Management

Bevor alles ins Wanken gerät

Dem Alkoholismus Einhalt gebieten

Um Coabhängigkeit im Team und das Stocken des Betriebsablaufs zu verhindern, ist ein Gespräch mit suchtkranken Angestellten nötig. Das Ziel: die häufig unzureichende Problemeinsicht zu fördern und das Teammitglied für Hilfe von außen zu öffnen als Voraussetzung für die Erhaltung des Arbeitsplatzes.

Genauso wie bei psychischen Krankheiten, die sich nicht mal eben von alleine legen, ist es bei Alkoholismus. In diesem Beitrag möchte ich mich auf Letzteres konzentrieren, um Möglichkeiten für einen Anfang vom Ende der Krankheit aufzuzeigen.

Als Vorgesetzter im Kleinbetrieb hat man oft mehr emotionale Nähe zu den Angestellten. Umso schwieriger ist es, unpopuläre Maßnahmen durchzusetzen und konfrontative Gespräche zu führen. Nachdem das Team aus Harmoniebedürfnis den Alkoholkranken zunächst gestützt und entschuldigt hat, ist irgendwann die Grenze erreicht. Durch Coabhängigkeit wird der Suchtmittelmissbrauch gefördert, der Betrieb geschwächt und die ganze Apotheke gerät ins Schwanken.

Der Psychologe Karl Benien beobachtet ein starkes inneres Abwehrsystem beim Alkoholkranken, das ihn alle Register ziehen lässt, um weitertrinken zu können. Druck von außen muss her, der Mitarbeiter muss mit den Konsequenzen seines Verhaltens konfrontiert werden, die der Alkoholkonsum nach sich zieht. Im Kontakt mit dem Vorgesetzten zeigt der Kranke in den verschiedenen Gesprächen mehrere Phasen von der Verleugnung und Verharmlosung über die scheinbar konstruktive Einsicht bis zur eskalativen Zuspitzung mit einem Teufelskreis zwischen wachsender Konfrontation des Chefs und verstärkter Verschleierung des Angestellten. Gerade in den helfenden Berufen neigen wir zur Rolle des Retters und bringen starke Appelle in die Vier-Augen-Unterredungen ein. Genau das ist zu unterlassen. Die Kritik vom Leiter an den Angestellten haben das Verfehlen des Arbeitsauftrages als Thema und die Einsicht des Kranken zum Ziel. Die eigentlichen helfenden Gespräche sind Sache der Therapeuten bei der Suchttherapie.

Benien beschreibt in seinem Buch „Schwierige Gespräche“ zunächst die Gesprächsvorbereitung.

Gesprächsvorbereitung

Ein ruhiger Raum ohne Störungen ist eine der Voraussetzungen, Überlegungen über einen positiven Gesprächseinstieg folgen.

Bei der Selbstklärung sorgt man zunächst dafür, dass man sich wohl fühlt und alle eigenen Bedürfnisse für diesen Moment befriedigt sind. Man klärt mit sich selbst ab, ob man den Mitarbeiter als trockenen Alkoholiker nach der länger dauernden Therapie grundsätzlich behalten will oder ihn auf jeden Fall aus der Apotheke entfernen möchte.

Der Chef beurteilt, aber verurteilt den Mitarbeiter nicht, er hört ihn nicht kurz an, sondern ihm zu. Langwierige Diskussionen sind meistens nutzlos, sie finden oft auf Nebenschauplätzen und in Details statt. Dem gilt es auszuweichen. Man braucht eine Liste mit konkreten Beispielen, damit der Kranke versteht, welches Fehlverhalten man meint und wo er seinen Aufgaben nicht nachkommt. Wie kann man das Thema „Alkohol“ konkret ohne Diagnostizieren, Pauschalisieren und Vorhaltungen ansprechen? Welche Konsequenzen zieht der Apotheker, wenn der Kranke die Auffälligkeiten nicht abstellt? Der Leiter braucht ein klares Ziel für dieses erste Gespräch und sollte am Ende einen Termin für das nächste verabreden.

Kritikgespräch

Benien gliedert es in fünf Abschnitte. Bei der Eröffnung kommt man nach freundlicher Begrüßung auf den ernsthaften Charakter des Gesprächs und die Bedrohlichkeit der Situation zu sprechen. Gleichzeitig achtet man auf eine vertrauensvolle Atmosphäre als Grundlage für ein offenes Miteinander. Der Alkoholkranke sollte spüren können, dass es nicht darum geht, ihn als Mensch abzulehnen, sondern ihm auf dem Weg aus der Sucht beizustehen. Das Äußern der Kritik bezieht sich zum Beispiel auf Fehlerhäufung, Unpünktlichkeit und Unzuverlässigkeit. Zu diesem Zeitpunkt kann besser statt eines beschuldigenden „Sie sind Alkoholiker“ die neutrale Aussage gemacht werden, wann genau man den Alkoholgeruch zuletzt bei diesem Mitarbeiter wahrgenommen, einen Schwund bei betriebseigenen Alkoholvorräten registriert oder alkoholische Getränke direkt an seinem Arbeitsplatz gesehen hat.

