Wirtschaft

Rohertrags-Monitor 1. Halbjahr 2015

Betriebswirtschaftliche Analyse der Entwicklung des Apothekenhonorars

Verschreibungspflichtige Fertigarzneimittel (Rx-FAM) sind für öffentliche Apotheken von überragender Bedeutung – ihr Anteil an der Zahl der insgesamt abgegebenen Packungen liegt bei etwa 43 Prozent. Und nach wie vor werden mit Rx-FAM rund 75 Prozent des Gesamtumsatzes der Apotheken generiert. Seit dem 1. Januar 2004 gilt (nur noch) für diese Arzneimittel die – neue – Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV), auch Kombimodell genannt. Die wirtschaftlichen Auswirkungen dieser neuen Preisbildungssystematik für Apotheken werden – beginnend mit dem Berichtsmonat August 2011 – auf der Grundlage der von Insight Health* zur Verfügung gestellten Daten regelmäßig im Rohertrags-Monitor fortgeschrieben.
Leichter Verordnungsanstieg.

Die Zahl der zulasten der GKV in den Apotheken eingelösten (annähernd 302 Mio.) Rx-FAM-Packungen hat im ersten Halbjahr 2015 den Wert des entsprechenden Vorjahreszeitraums um 0,5 Prozent (oder um gut 1,6 Mio. Packungen) überschritten. Die zum Teil sehr großen monatlichen Abweichungen (vgl. Abb. 1) lassen sich relativ leicht erklären. Wie bereits im Rohertrags-Monitor 1. Quartal 2015 (s. AZ 2015, Nr. 21, online-Ausgabe) beschrieben, steht bei näherer Betrachtung der Daten zu vermuten, dass die Apotheken – aufgrund innerbetrieblicher Personalprobleme im Zusammenhang mit der Grippewelle – einen Teil der Februar-Rezepte ihren Rechenzentren erst zu Anfang des Folgemonats überlassen haben, dieser (geringe) Teil also in die März-Abrechnung mit den gesetzlichen Krankenkassen eingeflossen ist. Der Absatzrückgang im Mai diesen Jahres ist darauf zurückzuführen, dass dieser Monat zwei Werktage weniger hatte als im Vorjahr; beim Juni war es genau umgekehrt. Saldiert man die abgegebenen Packungen dieser beiden Monate, so sind im Mai/Juni 2015 rund 260.000 Packungen (oder knapp 0,3%) weniger abgegeben worden als im Vergleichszeitraum des Vorjahres. Letztlich dürfte der bisher konstatierte Verordnungsanstieg also auf die Grippewelle zu Anfang des Jahres zurückzuführen sein.

Abb. 1: Entwicklung der zulasten der GKV abgegebenen Rx-FAM-Packungen in den Monaten Januar 2013 bis Juni 2015 (Monatsdurchschnitt 2004 = 100).

Dieser leichte Zuwachs an Verordnungen wird noch weiter relativiert, wenn man bedenkt, dass im ersten Halbjahr 2015 monatlich durchschnittlich mehr als 444.000 Menschen in der GKV versichert waren als im entsprechenden Vorjahreszeitraum. Dadurch, und aufgrund der demografischen Entwicklung muss es notgedrungen zu einem Anstieg der Zahl der verordneten Rx-FAM-Packungen kommen.

Im Ergebnis stand einem Absatzplus von 0,5 Prozent ein Zuwachs bei den GKV-Versicherten von 0,6 Prozent gegenüber, so dass die Zahl der abgegebenen Rx-FAM-Packungen je Versichertem im ersten Halbjahr sogar rückläufig war.

Der leichte Zuwachs an Menge und Beratung (!) im ersten Halbjahr 2015, verbunden mit der Reduktion des Kassenabschlags von 1,80 Euro auf 1,77 Euro je Packung, hat dazu geführt, dass das packungsbezogene Honorar im Berichtszeitraum den entsprechenden Vergleichswert aus 2014 um 18,7 Mio. Euro (bzw. um etwa 0,9%) überschritten hat.

Innovative, hochpreisige Arzneimittel weiter auf dem Vormarsch.

Die Entwicklung der Apotheken-Einkaufswerte für zulasten der GKV abgegebene Rx-FAM verläuft natürlich in Abhängigkeit der eingelösten Verordnungen (vgl. Abb. 2). Dabei lag das Einkaufsvolumen der Apotheken für im ersten Halbjahr 2015 abgegebene Rx-FAM um rund 123,5 Mio. Euro über dem Vergleichswert des Vorjahres. Damit ist der Wareneinsatz (gemäß AMPreisV) gegenüber dem ersten Halbjahr 2014, bei einem um 0,5 Prozent gestiegenen Mengenwachstum, um durchschnittlich gut 1,1 Prozent – und damit doppelt so schnell wie der Absatz – angestiegen.

