Interpharm 2011

Parkinsonpatienten profitieren von frühem Therapiebeginn

Die neuen Therapieempfehlungen zur Parkinsonbehandlung sehen Dopamin-Agonisten als First-line-Therapeutika, das ehemalige Standardmittel L-Dopa wird erst in fortgeschrittenen Stadien empfohlen. Prof. Dr. Heinz Reichmann, Dresden, betonte, dass die Krankheitsprogression durch einen frühzeitigen Behandlungsbeginn verlangsamt werden kann.
Foto: DAZ/Reimo Schaaf
Prof. Dr. Heinz Reichmann

Das klinische Bild einer Parkinson-Erkrankung ist nicht nur durch die dopaminerge Symptomatik wie Rigor, Tremor, Bradykinese, Akinese und posturale Instabilität (vorgebeugte Körperhaltung mit Gleichgewichtsstörung) gekennzeichnet, sondern umfasst weitaus mehr Beschwerden. Zu diesen gehören etwa Riechstörungen (Hyposmie), Harninkontinenz, Schwitzen, Depressionen, Demenz und kognitive Defizite. Die motorischen Störungen können durch eine dopaminerge Ersatztherapie gebessert werden, die durch eine kontinuierliche Stimulation post-synaptischer D2-Rezeptoren erfolgt. Die Therapie sollte unmittelbar nach der Diagnosestellung eingeleitet werden, da bereits in der Frühphase der Erkrankung motorische Fähigkeiten verloren gehen. Wird die Therapie nicht frühzeitig begonnen, schreitet die Krankheitsprogression rascher fort und nicht behandelte Patienten weisen eine schlechtere Lebensqualität auf, als Patienten, die medikamentös behandelt werden. Die Vorteile einer frühen Therapie schlagen sich in einer Verbesserung der dopaminergen Symptomatik, dem Erhalt der Lebensqualität, der Unterstützung kompensatorischer Mechanismen, einer verbesserten Symptomkontrolle und wahrscheinlich auch in einer Verlangsamung der Krankheitsprogression nieder.

Bei der Auswahl des geeigneten Therapeutikums werden Alter des Patienten, Schwere der Symptomatik, die Ausprägung der Kardinalsymptome, die Dauer der Erkrankung, Komorbiditäten, die Verträglichkeit der Therapie, die persönliche Situation des Betroffenen und die Kosten berücksichtigt. Lange Zeit wurde die Behandlung mit L-Dopa begonnen, das über eine hohe Wirksamkeit verfügt. Da aber nach einigen Jahren unter der L-Dopa-Therapie vermehrt Hyperkinesien und Dyskinesien auftreten, sollte die Behandlung mit einem Dopamin-Agonisten oder MAO-B-Hemmer wie etwa Selegilin und Rasagilin begonnen werden. Letzterem werden krankheitsmodifizierende und neuroprotektive Eigenschaften zugeschrieben. In der Regel wird als First-Line-Therapie ein Dopamin-Agonist eingesetzt. Infrage kommen hier Ropinirol und Pramipexol (beide oral in retardierter Arzneiform) oder Rotigotin als transdermales therapeutisches System. Mit diesen drei Dopamin-Agonisten kann eine kontinuierliche dopaminerge Ersatztherapie durchgeführt werden. Zu beachten ist, dass neben dopaminergen Nebenwirkungen und Schlafattacken auch ungewöhnliche Begleiterscheinungen wie Hypersexualität, Kaufsucht, Fresssucht oder Spielsucht auftreten können. Bei einer weiteren Krankheitsprogression werden L-Dopa oder eine Kombination von L-Dopa mit COMT-Hemmern (Entacapon oder Tolcapon) eingesetzt. Der Nachteil von L-Dopa ist seine kurze Halbwertszeit und die Tatsache, dass im Lauf der Erkrankung immer höhere Dosierungen erforderlich werden. Aufgrund starker Blutspiegelschwankungen werden die Patienten dyskinetisch und erleiden das sogenannte On-off-Phänomen (wechselnde Phasen von guter Beweglichkeit und völliger Starre).

Auswahl der Ersttherapie


  • Dopamin-Agonist oder MAO-B-Hemmer: geringe motorische Einschränkung, keine kognitive Beeinträchtigung

  • Dopamin-Agonist: moderate bis schwere motorische Einschränkung, keine kognitive Beeinträchtigung

  • L-Dopa: Moderate bis schwere motorische Einschränkung bei älteren Patienten (älter als 70 Jahre) oder Vorliegen von Komorbiditäten einschließlich kognitiver Beeinträchtigungen

Bei fehlender Wirksamkeit oraler oder transdermaler Therapien können Apomorphin oder L-Dopa infundiert werden. Apomorphin wird subkutan über eine Dosierpumpe, L-Dopa über eine PEG-Sonde im Duodenum appliziert. Bei austherapierten Patienten besteht die Möglichkeit, einen "Hirnschrittmacher". zu implantieren. Die schwachen elektrischen Impulse des Schrittmachers stimulieren das erkrankte Areal des Gehirns und überwinden die gehemmte Verarbeitung von Nervensignalen. Während des Eingriffs wird der Patient ständig neurologisch überwacht. Nach der Operation wird der Schrittmacher individuell eingestellt. Diese Hirnstimulation führt zu guten Ergebnissen, ist aber nicht nebenwirkungsfrei und die Gefahr einer kranialen Blutung kann nicht ausgeschlossen werden.


pj



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DAZ 2011, Nr. 14, S. 73

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