Unruhe bei Celesio

Celesio-Chef im Kreuzfeuer – Pinger sieht Celesio auf gutem Kurs

Berlin - 11.05.2012, 11:54 Uhr


Es herrscht Unruhe bei Celesio: Am 14. Mai präsentiert der Stuttgarter Pharmahandelskonzern seine Quartalsbilanz. Zwei Tage später muss Vorstandschef Markus Pinger auf seiner ersten Celesio-Hauptversammlung den Aktionären Rede und Antwort stehen. Da kommen Berichte über vermeintliche Umzugspläne der Konzernzentrale ebenso ungelegen wie über die beabsichtigte Schließung des Berliner Lobby-Büros oder über erneuten Abschreibungsbedarf bei der angeschlagenen Pharmexx-Tochter.

Celesio befindet sich im Umbruch. Auf DAZ.online nimmt Celesio-Chef Pinger Stellung zu den Vorgängen und sieht Celesio auf gutem Kurs: „Seit der Kommunikation unserer Pläne und der eingeleiteten Maßnahmen Ende Oktober 2011 ist der Aktienkurs, der ja vorher nach drei Prognoseanpassungen auf einem Tiefstand war, wieder deutlich gestiegen. Viele Analysten haben Kaufempfehlungen für die Celesio-Aktie ausgesprochen, weil sie an den Erfolg unserer Strategie glauben.“

Hört man in die Großhandelsbranche hinein, fallen nicht nur anerkennende Worte für Markus Pinger, der im August letzten Jahres auf Geheiß von Großaktionär Haniel das Ruder in Stuttgart übernahm und es herumriss. „Er versteht die Märkte nicht“, heißt es über Markus Pinger, der vom Kosmetikhersteller Beiersdorf (Nivea)  an den Neckar in den regulierten Arzneimittelmarkt wechselte. Er versuche, mit den Managementinstrumenten freier Märkte den Großhandel mit Arzneimitteln zu optimieren. Angesichts schwindender Margen sei Pingers „Back to the roots“-Strategie mit der Fokussierung auf das Großhandelsgeschäft „mutig“.

Pinger-Kritiker kolportieren in den letzten Wochen unaufgefordert weitere Indizien, dass nicht alles rund läuft. In der „Kummerbox“ in der Stuttgarter Celesio-Zentrale, in die Mitarbeiter anonym ihre Kritik und Kommentare einwerfen können, sammelten sich plötzlich im Tonfall nicht mehr hinnehmbare Anmerkungen zu Pingers Unternehmensführung. 

Von einem Mitarbeiter-„Exodus“ auf der zweiten Führungsebene ist gar die Rede. Mitarbeiter kehrten wegen Markus Pinger Celesio den Rücken. Max Müller, bis Ende April Cheflobbyist im Berliner Celesio-Büro, nahm seinen Hut. Seit Pingers Amtsantritt verließen acht weitere Führungskräfte das Unternehmen, darunter der Movianto-Chef, der Belgien-, der Großbritannien-, der Norwegen- und Schweden-Chef. Auch der IT-Chef arbeitet ebenso nicht mehr für Celesio wie der Mann fürs Apothekenmarketing. 

Auf DAZ.online nimmt Celesio-Chef Markus Pinger in einem aktuellen Interview dazu Stellung:    

DAZ.online:  Es gibt in der Branche kritische Stimmen zu Ihrer "Back to the roots"-Strategie angesichts schwindender Margen im Großhandel. Wie reagieren Sie darauf?

Pinger: Es geht nicht um ein simples "back to the roots", sondern um Innovation, Weiterentwicklung und nachhaltiges profitables Wachstum. Alle vergangenen Versuche von Celesio, jenseits des Kerngeschäfts zu wachsen, waren nicht erfolgreich. Es wurden hohe dreistellige Millionenbeträge investiert. Die Gewinne aus neuen Aktivitäten blieben aber aus. Stattdessen kam es dabei oft zu Verlusten und hohen Abschreibungen. Resultat: Im Jahr 2011 lieferte das Kerngeschäft 98 % des Ergebnisses. Genau dieses Kerngeschäft, von dem Celesio bis heute lebt, also der Pharmagroßhandel und das Apothekengeschäft, wollen wir stärken und mit innovativen Konzepten weiterentwickeln. 

DAZ.online: Im Oktober habe Sie die Säulen/Operationsfelder Ihrer Strategie markiert und Ziele definiert. Wie weit sind Sie damit gekommen? 

