Arzneimittel und Therapie

Impfung gegen Prostatakarzinom

Vakzine Sipuleucel-T bei kastrationsresistenten Tumoren

Die personalisierte Immuntherapie onkologischer Erkrankungen hält Einzug in den klinischen Alltag. Mit Sipuleucel-T (Provenge®) steht erstmals ein Impfstoff für Patienten mit kastrationsresistentem Prostatakarzinom zur Verfügung. Die Vakzine induziert eine Immunantwort gegen ein bei den meisten Prostatakarzinomen exprimiertes Antigen.

Im September 2013 wurde EU-weit die Zulassung für das Immuntherapeutikum Sipuleucel-T (Provenge®; Inhaber der Zulassung: Dendreon UK Limited; Hersteller des Wirkstoffs: PharmaCell Niederlande) erteilt. Der Impfstoff ist zugelassen für Patienten, die an einem asymptomatischen oder minimal symptomatischen metastasierten kastrationsresistenten Prostatakarzinom erkrankt sind und bei denen eine Chemotherapie klinisch noch nicht indiziert ist. Ausgenommen von der Zulassung ist die Anwendung bei Patienten mit viszeralen Metastasen.

Sipuleucel-T ist eine Zubereitung aus autologen mononukleären Zellen des peripheren Blutes, die mit saurer Prostataphosphatase und Granulozyten-Makrophagen-Kolonie-stimulierendem Faktor (PAP-GM-CFS) aktiviert sind. Eine Dosis Sipuleucel-T enthält mindestens 50 x 106 autologe CD54+-Zellen, aktiviert mit PAP-GM-CSF und suspendiert in 250 ml Ringer-Lactat-Lösung. Die zelluläre Zusammensetzung und die Anzahl der Zellen in jeder Provenge®-Dosis hängen von der patientenindividuellen Leukapherese (s. unten) ab und können variieren. Zusätzlich zu Antigen-präsentierenden Zellen enthält das Endprodukt T-Zellen, B-Zellen, natürliche Killer-Zellen und andere Zellen.

Was sagt die aktuelle Leitlinie?

Nach der aktuellen S3-Leitlinie von 2014 soll Patienten mit metastasierter, kastrationsresistenter, asymptomatischer oder gering symptomatischer und progredienter Erkrankung, die sich gegen ein abwartendes Verhalten und für die Umstellung der Behandlung entschieden haben, Sipuleucel-T als eine Möglichkeit neben Abirateron und Docetaxel angeboten werden (Empfehlungsgrad A, Level of Evidence [LoE] 1+). Sipuleucel-T hat für die Erstlinientherapie dabei (wie Docetaxel) eine „kann“-Empfehlung erhalten (Empfehlungsgrad 0, LoE 1+), Abirateron eine „soll“-Empfehlung (Empfehlungsgrad B).

Laut Leitlinie sollen Patienten über den derzeit nachgewiesenen Nutzen – das heißt eine Verlängerung der Gesamtüberlebenszeit, aber keine Verlängerung der progressionsfreien Überlebenszeit und keine biochemische oder bildgebenden Remission – aufgeklärt werden.

Anwendung nur inspezialisierten Zentren

Nach Herstellerangaben wird Sipuleucel-T nur in sogenannten „Exzellenz-Zentren“ verfügbar sein. Diese werden zuerst in Deutschland und Großbritannien aufgebaut. Die ersten Patienten werden dort nach Angaben des Krebsinformationsdienstes in Heidelberg noch in diesem Jahr behandelt. Geplant ist, in Deutschland vier solcher Zentren zu errichten, unter anderem an der Charité in Berlin. Vor einer Therapie mit Sipuleucel-T muss eine Schulung des Arztes erfolgen.

