Wirtschaft

Rohertrags-Monitor Juni 2013

Auswirkungen der ersten Festzuschlagsanpassung seit 2004 auf den Apothekenrohertrag im ersten Halbjahr 2013

Zum 1. Januar 2004, mit Inkrafttreten des GKV-Modernisierungsgesetzes, ist die ehemals degressiv ausgestaltete Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) umgestellt worden; seitdem gilt für verschreibungspflichtige Fertigarzneimittel (Rx-FAM) das sogenannte Kombimodell. Mit dieser Umstellung sollte die Apotheke bei der Abgabe von Rx-FAM durchschnittlich zu 90 Prozent für ihre heilberufliche (Beratungs-)Leistung (über den Festzuschlag) honoriert werden, 10 Prozent sollten als kaufmännische Komponente (3,0% auf den Apothekeneinkaufspreis) anfallen (vgl. DAZ 2011, Nr. 4, S. 61).

Der Rohertrags-Monitor verfolgt das Ziel, die Entwicklung der abgegebenen Mengen (Packungen) und der damit verbundenen Leistungen/Kosten auf den einzelnen Wertschöpfungsstufen – vom Hersteller, über den Großhandel und die Apotheken (unter Berücksichtigung des Kassenabschlags) bis hin zum Staat (Mehrwertsteuer) – für zulasten der GKV abgegebene Rx-FAM im Zeitablauf seit 2004 darzustellen.

Mehr Verordnungen – höherer Beratungsaufwand. In den ersten sechs Monaten des Berichtsjahres sind rund 299,4 Mio. Rx-FAM zulasten der GKV abgegeben worden, und damit rund 4,4 Mio. Packungen (oder 1,5%) mehr als im ersten Halbjahr 2012. Die Abgabefrequenz macht Monat für Monat – teilweise große – Sprünge, die es zu erklären gilt (vgl. Abb. 1). Zur Erinnerung: Die Zahl der abgegebenen Rx-FAM erreichte im Januar, dem ersten Monat (seit 2004) ohne Praxisgebühr, mit 54,3 Mio. Packungen ein Allzeithoch. Zu dem Wegfall der Praxisgebühr gesellte sich eine Grippewelle, die sich bis weit in den Februar hineinzog und für ein Mehr an Verordnungen sorgte. Der Absatzrückgang im März ist mit zwei Arbeitstagen weniger als im Vorjahresmonat zu begründen. Im Ergebnis sind im ersten Quartal 2013 folglich rund 2,4 Mio. Packungen mehr verordnet worden als im Vergleichszeitraum 2012.

Abb. 1: Entwicklung der zulasten der GKV abgegebenen Rx-FAM-Packungen in den Monaten Januar 2011 bis Juni 2013 (Monatsdurchschnitt 2004 = 100).
Quelle Grafiken: Insight Health und eigene Berechnungen

Da der April zwei Arbeitstage mehr als im Vorjahr aufwies, stieg die Zahl der zulasten der GKV abgegebenen Rx-FAM in diesem Monat um fast exakt denselben Prozentsatz; im Mai und Juni 2013 blieb die Zahl der abgegebenen Packungen dann deutlich hinter den entsprechenden Monatswerten des Vorjahres zurück. Das zweite Quartal 2013 verzeichnete demnach einen weiteren Zuwachs von 2,0 Mio. Packungen.

Aber nicht nur der Wegfall der Praxisgebühr und die Grippewelle sind für diese Zunahme (von 4,4 Mio. abgegebenen Packungen) im ersten Halbjahr 2013 verantwortlich. Zu diesem Mengenzuwachs hat – neben der demografischen Entwicklung – auch der Anstieg an GKV-Versicherten beigetragen; die Zahl der in der GKV Versicherten stieg im ersten Halbjahr 2013 Monat für Monat um durchschnittlich 0,25%. Gesundheits- und sozialpolitisch begrüßenswerte Entwicklungen, die aber wohl noch nicht ausreichend Eingang in die Diskussion um die angestrebte Dynamisierung der Apothekenhonorierung gefunden haben.