Pinger: Die vorläufigen Zahlen zum ersten Quartal zeigen: Celesio legt im Ergebnis wieder zu. Das heißt, unsere Maßnahmen greifen, und unsere neuen Konzepte tragen erste Früchte. Das gilt auch für den deutschen Großhandel, die Gehe. Mit der Umsetzung unserer neuen Strategie und ihren fünf Schwerpunkten sind wir also gut unterwegs. Im Rahmen des Operational Excellence Programms bündeln wir erfolgreich unsere Einkaufsaktivitäten und fahren daraus erste Ergebnisse ein. Wir haben zudem unsere Verwaltungskosten bereits gesenkt. In Schweden reduzieren wir unsere Anlaufverluste, und wir haben begonnen, unser Niederlassungsnetz zu optimieren. Im Rahmen der regionalen Expansion haben wir in Brasilien Oncoprod gekauft und Panpharma komplett übernommen. Bei der Überprüfung des Bereichs Manufacturer Solutions sind wir aus dem Joint-Venture mit Medco ausgestiegen. Wir haben alle Optionen für Movianto, Pharmexx und DocMorris geprüft und nach dieser intensiven Prüfung den Verkaufsprozess eingeleitet. Das alles in sechs Monaten. Für unsere strategischen Schlüsselkonzepte, das europäische Apothekennetzwerk und die End-to-end supply chain wollen wir uns mehr Zeit nehmen. Dafür brauchen wir wie angekündigt das Jahr 2012. Aber wir sind auch hier auf gutem Weg. 

DAZ.online: Veränderungen bringen immer Unruhe mit sich: Wie wirkt sich das auf das Betriebsklima bei Celesio aus?

Pinger: Veränderungen sind für die Mitarbeiter immer mit Unsicherheit verbunden. Wir nehmen das sehr ernst und versuchen deutlich zu machen, dass Veränderungen und große Anstrengungen notwendig sind, die sich aber lohnen. Celesio hat eine positive Zukunft vor sich. Davon bin ich überzeugt. Wir unternehmen sehr viel, um die Neuausrichtung den Mitabeitern verständlich zu machen und nahezubringen. Wir machen viele Townhallmeetings, übrigens auch im Ausland. Ich lade Mitarbeiter regelmäßig zu einem Gespräch in kleiner Runde ein. Aber es ist natürlich klar, dass man nicht alle Ängste nehmen kann. Und manchmal muss man auch schwierige Entscheidungen treffen. Dass Celesio in eine sehr schwierige Lage geraten ist, ist ja nicht Schuld der Mitarbeiter. Das ist die Verantwortung des Managements und hat daher auch zu Veränderungen auf der Führungsebene geführt. Damit waren Konflikte verbunden. Das ist bei solchen Prozessen leider nicht zu vermeiden.

DAZ.online: Hand aufs Herz: Nach 9 Monaten Pinger - steht Celesio besser oder schlechter da als zuvor?

Pinger: Darüber möchte ich nicht selber urteilen. Der Kapitalmarkt hat allerdings auf die Neuausrichtung des Unternehmens positiv reagiert. Seit der Kommunikation unserer Pläne und der eingeleiteten Maßnahmen Ende Oktober 2011 ist der Aktienkurs, der ja vorher nach drei Prognoseanpassungen auf einem Tiefstand war, wieder deutlich gestiegen. Viele Analysten haben Kaufempfehlungen für die Celesio-Aktie ausgesprochen, weil sie an den Erfolg unserer Strategie glauben. Ganz aktuell hat der Kurs nach Veröffentlichung der vorläufigen Zahlen zum ersten Quartal noch einmal erheblich zugelegt. Mehr möchte ich dazu nicht sagen. Was ich bei dieser Gelegenheit aber noch einmal unterstreichen möchte: Unsere Neuausrichtung ist ein langfristiges Vorhaben. Die vollen Effekte unserer Arbeit werden wir mittelfristig sehen. In diesem Jahr werden wir alles dafür tun, die langjährig negative Ergebnisentwicklung zu stoppen und Celesio zu stabilisieren. Das ist die Basis, um das Unternehmen wieder zu profitablem Wachstum zurückzuführen. Ich bin zuversichtlich, dass uns das gelingt.

DAZ.online: Vielen Dank für das Gespräch.


Lothar Klein