Abb. 2: Entwicklung der Apotheken-Einkaufswerte der zulasten der GKV abgegebenen Rx-FAM in den Monaten Januar 2013 bis Juni 2015 (Monatsdurchschnitt 2004 = 100).

Der Systematik des Kombimodells folgend, hat folglich auch der Rohertrag aus kaufmännischer Komponente (3% des Apothekeneinkaufs) gegenüber dem Vergleichswert des Vorjahres um 1,1 Prozent zugelegt. Das entspricht, bezogen auf das gesamte erste Halbjahr, einem Rohertragsplus aus kaufmännischer Komponente von 3,7 Mio. Euro.

Daraus ergeben sich zwei Folgerungen:

1. Der Apothekeneinkaufswert (Wareneinsatz gemäß AMPreisV) je abgegebenem Rx-FAM liegt im ersten Halbjahr um gut 0,6 Prozent über dem Vergleichswert des Vorjahres. Die in den ersten Monaten des Jahres aufgetretene Erkältungswelle hat damit zu einem starken Zuwachs an sogenannten Verdünnerverordnungen geführt. Weiter stehen den verordnenden Vertragsärzten offensichtlich vermehrt innovative (hochpreisige) Arzneimittel zur Verfügung, die sie auch ihren Patienten zukommen lassen. An dieser Stelle wäre interessant zu analysieren, inwieweit solche innovativen Verordnungen den betroffenen Versicherten ansonsten notwendige Krankenhausaufenthalte ersparen.

2. Die Apotheken haben im Rx-FAM-Segment im ersten Halbjahr des Berichtsjahres gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres einen Rohertragszuwachs von absolut 22,4 Mio. Euro erzielt. Diese Zunahme resultiert zum einen aus dem Rohertragszuwachs aus kaufmännischer Komponente (von 3,7 Mio. Euro), der aus den gestiegenen Apothekeneinkaufswerten resultiert. Zum anderen hatten die Apotheken – aufgrund leicht gestiegener Verordnungszahlen in Verbindung mit dem gegenüber dem Vorjahreszeitraum geringeren Kassenabschlag – eine Erhöhung des packungsbezogenen Honorars (von 18,7 Mio. Euro) zu verzeichnen. Dies entspricht einem Rohertragsanstieg aus GKV-Rx-FAM je Apotheke von durchschnittlich rund 1100 Euro (bzw. von 0,9 Prozent) im ersten Halbjahr 2015.

Bevor Jubel ausbricht: Im ersten Halbjahr 2015 lag der Zuwachs bei den (zulasten der GKV) abgegebenen rabattbegünstigten – und damit besonders beratungszeitintensiven – Arzneimitteln bei 6,2 Prozent. Damit hat der Anteil der rabattbegünstigten Rx-FAM im ersten Halbjahr die Marke von 60 Prozent überschritten.

Handelsspanne weiter unter 15 Prozent.

Der leichte Zuwachs bei der Zahl der zulasten der GKV abgegebenen Rx-FAM-Packungen und der immer noch höhere, zwischenzeitlich aber doch gebremste Anstieg des zugehörigen Apotheken-Einkaufswertes (Wareneinsatz gemäß AMPreisV) haben im Juni letztlich zu einer Verbesserung der Betriebshandelsspanne (in Prozenten des Umsatzes mit MwSt.) geführt (vgl. Abb. 3). Dennoch lag die Handelsspanne im Juni (mit 14,84%) immer noch unter der 15-Prozent-Marke.

Abb. 3: Betriebshandelsspanne aus zulasten der GKV abgegebenen Rx-FAM in Prozenten des Bruttoumsatzes in den Monaten Januar 2010 bis Juni 2015 (Vergleich: Jahresdurchschnitt 2004).

Aufs erste Halbjahr gesehen, liegt die Handelsspanne (mit 14,97%) – trotz leichten Mengenzuwachses – aber immer noch leicht unter dem entsprechenden Vergleichswert aus dem Vorjahr (mit 15,00%).

Mehrwertsteuer bleibt Kostentreiber.

Der durchschnittliche Preis der im Jahresdurchschnitt 2004, im Juni diesen Jahres und in den ersten sechs Monaten 2015 zulasten der GKV abgegebenen Rx-FAM-Packungen sowie die wertmäßigen Anteile der Wertschöpfungsstufen und deren Entwicklung seit 2004 sind Tabelle 1 zu entnehmen.