Durch die Anhebung des Festzuschlags je Rx-FAM um 0,25 Euro zum 1. Januar 2013 und die Absenkung des Kassenabschlags von 2,05 Euro auf 1,75 Euro (für Januar bis Juni 2013) erzielte die Apotheke im ersten Halbjahr einen zusätzlichen Rohertrag von 0,50 Euro (netto) je abgegebenem Rx-FAM. Für 295,0 Mio. Packungen, die im ersten Halbjahr (sowohl 2012 als auch 2013) abgegeben wurden, entspricht dies einem Rohertragszuwachs aus Festzuschlag (vermindert um den Kassenabschlag) von 147,5 Mio. Euro. Hinzuaddiert werden müssen die "Honorare" für weitere 4,4 Mio. Packungen, die im ersten Halbjahr 2013 zusätzlich, d. h. über die Abgabemenge von 2012 hinaus, zulasten der GKV abgegeben wurden (das sind rund 210 Rx-FAM-Packungen mehr je Apotheke/Apothekenbetriebsstätte), und die zwangsläufig mit einem höheren Beratungsaufwand (gleichbedeutend mit höheren Personalkosten) verbunden waren. Denn aufgrund des "Kombimodells" führt eine größere Zahl an zulasten der GKV abgegebenen Rx-FAM konstruktionsbedingt, und logisch, zu einem höheren apothekerlichen Honorar (= Rohertrag aus Festzuschlag). Der Rohertrag aus diesen zusätzlich abgegebenen Packungen beläuft sich auf knapp 30,3 Mio. Euro, so dass das Honorar aus zulasten der GKV abgegebenen Rx-FAM im ersten Halbjahr den Wert des Vorjahres um rund 180 Mio. Euro überstiegen hat. Je Apotheke gerechnet bedeutet dies einen Rohertragszuwachs von etwa 8500 Euro (vor Steuern).

Bei Rx-FAM, die nicht zulasten der GKV abgegeben wurden, beträgt der Rohertragszuwachs je Packung seit Jahresanfang 0,25 Euro. Bezogen auf die Zahl der im ersten Halbjahr 2013 abgegebenen "PKV-Packungen", die gegenüber dem Vorjahreszeitraum so gut wie unverändert war, entsprach dies einem Rohertragszuwachs von rund 11,9 Mio. Euro, bzw. je Apotheke von knapp 570 Euro. Damit kann die Durchschnittsapotheke aufgrund der – seit Jahren überfälligen – Anpassung des Festzuschlags und der temporären Absenkung des Kassenabschlags im ersten Halbjahr 2013 rund 9000 Euro mehr an Rohertrag (vor Steuern) aus der Beratung zu und der Abgabe von Rx-FAM verbuchen als im entsprechenden Vergleichszeitraum des Vorjahres.

Apothekeneinkauf wächst – nach Ende der Grippewelle – wieder überproportional. Einer Veränderung an zulasten der GKV abgegebenen Packungen folgt zwangsläufig ein veränderter Wareneinsatz (hier: Apothekeneinkauf der zulasten der GKV abgegebenen Rx-FAM-Packungen in Mio. Euro) in etwa gleicher Größenordnung. Die Auswirkungen der Grippewelle zu Anfang des Jahres lassen sich aber auch hier erkennen: Während in den ersten drei Monaten des Berichtsjahres der Wareneinsatz je abgegebenem Rx-FAM im Vergleich zum Vorjahr rückläufig war, stieg er im zweiten Quartal wieder deutlich an. Auf das erste Halbjahr bezogen, stand einem Anstieg an abgegebenen Packungen von 1,5% gegenüber dem entsprechenden Vorjahreszeitraum ein Zuwachs beim Wareneinsatz von 1,42% gegenüber.

