Gesundheitspolitik

BMG: Versandapotheken müssen nicht eigeninitiativ beraten

Berlin (jz). Apothekenleiter müssen stets sicherstellen, dass ein Kunde hinreichend über das Arzneimittel, das er erhält, informiert und beraten wird. So lautet die grundsätzliche Vorgabe in § 20 Apothekenbetriebsordnung. Aber wie ist das bei Versandapotheken?

In einer Stellungnahme vom 4. Februar äußerte sich das Bundesgesundheitsministerium (BMG) dazu: Versandapotheken genügen danach ihrer Informations- und Beratungspflicht, wenn sie ihre Kunden zur Angabe einer Telefonnummer auffordern, unter der sie das pharmazeutische Personal beraten kann. Allerdings dürfe ein Arzneimittel erst gar nicht versandt werden, wenn eine fernmündliche oder schriftliche Information die Arzneimittelsicherheit nicht gewährleisten könne.

Bewusste Stärkung von Information und Beratung

Zunächst verweist das BMG in seiner Stellungnahme darauf, dass zur Abgabe von Arzneimitteln grundsätzlich auch die Beratung der Patienten gehöre. "Information und Beratung sind durch die Novelle der Apothekenbetriebsordnung ganz bewusst gestärkt worden." Nach § 20 ApBetrO habe jeder Apothekenleiter die Pflicht, bei der Abgabe von Arzneimitteln durch Nachfrage den Informations- und Beratungsbedarf jedes einzelnen Kunden festzustellen und gegebenenfalls die entsprechende Beratung anzubieten. Auch beim Versand sind Apotheker grundsätzlich dazu angehalten, durch Information und Beratung die Arzneimittelsicherheit zu fördern, erklärt das BMG.

Ausnahme bei Versandapotheken

Um den "tatsächlichen Besonderheiten des Versandhandels mit Arzneimitteln" Rechnung zu tragen, genügen Versandapotheken dieser Pflicht aus Sicht des BMG, wenn sie den Kunden zur Angabe einer Telefonnummer auffordern, unter der er durch pharmazeutisches Personal der Apotheke telefonisch und ohne zusätzliche Gebühren beraten werden kann (§ 17 Abs. 2a Satz 1 Nr. 7 ApBetrO). Denn durch die Möglichkeit des Versandhandels habe der Gesetzgeber eine Ausnahme von der für Apotheken grundsätzlich bestehenden persönlichen Beratung geschaffen. "Damit entfällt bei einer Versandapotheke grundsätzlich die Pflicht, eigeninitiativ zu beraten, nicht aber das Recht der Patienten, beraten zu werden."

Im Folgenden betont das BMG aber auch, dass Arzneimittel nicht versandt werden dürfen, wenn Arzneimittelsicherheit und Verbraucherschutz durch eine fernmündliche oder schriftliche Information nicht im hinreichenden Umfang gewährleistet werden können (§ 17 Abs. 2a Satz 2 ApBetrO). "Dies muss der Apotheker im Einzelfall prüfen." Schließlich dürften gemäß § 17 Abs. 2b ApBetrO auch Arzneimittel, die die Wirkstoffe Thalidomid oder Lenalidomid enthalten, nicht auf dem Wege des Versandes in den Verkehr gebracht werden.

Pharmazieräte müssen umdenken

Die Pharmazieräte hatten bisher eine strengere Handhabung angedacht. In ihrer Resolution zur neuen Apothekenbetriebsordnung hieß es dazu: "Bei Versand von Arzneimitteln nach § 11a ApoG besteht nach § 17 Abs. 2a Nr. 7 eine Beratungspflicht. Das bedeutet, dass bei jedem Versand eine Beratung nach § 20 durchgeführt werden muss. Dies ist im QMS festzulegen und zu dokumentieren." Bis auf Weiteres wurde diese Empfehlung nun aber zurückgezogen – der Punkt "Anforderungen bei einer Versandhandelserlaubnis" befindet sich laut der APD-Internetseite wieder "in Bearbeitung". "Sollte die Rechtsauffassung so sein, müssen wir das zur Kenntnis nehmen", erklärte der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft der Pharmazieräte Deutschlands (APD), Christian Bauer, gegenüber der AZ. Es bestehe insoweit Klärungsbedarf. Der nächste reguläre APD-Tagungstermin soll im Oktober stattfinden – aber man werde diesen Punkt sicher schon im Vorfeld besprechen, so Bauer.

Bedenken gegen BMG-Stellungnahme

Juristen sehen die Auslegung des BMG allerdings kritisch. So gibt etwa Rechtsanwältin Dr. habil. Sabine Wesser gegenüber der AZ zu bedenken, aus dem reinen Wortlaut des § 17 Abs. 2a Satz 1 Nr. 7 ApBetrO lasse sich eine solche Auslegung nicht herleiten: Danach hat der Apothekenleiter beim Versandhandel sicherzustellen, dass der Kunde darauf hingewiesen wird, dass er als Voraussetzung für die Arzneimittelbelieferung mit seiner Bestellung eine Telefonnummer anzugeben hat, unter der er durch pharmazeutisches Personal der Apotheke beraten "wird" – und nicht, wie das BMG meint, beraten werden "kann".

Es stelle sich insoweit die Frage, so Wesser, zu welchem Zweck der Kunde "als Voraussetzung" seiner Belieferung eine Telefonnummer anzugeben habe, wenn die Versandapotheke den Kunden unter der angegebenen Nummer gar nicht anrufen müsse? Ihr zufolge gelten für den Versandhandel die gleichen Vorgaben hinsichtlich Beratung und Information – mit dem Unterschied, dass diese nicht persönlich erfolgen muss und dass der Versand unterbleiben muss, wenn anders als durch persönliche Beratung der Beratungsbedarf nicht erfüllt werden kann. Die Schlussfolgerung des BMG, beim Versandhandel entfalle die Pflicht, eigeninitiativ zu beraten, lasse sich insoweit nicht halten.



AZ 2013, Nr. 9, S. 1

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