Arzneimittel und Therapie

Chemoprävention mit 5α-Reduktasehemmern

Neue Daten relativieren frühere Ergebnisse

Studien haben gezeigt, dass eine Chemoprävention mit 5α-Reduktasehemmern das Risiko für ein Prostatakarzinom senken kann, allerdings nur für weniger aggressive Formen. Dagegen wurden aggressivere Tumore unter der Einnahme häufiger diagnostiziert. In einer schwedischen Fall-Kontroll-Studie zeigte sich nun bei Männern, denen 5α-Reduktasehemmer gegen Beschwerden des unteren Harntraktes verordnet worden waren, kein Hinweis auf ein erhöhtes Risiko für aggressive Prostatakarzinome sowie eine Risikoreduktion bei niedriggradigeren Erkrankungen.
Foto: Westdeutsches Prostatazentrum
Das Prostatakrebsrisiko konnte mit 5α-Reduktasehemmern reduziert werden. Aggressive Tumore traten nicht häufiger auf.

5α-Reduktasehemmer wirken antiandrogen durch Hemmung der Umwandlung von Testosteron in 5α-Dihydrotestosteron, das in der Prostata sowie auch in Haarfollikeln potenter als Testosteron ist. Zurzeit sind Finasterid (z.B. Proscar®) und Dutasterid (Avodart®, auch in Kombination mit Tamsulosin, Duodart®) bei mäßigen bis schweren Symptomen eines benignen Prostata-Syndroms (BPS, früher: benigne Prostatahyperplasie, BPH), zugelassen. Sie sollen das Risiko einer akuten Harnretention und BPS-bedingter chirurgischer Eingriffe reduzieren.

Chemoprävention möglich

Dass sich durch diese Wirkstoffe auch die Rate von Prostatakarzinomen reduzieren lässt, ist bisher in zwei großangelegten, placebokontrollierten Studien gezeigt worden: im PCP-Trial (PCPT: Prostate Cancer Prevention Trial) mit Finasterid mit 19.000 Patienten, in der REDUCE-Studie (REDUCE: Reduction by Dutasteride of Prostate Cancer Events) mit Dutasterid mit 8200 Patienten. In den Studien verringerte sich im Vergleich mit Placebo das Prostatakrebs-Risiko um 23 bis 25%, allerdings nur für gut bis mäßig differenzierte Karzinome (Gleason-Score < 6, s. Kasten). Schlecht differenzierte, aggressivere Tumore (Gleason-Score 8 bis 10) wurden unter beiden 5α-Reduktasehemmer häufiger diagnostiziert. Die FDA veranlasste daraufhin 2011 die Aufnahme eines Warnhinweises in die Produktinformationen US-amerikanischer Präparate, dass die Einnahme das Risiko für aggressive Prostatakarzinome erhöhen kann.

Gleason-Score

Der Gleason-Score, benannt nach dem amerikanischen Arzt Donald Gleason, beschreibt das Ausmaß der Abweichung der Tumorzellen beziehungsweise ihres Wachstumsmusters vom gesunden Gewebe. Dazu werden die in einer Gewebeprobe (z.B. durch Biopsie gewonnen) sichtbaren Zellen nach ihrem Aussehen in fünf verschiedene Gruppen eingeteilt und nach dem Grad ihrer Differenzierung mit einem Wert von 1 bis 5 belegt: 1 steht für gut ausdifferenziert und damit einer gesunden Zelle bzw. gesundem Gewebe noch weitgehend ähnlich, 5 steht für sehr wenig differenziert. Die beiden größten Gruppen (die mit den meisten Zellen) werden für den Gleason-Score herangezogen und ihre Werte addiert. Er kann also mindestens 2 und maximal 10 betragen, 10 ist der ungünstigste Wert. Auch die beiden größten Gruppen werden noch gewichtet: Die Punktwerte erhalten eine Reihenfolge, die häufigere Wertung steht vor der selteneren. 4 plus 3 ist demnach ungünstiger als 3 plus 4 - bei der ersten Angabe wurde der Wert „4“ in mehr Zellen gefunden als bei der zweiten Angabe, obwohl beide Male die Summe einen Gleason-Score von 7 ergibt.