Der Rohertrag aus kaufmännischer Komponente beträgt bei den Apotheken nach wie vor 3,0% des Apothekeneinkaufswertes. Ein Blick auf Abb. 2 zeigt, dass der durchschnittliche Einkaufswert (lt. AMPreisV) für die ersten sechs Monate 2013 um 26,0% über dem entsprechenden Vergleichswert des Ausgangsjahres (Basisjahr 2004) lag. Im selben Zeitraum stieg die Zahl der zulasten der GKV abgegebenen Rx-FAM-Packungen um 13,7%. Im Ergebnis bedeutet dies, dass der Apothekeneinkaufswert je Rx-FAM im betrachteten Zeitraum bedeutend schneller (um 10,8%) gewachsen ist als die Zahl der zulasten der GKV abgegebenen Packungen. Damit bestätigt sich einmal mehr, dass die Apotheken von der (Preis-)Dynamik des Arzneimittelmarktes abgekoppelt wurden.

Abb. 2: Entwicklung der Apotheken-Einkaufswerte der zulasten der GKV abgegebenen Rx-FAM in den Monaten Januar 2011 bis Juni 2013 (Monatsdurchschnitt 2004 = 100).

Apothekenrohertrag bleibt im gesamten ersten Halbjahr 2013 unter dem Niveau von 2011. Trotz des gegenüber 2011 und 2012 reduzierten Kassenabschlags von 1,75 Euro (für das erste Halbjahr 2013) und der Anpassung des Festzuschlags um 0,25 Euro je zulasten der GKV abgegebenem Rx-FAM seit 1. Januar 2013 ist der Rohertrag in Prozenten des Umsatzes (= Betriebshandelsspanne) im ersten Halbjahr des Jahres Monat für Monat unter dem entsprechenden Vergleichswert aus dem Jahre 2011 geblieben (vgl. Abb. 3). Nicht zuletzt aufgrund der wieder steigenden Einkaufswerte je Rx-FAM ist die Betriebshandelsspanne (lt. AMPreisV) im Juni 2013 auf 14,84% gefallen. Damit erzielten die Apotheken aus der Abgabe von zulasten der GKV verordneten Rx-FAM im ersten Halbjahr 2013 eine Betriebshandelsspanne von 15,29% (vgl. Abb. 3), gegenüber 15,43% im ersten Halbjahr 2011.

Abb. 3: Betriebshandelsspanne aus zulasten der GKV abgegebenen Rx-FAM in % des Bruttoumsatzes in den Monaten Januar 2011 bis Juni 2013 (Vergleich: Jahresdurchschnitt 2004).

Da der Kassenabschlag je abgegebenem Rx-FAM im zweiten Halbjahr auf 1,85 Euro erhöht wurde, steht zu befürchten, dass die Talfahrt bei der Rohertragsentwicklung noch längst nicht beendet ist. Bei einem Vergleich mit dem Basisjahr (Betriebshandelsspanne 2004: 17,9%) muss außerdem bedacht werden, dass die zwischenzeitlich gesetzlich angeordneten Beschränkungen in Bezug auf die "verhandelbaren Einkaufsvorteile" (vgl. z. B. die Kürzungen der Großhandelsmarge und die Beschränkungen von § 7 HWG) bei dieser Betrachtung noch völlig außen vor sind.

Kostentreiber Mehrwertsteuer. Der durchschnittliche Preis der im Jahresdurchschnitt 2004, im Juni d. J. und im ersten Halbjahr 2013 zulasten der GKV abgegebenen Rx-FAM-Packungen sowie die wertmäßigen Anteile der Wertschöpfungsstufen und deren Entwicklung seit 2004 sind der Tabelle zu entnehmen. Bei einem Zuwachs des Apothekeneinkaufswertes je abgegebener Rx-FAM-Packung von 24,0% (bzw. um 6,59 Euro) im ersten Halbjahr 2013 stieg der GKV-Abrechnungspreis (ohne MwSt.) um 24,2% (bzw. um 9,72 Euro). Dabei ist die Apothekenmarge innerhalb von gut neun Jahren gerade einmal um nur 9,7% (bzw. um 70 Cent) gegenüber 2004 angewachsen. Kostentreiber Nummer eins ist nach wie vor die Umsatzsteuer, die im Vergleichszeitraum um 2,43 Euro (bzw. um 43,8% – und damit viereinhalb Mal so schnell wie der Apothekenrohertrag) gestiegen ist.