Tab. 1: Durchschnittspreis eines zulasten der GKV abgegebenen verschreibungspflichtigen Fertigarzneimittels und seine Aufteilung auf die einzelnen Wertschöpfungsstufen im Jahre 2004, im Mai und in den ersten sechs Monaten des Jahres 2015 sowie die entsprechenden Abweichungen.
Durchschnittliches GKV-Rx-FAM
2004 (1)
Juni 2015 (2)
Jan. – Juni 2015 (3)
(3) – (1) (4)
(4) in % (1) (5)
Verkaufspreis laut AMPreisV **
42,19 €
55,51 €
54,97 €
12,78 €
30,3%
./. Kassenabschlag 
 2,00 €
 1,77 €
 1,77 €
– 0,23 €
– 11,5%
= GKV-Abrechnungspreis (brutto)
40,19 €
53,74 €
53,20 €
13,01 €
32,4%
./. Mehrwertsteuer
 5,54 €
 8,58 €
 8,50 €
 2,96 €
53,3%
= GKV-Abrechnungspreis (netto)
34,65 €
45,16 €
44,70 €
 10,05 €
29,0%
  Apo.-Rohertrag aus Festzuschlag
 6,38 €
 6,86 €
 6,86 €
 0,48 €
 7,5%
  Apo.-Rohertrag, kfm. Komponente
 0,82 €
 1,12 €
 1,10 €
 0,28 €
33,6%
./. Apo.-Rohertrag insges. (gem. AMPreisV)
 7,20 €
 7,98 €
 7,96 €
 0,76 €
10,6%
= Apothekeneinkaufswert
27,45 €
37,18 €
36,74 €
 9,29 €
33,8%
./. Großhandelsmarge
*
 1,61 €
 1,60 €
*
*
= ApU (Abgabepreis des pharm. Untern.)
*
35,57 €
35,14 €
*
*
 * = ApU (bzw. HAP) liegt für 2004 nicht vor
** = ab August 2013: „Notdienstpauschale“ von 0,16 Euro (sowohl bei Umsatz als auch bei Ertrag) unberücksichtigt, da kein direkt zuordenbarer Ertragsbestandteil
Quelle: Insight Health und eigene Berechnungen; Hü. ©

Während die Apothekenmarge innerhalb von gut zehn Jahren um 10,6 Prozent (bzw. um 76 Cent) gegenüber 2004 angewachsen ist, hat die Mehrwertsteuer um 53,3 Prozent (oder um 2,96 Euro) zugelegt; sie bleibt damit Kostentreiber Nummer eins.

Von besonderem Interesse ist dabei der Vergleich der aktuellen Anteile innerhalb der Wertschöpfungskette mit den Ausgangswerten des Jahres 2004 (s. Tab. 2).

Tab. 2: Anteile der Wertschöpfungsstufen am Durchschnittspreis eines zulasten der GKV abgegebenen verschreibungspflichtigen Fertigarzneimittels im Jahre 2004 und bezogen auf die ersten sechs Monate 2015.
Wertschöpfungsanteile am Verkaufspreis einer durchschnittlichen ­GKV-Rx-FAM-Packung
2004
Jan. – Juni 2015
Verkaufspreis laut AMPreisV **
100,0%
100,0%
./. Kassenabschlag 
4,7%
3,2%
= GKV-Abrechnungspreis (brutto)
95,3%
96,8%
./. Mehrwertsteuer
13,1%
15,5%
= GKV-Abrechnungspreis (netto)
82,1%
81,3%
  Apo.-Rohertrag aus Festzuschlag
15,1%
12,5%
  Apo.-Rohertrag, kfm. Komponente
2,0%
2,0%
./. Apo.-Rohertrag insges. (gem. AMPreisV)
17,1%
14,5%
= Apothekeneinkaufswert
65,1%
66,8%
./. Großhandelsmarge
*
2,9%
= ApU (Abgabepreis des pharm. Untern.)
*
63,9%
 * = ApU (bzw. HAP) liegt für 2004 nicht vor
** = ab August 2013: „Notdienstpauschale“ von 0,16 Euro (sowohl bei Umsatz als auch bei ­Ertrag) unberücksichtigt, da kein direkt zuordenbarer Ertragsbestandteil
Quelle: Insight Health und eigene Berechnungen; Hü. ©

Apothekeneinkaufswert und vor allem Mehrwertsteuer haben mächtig Wertschöpfungsanteile gewonnen; die Apothekenmarge, und dabei vor allem der Apothekenrohertrag aus Festzuschlag, haben verloren. Heute kassiert der Staat wesentlich mehr an Umsatzsteuer aus dem Verkauf einer Rx-FAM-Packung als die Apotheke an Rohertrag zu erzielen vermag.


Dipl.-Math. Uwe Hüsgen, langjähriger Geschäftsführer des Apothekerverbandes Nordrhein e. V., Essen, E-Mail: uwe.huesgen@web.de


*Insight Health ist ein führender Informationsdienstleister im Gesundheitsmarkt mit einem breiten Portfolio datenbasierter Services zur Markt- und Versorgungsforschung. ­Insight Health bietet individuelle Lösungen für die pharmazeutische Industrie, Krankenversicherungen, Ärztevereinigungen, Apotheken, Behörden, Politik und weitere Entscheider im Gesundheitsmarkt.

Informationen unter www.insight-health.de

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