerste, Hafer und Dinkel, die für mindestens 18 Minuten mit Wasser in Kontakt gekommen sind. Daher könnten Arzneimittel mit Hilfsstoffen wie Weizenstärke von diesem Gebot betroffen sein.

Alkohol

Nach Alternativen zu Alkohol-haltigen Tropfen, Mundspülungen oder Desinfektionsmitteln könnten auch Kunden ohne religiösen Hintergrund fragen, die aus anderen Gründen auf Alkohol verzichten müssen oder wollen. In diesen Fällen sind Säfte oder alkoholfreie Lösungen empfehlenswert.

Emulgatoren, Trennmittel, Tenside

Nach den islamischen und jüdischen Speisegeboten sind auch Emulgatoren oder Trennmittel, deren Fettsäuren vom Schwein stammen, unrein. Problematisch ist dabei, dass im Abschnitt „Sonstige Bestandteile“ nicht erkennbar ist, ob das Trennmittel Magnesiumstearat vom Schwein gewonnene Fettsäuren enthält. Wie bereits erwähnt muss vor einer Zertifizierung eines Produktes der gesamte Produktionsprozess den Reinheitsanforderungen entsprechen, da bereits ein einmaliger Kontakt mit einem unreinen Stoff die Reinheit des gesamten Produktes beeinträchtigen würde. Wird beispielsweise eine Tablettiermaschine mit Tensiden gereinigt, die Fettsäuren vom Schwein enthalten, sind die dort hergestellten Tabletten automatisch unrein.

Chirurgische Hilfsmittel und Materialien

Die früher als chirurgisches Nahtmaterial eingesetzten Schafsdärme wurden Mitte der 1930-er-Jahre durch synthetisches Nahtmaterial abgelöst. Rinderdärme dürfen seit der BSE-Krise in Europa nicht mehr verwendet werden. Auf dem Weltmarkt ist beispielsweise halales Nahtmaterial aus geschächteten Lämmern verfügbar. Bei bestimmten chirurgischen Eingriffen können zur lokalen Blutstillung resorbierbare Kollagenkompressen (z. B. Lyostypt®) oder resorbierbare Kollagenmatrix zum Auffüllen von Knochendefekten (z. B. Osteovit®) zum Einsatz kommen. Da das Kollagen aus Schweinen gewonnen wird, könnte es religiöse Vorbehalte geben – außer bei medizinischen Notfällen, bei denen die bereits erwähnte Regel „Not bricht Gebot“ gelten würde.

Nahrungsergänzungsmittel und Kosmetika

Veganer greifen häufig zu Nahrungsergänzungsmitteln, um Vitamin- und Mineralstoffmangel auszugleichen oder vorzubeugen. Firmen haben darauf reagiert und sprechen diese Zielgruppe mit zertifizierten Produkten direkt an (z. B. Doppelherz® system vegan). Auch die Kosmetika-Hersteller haben den Markt der halalen Körperpflegeprodukte entdeckt, wie das Beispiel des Shampoo Gliss® Restore & Refresh (Henkel) zeigt, das speziell für die Haarpflege von Kopftuchträgerinnen entwickelt wurde.

Quelle

Dürfen Muslime Medikamente mit Alkohol und Spuren von Schwein nehmen? Interview mit Prof. Dr. Martin Schulz, ABDA, vom 30. Dezember 2015, www.stern.de/gesundheit/medikamente-fuer-muslime--schwein-oder-alkohol-koennen-problematisch-sein-6622246.html, Abruf am 5. September 2016

Wechsel ist problemlos möglich. Unterschiede nur in der Galenik, nicht im Wirkstoff. Interview mit Prof. Dr. Markus M. Lerch. DAZ 2016;25:28

Website der Halal control e.K. Prüf- und Zertifizierungsstelle für Halal-Lebensmittel, Verbraucherinformationsservice des Islamologischen Institus e. V., www.halal.de, Abruf am 6. September 2016

Schlenger R. Andere Länder, andere Ängste. Kulturelle Hintergründe können Akzeptanz der Arzneimitteltherapie bestimmen. DAZ 2013;41:50

Reinhard V. Wann ist ein Arzneimittel koscher? Einige Hinweise zur ­Beratung orthodoxer Juden in der Apotheke. DAZ 2008;5:60

Staguhn G. An einem Tisch. Religiöse Rezepte von Juden, Christen und Muslimen. Neuer Umschau Buchverlag GmbH, Neustadt an der ­Weinstraße 2012

Das Europäische Vegetarismus-Label (V-Label), Website der V-Label GmbH, Winterthur (Schweiz), www.v-label.info, Abruf am 12. September 2016

Die Pharisäer und die Überlieferung der Alten. Das Evangelium nach Matthäus (Luther). www.bibel.com/bibel/luther/matthaeus-15.html, Abruf am 23. September 2016

Holtkamp U. Halal – welche Arzneimittel sind erlaubt? Krankenhauspharmazie 2015,36(10):526

Medikamente gegen Erkältung und Fieber. Sind Aspirin, ASS & Co eigentlich vegan? www.vegpool.de/magazin/medikamente-erkaeltung-vegan.html, Abruf am 27. September 2016

Impfstoffe sind nicht vegan. www.impfen-nein-danke.de/impfstoffe/impfstoffe-nicht-vegan, Abruf am 5. Oktober 2016

Autorin

Dr. Claudia Bruhn ist Apothekerin und arbeitet als freie Medizinjournalistin. Sie schreibt seit 2001 regelmäßig Beiträge für die DAZ.

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