Durchschnittliches
GKV-Rx-FAM
2004
(1)
Juni 2013
(2)
Jan. –
Juni 13 (3)
(3) – (1)

(4)
(4) in % (1)

(5)
Verkaufspreis laut AMPreisV
42,19 €
53,56 €
51,66 €
9,47 €
22,4%
./. Kassenabschlag**
2,00 €
1,75 €
1,75 €
-0,25 €
-12,5%
= GKV-Abrechnungspreis
(brutto)
40,19 €
51,81 €
49,91 €
9,72 €
24,2%
./. Mehrwertsteuer
5,54 €
8,27 €
7,97 €
2,43 €
43,8%
= GKV-Abrechnungspreis
(netto)
34,65 €
43,54 €
41,94 €
7,29 €
21,0%
Apo.-Rohertrag
aus Festzuschlag
6,38 €
6,88 €
6,88 €
0,50 €
7,9%
Apo.-Rohertrag,
kfm. Komponente
0,82 €
1,07 €
1,02 €
0,20 €
24,0%
./. Apo.-Rohertrag insges. (gem. AMPreisV)
7,20 €
7,95 €
7,90 €
0,70 €
9,7%
= Apothekeneinkaufswert
27,45 €
35,59 €
34,04 €
6,59 €
24,0%
./. Großhandelsmarge
*
1,65 €
1,59 €
*
*
= ApU (Abgabepreis des
pharm. Untern.)
*
33,94 €
32,45 €
*
*
* ApU (bzw. HAP) liegt für 2004 nicht vor; ** 2013 mit einem Kassenabschlag von 1,75 Euro je Rx-FAM (Jan. – Juni); Quelle: Insight Health und eigene Berechnungen; Hü. ©


Dipl.-Math. Uwe Hüsgen, langjähriger Geschäftsführer des Apothekerverbandes Nordrhein e. V., Essen, E-Mail: uwe.huesgen@web.de



Rohertrags-Monitor


Die betriebswirtschaftlichen Auswirkungen der Honorierungssystematik apothekerlicher Leistungen für die Jahre 2004 bis 2010 sind nachfolgendem Beitrag zu entnehmen:

Der Rohertrags-Monitor

Beginnend mit August 2011 werden die Zahlen auf der Basis der von Insight Health* zur Verfügung gestellten Daten regelmäßig fortgeschrieben. Sie finden den Rohertrags-Monitor …

August 2011 in AZ 2011, Nr. 47, S. 2
September 2011 in AZ 2011, Nr. 49, S. 2
Oktober 2011 in AZ 2011, Nr. 51– 52, S. 2
November 2011 in AZ 2012, Nr. 1– 2, S. 2
Dezember 2011 n AZ 2012, Nr. 7, S. 6
Januar 2012 in AZ 2012, Nr. 13, S. 3
Februar 2012 in AZ 2012, Nr. 17, S. 4

März 2012 in AZ 2012, Nr. 19, S. 2

(Enthält auch grundsätzliche Bemerkungen zur Umstellung der AMPreisV auf Großhandelsebene (zum 1.1. 2011 bzw. zum 1.1. 2012) und zur Korrektur des Kassenabschlags im Jahre 2010.)

April 2012 in AZ 2012, Nr. 23, S. 4
Mai 2012 in AZ 2012, Nr. 28, S. 4
Juli 2012 in AZ 2012, Nr. 36, S. 4
August/September 2012 in AZ 2012, Nr. 49, S. 4
Oktober 2012 in AZ 2012, Nr. 51/52, S. 4
November 2012 in AZ 2013, Nr. 3, S. 4
Dezember 2012 in AZ 2013, Nr. 6, S. 4
Januar/Februar 2013 in AZ 2013, Nr. 16, S. 6
März 2013 in April 2013 in

* Insight Health ist ein führender Informationsdienstleister im Gesundheitsmarkt mit einem breiten Portfolio datenbasierter Services zur Markt- und Versorgungsforschung. Der Erfolg von Insight Health liegt in der Bereitstellung individueller Lösungen für die pharmazeutische Industrie, Krankenversicherungen, Ärztevereinigungen, wissenschaftliche Institute, Behörden, Politik und weitere Entscheider im Gesundheitsmarkt.

Weitere Informationen über Insight Health finden Sie unter www.insight-health.de.

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