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Baustellen, wohin man blickt …

Klaus G. Brauer Herausgeber der DAZ

Wie heißt es so schön: Optimismus sei Pflicht? Leicht gesagt, schwer getan – derzeit jedenfalls, und ganz besonders, wenn man an Apotheke und Apotheker denkt – und daran, wie 2012 für uns gelaufen ist. Zu viele Baustellen, auf denen es nicht voranging. Zu viele Widersprüchlichkeiten. Hier und da ein guter Spielzug, aber viel zu viele Eigentore. Match Winner wird man so nicht. Eher Abstiegskandidat. Unsere Berufsvertretung ist – selbstverschuldet oder nicht – in einer wenig beneidenswerten Situation.

Eine der Baustellen, bei denen nichts erreicht wurde: die Pick ups als Spielart des Arzneiversandhandels. Obwohl bislang nur mäßig erfolgreich, bleiben sie ein Ärgernis. Man habe sie nicht gewollt, sagt die Politik. Sie abzuschaffen, stoße auf rechtliche Hindernisse. Vergessen sind frühere Andeutungen, ersatzweise ließe sich wenigstens der Arzneiversand von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln verbieten. Selbst wenn – OTC-Arzneimittel dürften dann immer noch via Versand bzw. Pick-up-Stellen verkauft werden. 10% des OTC-Segmentes (Tendenz steigend) laufen schon über Versand – faktisch ohne Beratung, wie sie Vor-Ort-Apotheken vorgeschrieben ist. Und eigentlich, gemäß der neuen Apothekenbetriebsordnung, auch Arzneiversendern.

Thema Apothekenbetriebsordnung: Dort halten sich Licht und Schatten die Waage. Die Zulassung von Schmalspur-Apotheken mit reduzierter Ausstattung und eingeschränkten Verpflichtungen konnte verhindert werden; sie hätte zu massiven Wettbewerbsverzerrungen geführt und die Versorgung unsicherer gemacht. Andererseits wurden die bürokratischen Anforderungen hochgeschraubt – im Gegensatz zu anderen Branchen bei uns ohne die Möglichkeit, den Mehraufwand über den Preis weiterzugeben. Die neuen Regelungen zur Rezeptur sind noch als qualitätsverbessernd einzustufen. Absurd wirklichkeitsfremd und überzogen erscheinen aber die Anforderungen an normale Defekturen. Dass sich der Verordnungsgeber oft an Leitlinien der Bundesapothekerkammer anlehnte, macht das ganze eher noch unerfreulicher. Qualitätsverbesserungen wären auch durch weniger bürokratischen Mehraufwand zu erreichen gewesen.

Eine weitere Dauerbaustelle ist die Honorierungsfrage. Die beschlossene Erhöhung des seit 2004 eingefrorenen Packungshonorars um 3% (25 Cent) ist provokativ wenig – nicht nur wenn man Vergleiche zu den vielen Anhebungen bei Arzt- und Klinikhonorierungen anstellt. Beim Rabatt, den Apotheken den Kassen der GKV gewähren müssen, steht immer noch die gerichtliche Klärung an, ob es – schiedsstellenkonform – für die Jahre 2009 (!) und 2010 (!) bei 1,75 Euro bleibt. Unerträglich unklar ist auch, welcher Rabatt ab 2013 gelten soll – nach dem Sonderopfer, das der Gesetzgeber uns für die Jahre 2011/2012 auferlegt hat. Der Gesetzestext selbst lässt letzte Klarheit vermissen. Er hätte nachgebessert werden müssen, z. B. in dem Sinn, dass gegen Schiedsstellenentscheide nicht beliebig geklagt werden kann. Klar ist: Der Aufwand für das Exekutieren der Rabattverträge ist nicht kleiner geworden, wegen der Vielzahl der Verträge hat er gegenüber 2010 sogar noch zugenommen. Das müsste zu einem Kassenrabatt unterhalb von 1,75 Euro führen.

Der Weg dorthin wird nicht eben erleichtert durch ein Interview, das Friedemann Schmidt, der zum Januar sein Amt als ABDA-Präsident antritt, in der letzten Woche der Süddeutschen Zeitung gab. Was hängen bleibt: Apotheker verdienen mehr als Ärzte. Der Eindruck ist zwar falsch. Und Schmidt hat es so auch nicht gesagt. Trotzdem irrt er. Wenn man Privatversicherte und Angestellte einbezieht, liegen Ärzte deutlich vor den Apothekern. Ansonsten parierte Schmidt die Fragen der SZ kurz und professionell. Einzig seine Charakterisierung von Nahrungsergänzungsmitteln erschien allzu pauschal und zu negativ.

Kann es sein, dass Thomas Bellartz – bis 2011 ABDA-Sprecher, Mitbegründer des Online-Branchendienstes Apotheke adhoc, schließlich freiberuflich (auch für Adhoc) tätig – mit Geld, das aus unseren Berufsorganisationen stammt, illegal Daten aus dem BMG aufkaufte? Wer wusste davon? Welche Beträge flossen? Aus welchen Quellen, auf welchen Wegen? Welche Rolle spielte Apotheke adhoc? Mit welchen Beträgen, für welche Leistungen sponserte die ABDA den Branchendienst? Die inzwischen auch in der Publikumspresse ausgebreiteten Vorwürfe sind so ungeheuerlich, dass man reflexartig die Unschuldsvermutung ins Feld führen will. Wenn sich aber herausstellen sollte, dass die ABDA, der DAV oder andere Organisationen oder Personen aus der verfassten Apothekerschaft involviert waren – dann Gnade uns Gott. Dann müssten Köpfe rollen – wie man (etwas zu martialisch) sagen könnte. Aber anders ließe sich das demolierte Vertrauen kaum wieder aufbauen.


Klaus G. Brauer



DAZ 2012, Nr. 51, S. 3

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