Wirkweise

Sipuleucel-T induziert eine Immunantwort gegen die Prostata-spezifische saure Phosphatase (PAP), die bei den meisten Patienten mit metastasiertem Prostatakarzinom exprimiert wird. Dem Patienten werden per Leukapherese mononukleäre Zellen des peripheren Blutes entnommen. Diese Zellen werden mit einem Fusionsprotein (PA2024) kultiviert, das aus der Prostata-spezifischen sauren Phosphatase PAP und dem Immunzellaktivator Granulozyten-Makrophagen-Kolonie-stimulierender Faktor (GM-CSF) besteht. Während der Ex-vivo-Kultivierung mit PAP-GM-CSF nehmen aktivierte Antigen-präsentierende Zellen das rekombinante Zielantigen auf und verarbeiten es zu Peptiden, die dann den T-Zellen präsentiert werden. Die so bereitete Vakzine wird dem Patienten etwa drei Tage später wieder infundiert und löst dann eine gegen die Prostata-spezifische saure Phosphatase PAP gerichtete Immunantwort aus. PAP ist das Tumorantigen, das von 95% der malignen (nicht aber von den gesunden) Prostatazellen exprimiert wird. Die empfohlene Behandlung beläuft sich auf drei Anwendungen in etwa zweiwöchigen Abständen. Die Infusionsdauer beträgt 60 Minuten.

Unerwünschte Wirkungen

Zu den schweren Nebenwirkungen gehören akute Infusionsreaktionen, Katheter-Sepsis, Staphylokokken-Bakteriämie, Myokardinfarkt und zerebrovaskuläre Ereignisse. Sehr häufig (≥ 10%) berichtete Nebenwirkungen sind unter anderem Schwindel, Kopfschmerzen, Erbrechen, Übelkeit, Arthralgie, Myalgie, Schüttelfrost, Müdigkeit, Fieber, Schmerzen und Asthenie. Insgesamt wird der Vakzine eine gute Verträglichkeit bescheinigt. In der Zulassungsstudie wurde Sipuleucel-T bei 1,5% der Patienten aufgrund von Nebenwirkungen abgesetzt. Daten zur Lebensqualität liegen nicht vor. Studien zu Wechselwirkungen wurden nicht durchgeführt.

Zulassungsstudie

Wirksamkeit und Sicherheit wurden in drei ähnlichen randomisierten, kontrollierten, multizentrischen Phase-III-Doppelblindstudien untersucht. Grundlage für die Zulassung waren die Ergebnisse der IMPACT-Studie, in der 341 Patienten mit Sipuleucel-T und 171 Patienten mit Placebo behandelt wurden. Die Immuntherapie mit Sipuleucel-T hatte keinen Einfluss auf die Symptomfreiheit und auf das progressionsfreie Überleben, führte aber zu einer signifikanten Verlängerung der Überlebenszeit der immuntherapierten Patienten von 4,1 Monaten (25,8 Monate unter Sipuleucel-T vs. 21,7 Monate unter Placebo). Eine retrospektive Subgruppenanalyse ergab, dass vor allem Patienten mit niedrigen PSA-Werten von der Behandlung profitieren. 

Quelle

Suzman D et al. Castration-resistant prostate cancer: Latest evidence and therapeutic implications. Ther Adv Med Oncol. 2014;6(4):167-179

Kawalec P et al. Sipuleucel-T immunotherapy for castration-resistant prostate cancer. A systematic review and meta-analysis. Arch Med Sci. 2012;8(5):767-775

Kantoff PW et al. Sipuleucel-T immunotherapy for castration-resistant prostate cancer. N Engl J Med 2010;363:411-422

Interdisziplinäre Leitlinie der Qualität S3 zur Früherkennung, Diagnose und Therapie der verschiedenen Stadien des Prostatakarzinoms AWMF-Register-Nummer (034/022OL) Version 3.0 – 2. Aktualisierung 2014: http://leitlinienprogramm-onkologie.de/uploads/tx_sbdownloader/LL_Prostata_Langversion_3.0.pdf

Sipuleucel-T. Zusammenfassung des EPAR für die Öffentlichkeit zu Provenge (09/2013), European Medicines Agency. www.ema.europa.eu/docs/de_DE/document_library/EPAR_-_Summary_for_the_public/human/002513/WC500151157.pdf

Sipuleucel-T. Zusammenfassung des EPAR für die Öffentlichkeit. Anhang I. Zusammenfassung der Merkmale des Arzneimittels. European Medicines Agency. www.ema.europa.eu/docs/de_DE/document_library/EPAR_-_Product_Information/human/002513/WC500151099.pdf

Nutzenbewertung zum Wirkstoff Sipuleucel-T; Stand 2. Oktober 2014, Gemeinsamer Bundesausschuss (G-BA), www.g-ba.de

 

Apothekerin Dr. Petra Jungmayr

 

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