Arzneimittel und Therapie

Start mit L-Dopa erhält die Mobilität

Vorteile in der Parkinson-Initialtherapie

In der Therapie des Morbus Parkinson war bisher die Frage offen, welche Substanzen am geeignetsten sind, um Parkinson-Patienten initial zu behandeln. In der Langzeitstudie PD-MED [1] zeigte sich nun, dass ein Therapiebeginn mit L-Dopa den „Dopamin-sparenden“ MAO-B-Hemmern und Dopamin-Agonisten in Bezug auf Mobilität und Lebensqualität leicht überlegen ist.

An der pragmatischen, randomisierten offenen Studie nahmen zwischen 2000 bis 2009 insgesamt 1620 Patienten mit idiopathischem Parkinson im Frühstadium teil. Das Durchschnittsalter bei Therapiebeginn betrug 71 Jahre. Primäre Endpunkte waren der funktionelle Status des Patienten auf der Mobilitäts-Subskala des PDQ-39-Scores (Parkinson‘s Disease Questionnaire; Patientenfragebogen mit 39 items), der wichtige Bereiche der Lebensqualität erfasst [2], sowie eine Kosten-Analyse, die später separat veröffentlicht werden wird. Als sekundäre Endpunkte wurden unter anderem weitere Teile des PDQ-39-Scores, Compliance und Nebenwirkungen betrachtet. Die Beobachtungszeit der Studie betrug im Mittel drei und maximal sieben Jahre.

Von den 1620 Teilnehmern der bislang größten Vergleichsstudie zur Behandlung des Morbus Parkinson erhielten

  • 528 als Initialtherapie L-Dopa,
  • 632 einen Dopamin-Agonisten und
  • 460 einen Monoaminoxidase-Hemmer vom Typ B (MAO-B-Hemmer).

In den Behandlungsarmen der Dopamin-Agonisten und MAO-B-Hemmer konnten sich die behandelnden Ärzte frei für einen Wirkstoff ihrer Wahl entscheiden. Bei den Dopamin-Agonisten erhielten die meisten Patienten Ropinirol (55%) oder Pramipexol (29%), bei den MAO-B-Hemmern wurde am häufigsten Selegilin gewählt (66% oral; 11% sublingual), weitere 21% erhielten Rasagilin. Die Patienten waren darüber informiert, welchen Arzneistoff sie erhielten.

L-Dopa über sieben Jahre für Patienten vorteilhaft

Die Patienten der L-Dopa-Gruppe schnitten im PDQ-39-Mobilitäts-Score um 1,8 Punkte (95% CI 0,5–3,0; p = 0,005) besser ab als die Patienten mit Dopamin-sparenden Therapien. Die Vorteile der L-Dopa-Therapie zu Beginn waren auf Grund der stärkeren Wirksamkeit zu erwarten und mit 1,8 Punkten auf einer Skala von 0 bis 100 im PDQ-39-Score relativ gering. Als klinisch relevant hatte die Studiengruppe vor Beginn eine Differenz von mindestens sechs Punkten festgelegt. Eher überrascht hier, dass die L-Dopa-Gruppe auch im gesamten weiteren Behandlungsverlauf über sieben Jahre den MAO-B-Hemmern und Dopamin-Agonisten unverändert leicht überlegen blieb, obwohl die Dyskinesien unter L-Dopa-Therapie zunahmen. Bei den Fluktuationen wurden keine signifikanten Unterschiede festgestellt. Im Vergleich der Dopamin-Sparer als Initialtherapie waren die MAO-B-Hemmer den Dopamin-Agonisten im PDQ-39-Mobilitäts-Score mit 1,4 Punkten (95% CI 0 bis 2,9; p = 0,05) leicht überlegen und insgesamt mindestens genauso effektiv wie letztere.

Relevanz der Ergebnisse

Levodopa gilt bisher unumstritten als das initial wirksamste Medikament zur Behandlung der motorischen Symptome bei M. Parkinson, seine Nachteile sind vermehrte Dyskinesien und Wirkungs-Fluktuationen nach Langzeitbehandlung und Dosissteigerungen. Hier liegen die Vorteile der Dopamin-sparenden Dopamin-Agonisten und MAO-B-Hemmer, die seltener zu motorischen Nebenwirkungen führen. Dopamin-Agonisten wiederum führen häufig zu neuropsychiatrischen Nebenwirkungen wie Halluzinationen, Tagesmüdigkeit und Impulskontrollstörungen wie Spielsucht oder Hypersexualität. MAO-B-Hemmer sind gut verträglich, haben aber ein hohes Interaktionspotenzial unter anderem mit Antidepressiva. Die Frage, mit welchem Arzneimittel im Frühstadium der Parkinson-Erkrankung therapiert werden sollte, wird seit Längerem kontrovers diskutiert. Seit dem Beginn der PD-MED-Studie 2000 wurden zahlreiche andere Studien zur Behandlung des Morbus Parkinson veröffentlicht. Mittlerweile empfehlen die meisten Experten und auch die S2-Leitlinie „Parkinson-Syndrome – Diagnostik und Therapie“ der Deutschen Gesellschaft für Neurologie [3], dass ältere Patienten über 70 Jahre initial mit L-Dopa behandelt werden: Sie zeigen mildere Verlaufsformen mit weniger häufigen motorischen Nebenwirkungen als Patienten, die bei Krankheitsbeginn noch jünger sind. Solange keine Wirkungs-Fluktuationen oder andere Komplikationen auftreten, sollte bei diesen Patienten eine Monotherapie mit L-Dopa angestrebt werden. Patienten unter 70 Jahre mit einer noch höheren Lebenserwartung werden initial üblicherweise mit einem Non-Ergot-Dopamin-Agonisten oder einem MAO-B-Hemmer behandelt. So wird versucht, die unter L-Dopa auftretenden Nebenwirkungen möglichst weit ans Ende der Therapie zu verschieben und die Patienten insgesamt länger zufriedenstellend zu behandeln.

