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Celesio trennt sich von "Oesterle-Altlasten"

Pinger will DocMorris verkaufen und Konzern neu ausrichten

STUTTGART (lk). Der neue Vorstandsvorsitzende des Stuttgarter Pharmahandelskonzerns Celesio, Markus Pinger, zieht einen Schlussstrich unter die Ära Fritz Oesterle und lässt auf seine Ankündigungen vom vergangenen Herbst jetzt Taten folgen. Mit einer tiefgreifenden strategischen Neuausrichtung will Celesio in diesem Jahr die Ertragswende schaffen und zu einem profitablen Wachstum zurückkehren. Dazu trennt sich Celesio nicht nur von DocMorris, sondern von zwei weiteren unter Amtsvorgänger Fritz Oesterle erworbenen Beteiligungen.
Neuausrichtung Markus Pinger will Celesio ein neues Gesicht geben – und den Konzern wieder profitabel machen. Foto: Celesio

"Erste konkrete Schritte der Neuausrichtung waren bereits in 2011 der Ausstieg aus dem Joint-Venture mit Medco und der Kauf des brasilianischen Unternehmens Oncoprod", betonte der Vorstandsvorsitzende von Celesio, Markus Pinger, auf der Bilanzpressekonferenz des Unternehmens. "Mit der Einleitung des Verkaufsprozesses für Movianto, Pharmexx und DocMorris haben wir jetzt weitere Portfolioentscheidungen für unsere Neuausrichtung getroffen." Damit bestätigte Celesio-Chef Pinger die Verkaufsabsicht für die Versandapotheke DocMorris. Celesio habe in den letzten Wochen alle Optionen für die DocMorris-Versandapotheke geprüft. Eine Integration in das angestrebte neue EU-weite Apothekenkooperationsnetz von Celesio sei nicht realisierbar gewesen. Pinger: "Daher haben wir uns entschlossen, den Konflikt klar und gradlinig zu lösen. Auch für DocMorris haben wir den Verkaufsprozess eingeleitet." Der Kauf von DocMorris im Jahr 2007 habe wegen der von DocMorris gewährten 15 Euro Rx-Boni einen Konflikt mit der Apothekerschaft ausgelöst, der Celesio Marktanteile und Gewinn gekostet habe. Daher erfolge jetzt der klare Schnitt. Pinger: "Wir wollen völlig unbelastet in den Aufbau unserer EU-weiten Apothekenkooperation gehen." Der Verkauf, der möglichst noch in diesem Jahr über die Bühne gehen soll, könnte Celesio einen dreistelligen Millionenbetrag bringen. DocMorris erzielt im Versandhandel einen Umsatz von gut 300 Millionen Euro und gilt laut FAZ als durchaus rentabel. 2007 hatte Celesio knapp 200 Millionen Euro für DocMorris bezahlt. Grundsätzlich könnte DocMorris für Finanzinvestoren wie auch für strategische Investoren interessant sein. Allerdings hat die Absicht der Bundesregierung, ausländische Rx-Boni zu verbieten, die Suche nach Investoren für DocMorris nicht erleichtert.

DocMorris-Verkauf: Nur ein Scheinangebot?

Eigentlich läuft ein Verkauf der DocMorris-Versandapotheke der Absicht von Pinger entgegen, das Kriegsbeil mit den Apothekern zu begraben. Ein Investor würde DocMorris offensiv entwickeln. Darauf hatte Celesio zuletzt verzichtet. Damit wäre die Apothekenlandschaft in Deutschland nicht befriedet. Marktbeobachter schließen daher nicht aus, dass die Celesio-Ankündigung nur "zum Schein" erfolgt und dazu dient, aktienrechtliche Bestimmungen zu erfüllen. Sollte sich nach einer Karenzzeit oder Schamfrist kein Investor finden, könnte Pinger die DocMorris-Versandapotheke schließen, ohne sich Schadensersatzansprüchen seiner Aktionäre auszusetzen. Der Wert der DocMorris-Versandapotheke müsste in der Celesio-Bilanz abgeschrieben werden.

Erweiterung der Logistikkompetenz geplant

Die bereits 2011 eingeleitete strategische Neuausrichtung setzt auf drei "gesellschaftliche Megatrends im Gesundheitsbereich": ein steigendes Lebensalter der Bevölkerung mit wachsendem medizinischem Bedarf, steigende pro Kopf-Ausgaben für Gesundheit sowie den Aufbau leistungsfähiger Gesundheitssysteme in den Schwellen- und Entwicklungsländern. Im Zentrum steht die Fokussierung auf das Kerngeschäft: Unter dem Stichwort "End-to-end Supply Chain" ist eine Erweiterung der Logistikkompetenz auf die gesamte Wertschöpfungskette geplant – von der Logistik der Hersteller bis zum Lagermanagement der Apotheke. Dadurch sollen Effizienzvorteile und Wachstum erzielt werden.