Austausch über Fehlverhalten und das Thema Alkohol

Hier bezieht der Alkoholkranke Stellung, für den Zuhörer wird klar, ob die Krankheit bereits als solche angenommen oder noch verleugnet wird. Im Weiteren werden wahrscheinlich Erklärungen und Rechtfertigungen abgegeben, hier ist das aktive Zuhören gefragt, der Apothekenleiter nimmt bei Themenabweichungen den Faden selbst wieder auf und führt das Ganze wieder zu dem Punkt zurück, wo der Mitarbeiter noch etwas über eigene Schwierigkeiten, vielleicht auch schon Lösungsideen äußert.

Arbeitsrechtliche Schritte

Hier schildert die Führungskraft einleitend, welche realen Schwierigkeiten bei der Arbeit und im sozialen Umfeld durch den Angestellten entstanden sind. Sei es, dass Verwechslungen vorkamen, Kunden nicht bedient wurden oder dass Andere aus dem Team zum Schutz für ihr krankes Mitglied gelogen haben. Der Chef kann auch schildern, inwiefern es für ihn selbst durch den Kranken schwierige Situationen gab, in denen er in Erklärungsnot gegenüber Patienten oder Ärzten war oder vor Fehlern durch falsche Beratung stand. Auch wenn bei diesem ersten Gespräch noch keine Konsequenzen erfolgen, ist es doch nötig, auf mögliche Abmahnungen und Arbeitsplatzverlust hinzuweisen. Der Alkoholkranke ist erwachsen und sollte sich über seine Verantwortung für sein Verhalten bewusst sein.

Hilfe anbieten

Hier bietet der Apotheker Informationsmaterial, Adressen von Hilfsorganisationen und Ähnliches an. Auch dabei ist es wieder wichtig, nicht in die Retterrolle zu schlüpfen und Appelle zu unterlassen. Der Chef lässt die Erklärungsversuche des Mitarbeiters zu und verdeutlicht noch einmal seine Forderung nach Besserung in den Problembereichen bei der Arbeit.

Gesprächsabschluss

Ein Gesprächsprotokoll wird angefertigt, von beiden unterzeichnet und ein nächster Termin zum gleichen Thema festgelegt. In der Regel verspricht der Mitarbeiter Besserung in allen Punkten, ist aber nicht unbedingt dazu fähig. Ab wann er die Situation für sich ernst nimmt, wie viele Rückfälle es gibt und ob Heilung möglich ist, zeigt die Zeit.

Das Kritikgespräch mit psychisch Erkrankten gestaltet sich ähnlich: Auch hier steht die Fähigkeit zur Erledigung des Arbeitsauftrages im Mittelpunkt. Das Thema, zu dem die Betriebsleitung immer wieder zurückkehrt: Fehler, Unhöflichkeit, unterlassene Beratung des Kunden und andere unangebrachte Verhaltensweisen. Die Anregung, sich umgehend professionelle Hilfe zu suchen als Brücke zur Erhaltung des Arbeitsplatzes, schließt sich an. Ein Eingehen auf Erklärungen, Ausflüchte, Rechtfertigungen ist zeitraubend und überflüssig, da es zu nichts führt und der Chef nicht der Therapeut ist. Der Angestellte entscheidet selbst, was ihm wichtig ist.

Mit einer guten Vorbereitung gelingen auch Gespräche dieser Art, es ist besser, sich hier und rechtzeitig auf unbekanntes Terrain zu wagen als zuzuschauen, wie die Situation immer weiter eskaliert. 

Ute Jürgens ist PTA und Diplom-Pädagogin für Erwachsene. Sie ist Seminartrainerin im Bereich Kommunikation mit Spezialisierung auf Heilberufler, www.kommed-coaching.de, info@kommed-coaching.de

 

Literatur

Karl Benien: Schwierige Gespräche führen – Modelle für Beratungs-, Kritik- und Konfliktgespräche im Berufsalltag. Rowohlt 8. Auflage 2003

Prof. Wolfgang Mentzel, Svenja Grotzfeld, Christine Haub: Mitarbeitergespräche. Haufe – Lexware 2010

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