Grenzen der Studie

In der Studie wäre eine differenzierte Auswertung nach Alter bei Therapiebeginn interessant gewesen, zumal 12% der Patienten jünger als 60 Jahre alt waren. Die Studie bringt aber bei diesem Aspekt keine neuen Erkenntnisse. In der Studie war eine Initialtherapie mit L-Dopa den MAO-B-Hemmern und den Dopamin-Agonisten in Bezug auf Lebensqualität und Mobilität über den gesamten Beobachtungszeitraum von sieben Jahren zwar überlegen, aber nur leicht. Die im Vorfeld als klinisch relevant festgelegte Score-Differenz von sechs Punkten im PDQ-39 Mobilitäts-Score wurde nicht annähernd erreicht. Zudem zeigten auch schon andere Studien, dass ein Therapiebeginn mit Dopamin-Agonisten nicht zwangsläufig zu einer besseren Lebensqualität im Endstadium der Krankheit führt [4, 5], so dass man hier nicht von einer völlig neuen Erkenntnis sprechen kann. Die Beobachtungsphase war mit durchschnittlich drei und maximal sieben Jahren möglicherweise zu kurz gewählt, um Schwächen der L-Dopa-Therapie herauszustellen. Es ist schon lange bekannt, dass L-Dopa in den ersten Behandlungsjahren äußerst wirksam ist; das gute Abschneiden nach im Mittel drei Jahren ist folglich nicht überraschend. Ein noch längeres Follow-up wäre sicher hilfreich gewesen.

Nach Einschätzung der Neurologen Anthony E. Lang und Connie Marras zeigt die PD-MED-Studie [6] vor allem, dass es bei Patienten mit spätem Krankheitsbeginn praktisch egal ist, mit welchem Wirkstoff die Therapie begonnen wird, da die Auswirkungen auf die Lebensqualität sehr ähnlich sind. Sie gehen davon aus, dass auch zukünftig viele Patienten mit einem frühen Krankheitsbeginn initial mit Dopamin-Agonisten behandelt werden. L-Dopa wurde vor einigen Jahren mit neurotoxischen Effekten in Verbindung gebracht, was mittlerweile zwar als widerlegt gilt, aber noch immer einige Ärzte davon abhält, L-Dopa einzusetzen. Laut Lang und Marras wird die Studie dazu beitragen, diese sogenannte „L-Dopa-Phobie“ endgültig zu überwinden, da an einer großen Patientenzahl über einen längeren Zeitraum gezeigt werden konnte, dass die Lebensqualität der Patienten durch initialen Einsatz von L-Dopa gesteigert werden kann.

Quelle

[1] PD MED Collaborative Group. Long-term effectiveness of dopamine agonists and monoamine oxidase B inhibitors compared with levodopa as initial treatment for Parkinson’s disease (PD MED). Lancet 2014;http://dx.doi.org/10.1016/S0140-6736(14)60683-8

[2] Jenkinson C, Fitzpatrick R, Peto V et al. The Parkinson’s Disease Questionnaire (PDQ-39): development and validation of a Parkinson’s disease summary index score. Age Ageing 1997;26:353–357

[3] S2-Leitlinie Parkinson-Syndrom – Diagnostik und Therapie. Deutsche Gesellschaft für Neurologie, September 2012

[4] Parkinson Study Group CALM Cohort Investigators. Long-term effect of initiating pramipexole vs levodopa in early Parkinson. Arch Neurol 2009;66:563–570

[5] Katzenschlager R, Head J, Schrag A et al. 14-year finnal report of the randomized PDRG-UK trial comparing three initial treatments in PD. Neurology 2008;71:474-480

[6] Lang AE, Marras C. Initiating dopaminergic treatment in Parkinson’s disease. Lancet 2014;http://dx.doi.org/10.1016/S0140-6736(14)60962-4

Apothekerin Elisabeth Pfister


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