Zweiter Eckpfeiler ist der Aufbau eines europäischen Apothekennetzwerks, in dem alle eigenen sowie alle heutigen und zukünftigen Kooperationsapotheken gebündelt werden. Durch die Bündelung sollen innovative Apothekenkonzepte schneller entwickelt und implementiert werden. Darüber hinaus sollen auch für inhabergeführte Apotheken Größenvorteile im Bereich Einkauf und Marketing erzielt werden. Damit will sich Celesio zum Partner für Apotheken in einem auch durch Liberalisierung gekennzeichneten Umfeld entwickeln. Ziel sind steigende Marktanteile und damit höhere Umsätze und Ergebnisse.

Weiter expandieren will Celesio unter Pinger im Ausland: Ausgehend von der führenden Marktposition in Brasilien soll der Markteinstieg in weitere lateinamerikanische Länder geprüft werden. Mittelfristig wird die Region Mittlerer Osten als aussichtsreich eingeschätzt. Insgesamt soll durch regionale Expansion ein wichtiger Beitrag für zukünftiges Wachstum geleistet werden.


Celesio-Bilanz 2011


Deutschlands zweitgrößter Pharmagroßhändler Celesio ist 2011 nur knapp an roten Zahlen vorbei geschrammt. Unter dem Strich verbuchte das MDax-Unternehmen ein positives Jahresergebnis von nur noch 6,1 Millionen Euro – nach 265 Millionen Euro im Jahr 2010.

Der Umsatz des Unternehmens sank leicht von 23,3 Milliarden Euro auf 23,0 Milliarden Euro. Der um Einmaleffekte bereinigte Betriebsgewinn fiel um 17 Prozent auf 578 Mio. Euro. Das Ergebnis vor Zinsen und Steuern (EBIT) belief sich im Geschäftsjahr 2011 auf 434,9 Millionen Euro vor beziehungsweise 236,8 Millionen Euro (minus 58 Prozent) nach außerplanmäßigen Abschreibungen und Einmalaufwendungen. Das Ergebnis vor Steuern sank auf 323,3 Millionen Euro vor und 104,0 Millionen Euro nach außerplanmäßigen Abschreibungen und Einmalaufwendungen. Auch die Prognose schaut verhalten aus: "Stabilisierung in 2012, Neuausrichtung in 2013, Wachstum ab 2014."

Die zum Duisburger Mischkonzern Haniel gehörende Celesio AG will ihre Dividende "vor dem Hintergrund der Restrukturierung und Neuausrichtung" halbieren und diesmal nur 25 Cent je Aktie zahlen. Damit soll die Dividendenkontinuität beibehalten und eine der wirtschaftlichen Situation des Unternehmens angemessene Ausschüttung geleistet werden.

Operational Excellence Programm

Wichtiger Teil der neuen Celesio-Strategie ist zudem das bereits 2011 gestartete "Operational Excellence Programm". Damit soll in 2012 die Ergebnisentwicklung stabilisiert und ein Ergebnis auf Vorjahresniveau erreicht werden. "Das bedeutet, dass wir uns 2012 auf unsere Hausaufgaben konzentrieren und unsere Ergebnisentwicklung stabilisieren wollen. Wir wollen ein Ergebnis auf Vorjahresniveau erzielen. Dies ist die Voraussetzung für eine erfolgreiche Umsetzung unserer Neuausrichtung und für profitables Wachstum. Deshalb haben wir in den vergangenen Monaten das Operational Excellence Programm als Teil unserer strategischen Neuausrichtung vorangetrieben. Es soll kurzfristig positive Ergebnisbeiträge liefern und langfristig zu einer nachhaltigen Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit beitragen."

Das Operational Excellence Programm umfasst im Wesentlichen die konzernweite Bündelung der Einkaufsaktivitäten, die Stärkung der Marktposition in Schweden, wo Celesio seit 2010 mit der Eröffnung neuer Apotheken begonnen hat, die Optimierung der internationalen Transportwege und -kosten, die Reduzierung von Verwaltungskosten in den sechs großen Hauptverwaltungen von Celesio und seinen Landesgesellschaften. Das Operational Excellence Programm soll bereits im zweiten Halbjahr 2012 einen spürbaren Beitrag zur Ergebnisverbesserung leisten. Pinger: "Ab 2013/2014 wird es dann seine volle Wirkung entfalten und zu einer jährlichen Entlastung von circa 50 Millionen Euro führen." Insgesamt rechnet das Unternehmen im Zusammenhang mit der Umsetzung des Operational Excellence Programms mit Einmalaufwendungen von bis zu 100 Millionen Euro. Davon wurden 80,6 Millionen bereits im abgelaufenen Geschäftsjahr bilanziell berücksichtigt.



DAZ 2012, Nr. 13, S. 20

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