Quelle: www.krebsinformationsdienst.de

Fokus auf aggressive Tumore

Ziel einer kürzlich veröffentlichten großen schwedischen Fall-Kontroll-Studie war es, bei Männern mit Beschwerden des unteren Harntraktes infolge einer Prostatavergrößerung (z.B. häufiger Harndrang, Gefühl der unvollständigen Blasenentleerung) den Zusammenhang zwischen der Einnahme von 5α-Reduktasehemmern und dem Krebsrisiko zu untersuchen, wobei der Fokus speziell auf Karzinome mit einem Gleason-Score zwischen 8 und 10 gerichtet war.

Die Untersuchung basiert auf Angaben aus schwedischen Datenbanken wie dem National Prostate Cancer Register (das mehr als 97% aller Prostatakarzinom-Fälle in Schweden seit 1998 beinhaltet), dem National Patient Register und dem Swedish Prescribed Drug Register, in dem alle ärztlichen Verordnungen seit Juli 2005 verzeichnet sind. Eingeschlossen wurden 26.735 Fall- und 133.671 Kontrollpatienten mit einem durchschnittlichen Alter von 69,3 Jahren, wobei jedem Prostatakarzinom-Patienten fünf Kontrollpatienten gleichen Alters zugeordnet worden waren.

Ergebnisse relativieren frühere Daten

7815 Männer (1499 Fälle, 6316 Kontrollen) hatten vor der Krebsdiagnose 5α-Reduktasehemmer eingenommen. Darunter befanden sich 412 Karzinompatienten mit einem Gleason-Score zwischen 8 und 10. Das Risiko für ein weniger aggressives Prostatakarzinom (Gleason Score 2 bis 7) sank mit der Dauer der Anwendung der 5α-Reduktasehemmer und war nach drei Jahren Einnahme signifikant reduziert. Dagegen verringerte sich das Risiko für einen Tumor mit einem Gleason-Score zwischen 8 bis 10 nicht (Einnahme bis zu einem Jahr: OR 1,07, zwei bis drei Jahre: 0,96), stieg aber auch nicht signifikant an.

Stärken und Grenzen der Studie

Die Autoren heben insbesondere die große Patientenzahl ihrer Studie hervor. Während in den Studien PCPT und REDUCE nur 90 bzw. 29 Fälle von aggressivem Karzinom auftraten, erkrankten in ihrer Untersuchung 412 Männer unter 5α-Reduktasehemmern an Krebs mit einem Gleason-Score zwischen 8 und 10. Allerdings konnten die Autoren nicht zweifelsfrei ausschließen, dass die Patienten zu Studienbeginn frei von Krebs waren.

Bestätigt werden konnte die Risikoreduktion für weniger aggressive Prostatakarzinome bei Männern, die bis zu vier Jahre lang mit 5α-Reduktasehemmern behandelt worden waren. Letztendlich müsse, so die Autoren, bei der Verordnung von 5α-Reduktasehemmern gegen die Symptome des unteren Harntraktes immer eine Nutzen-Risiko-Abwägung stattfinden, wobei im vorliegenden Fall ihrer Ansicht nach der Nutzen zu überwiegen scheint. 

Quelle

Robinson, D, et al.: Use of 5α-reductase inhibitors for lower urinary tract symptoms and risk of prostate cancer in Swedish men: nationwide, population based case-control study BMJ (2013) 346: f3406.

Andriole G, et al.: Effect of dutasteride on the risk of prostate cancer. N Engl J Med (2010) 362: 1192–1202.

Thompson, IM, et al.: The influence of finasteride on the development of prostate cancer. N Engl J Med (2003) 349: 215–224.

Aggressive Prostatakarzinome unter 5-Alpha-Reduktasehemmern. arznei-telegramm (2011), 42(8): 69–70.

 

Apothekerin Dr. Claudia Bruhn

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